Das Kölner Analysehaus infinma hat erneut die Marktstandards für die Berufsunfähigkeitsversicherung ermittelt. Dazu wurden wichtige Qualitätsmerkmale aus den Versicherungsbedingungen ausgewertet. Insgesamt wurden 439 BU-Tarife von 72 Gesellschaften unter die Lupe genommen. Die Auswertung der BU-Tarife sieht infinma ausdrücklich nicht als Rating. Schließlich ließen sich die einzelnen Bedingungsbestandteile nicht gegeneinander „aufrechnen“ und seien daher nur bedingt vergleichbar. "Aus genau diesem Grund nehmen wir auch keine Bewertung in Form von Punkten vor, sondern stellen für die einzelnen Kriterien lediglich dar, ob der Versicherer eine Regelung getroffen hat, die besser oder schlechter als der Marktstandard ist.", heißt es in der Auswertung.

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Wenn der Tarif alle Marktstandards erfüllt oder überbietet, können die Versicherer für die besagten Angebote ein kostenloses infinma-Zertifikat erhalten. Die Marktstandards sollen sowohl Vermittlern und Maklern, aber auch Versicherern wichtige Informationen über die am Markt üblichen und verbreiteten Regelungen in den BU-Bedingungen geben, teilen die Kölner Analysten mit. Zur Erinnerung: Die Standards allein erlauben keinen Aufschluss, ob der jeweilige Tarif für die einzelne Kundin bzw. den Kunden geeignet ist: Das hängt unter anderem vom jeweiligen Beruf, der individuellen Einkommens- und Lebenssituation sowie dem daraus resultierendem Absicherungsbedarf ab.

Die Standards passt das Analysehaus hierbei regelmäßig an. „Für das nächste Update der Marktstandards werden wir erneut prüfen, ob es nicht an der Zeit und sinnvoll ist, dass eine oder andere Kriterium auszutauschen. Teilzeitregelung, Verlängerungsoption oder Krebshilfen u. ä. könnten sich dabei anbieten. Möglicherweise kommt dann auch wieder ein wenig Bewegung in die Marktstandards“, gab Jörg Schulz, Geschäftsführer bei infinma, einen Ausblick auf die Zukunft.

In der aktuellen Auswertung hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht viel bewegt. Damals erfüllten 41 von 73 BU-Versicherern die Marktstandards von infinma. Anno 2023 sind es 42 von 72 BU-Versicherern. Auch bei den geprüften Tarifen hat sich wenig verändert. Erreichten 2022 noch 52,3 Prozent der Tarife die angesetzten Normen, sind es aktuell 55,6 Prozent der Tarife. Die Qualität der Bedingungen bleibe in der Breite relativ hoch. Unterschiede in den Produkten seien vor allem in den Detailregelungen zu einzelnen Kriterien zu finden. Dann ginge es beispielsweise darum, wie lange Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit erbracht werden oder für welche Personengruppen auf die Umorganisation des Arbeitsplatzes verzichtet wird.

„Schon bei der letzten Untersuchung der BU-Marktstandards hatten wir vom Konkurrenzdruck durch die Grundfähigkeitsversicherung gesprochen. Inzwischen scheint die BU in vielen Häusern in den Winterschlaf gegangen zu sein; aktuell erschöpfen sich die Anstrengungen der Versicherer vermeintlich auf immer neue Prämiensenkungen und das „Erfinden“ neuer Berufsbilder.“, kommentierte Schulz die aktuellen Ergebnisse.

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Diese Versicherer erfüllen die BU-Marktstandards

Die BU-Tarife wurden in diesem Jahr in insgesamt 18 Leistungspunkten überprüft. Zu den untersuchten Kriterien zählten unter anderem der Verzicht auf eine abstrakte Verweisung, sodass der Versicherer den Betroffenen nicht auf einen anderen Beruf verweisen kann, auch wenn hierbei Ausbildung und Beruf zumindest berücksichtigt werden. Oder eine vorübergehende Leistung bereits bei Arbeitsunfähigkeit, die in mehr als der Hälfte der Tarife nicht oder nur optional vorgesehen ist. Hier erhält der Versicherte bereits eine Zahlung nach sechs Monaten ununterbrochener Krankschreibung - auch wenn die aufwendige Prüfung der Berufsunfähigkeit noch nicht abgeschlossen ist.

Diese Marktstandards wurden für die aktuelle Studie berücksichtigt:

  • Prognose: Leistung, wenn mindestens 6 Monate Berufsunfähigkeit ärztlich prognostiziert
  • Leistung wird rückwirkend ausgezahlt, wenn späterer Leistungsbeginn
  • Verzicht auf abstrakte Verweisung
  • Verzicht auf Umorganisation bei Akademikern
  • Verzicht auf Umorganisation bei Kleinbetrieben
  • Kostenbegrenzung bei Umorganisation
  • Berufswechselprüfung: keine nachteilige Extra-Prüfung, wenn Versicherter vor Berufsunfähigkeit binnen einer bestimmten Frist Beruf gewechselt hatte.
  • Leistungsbeginn: Ab 1. des Monats nach Feststellung BU, keine nachteiligen Karenz- und Wartezeiten
  • Ausschluss Meldefristen: Beinhaltet ein Bedingungswerk eine Meldefrist (i.d.R. 3, 6, 12 oder 36 Monate), so beginnt die Leistungspflicht des Versicherers bei einer verspäteten Meldung erst mit dem Zeitpunkt der Meldung.
  • Erhöhungsoption ohne Anlass: Ermöglichen es dem Versicherten, ohne erneute Gesundheitsprüfung den Versicherungsschutz zu erhöhen.
  • Möglichkeit Beitragsstundung
  • Befristete Anerkenntnisse: Versicherer trifft laut Vertrag nach Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen möglichst zügig eine endgültige und rechtsverbindliche Entscheidung über die Leistungspflicht. Klauseln zur Befristung können sich hier nachteilig auswirken und Rechtsunsicherheit schaffen.
  • Meldepflicht Minderung BU: keine nachteiligen Klauseln, wenn sich Gesundheitszustand nach Anerkennung BU bessert.
  • Meldepflicht Aufnahme Tätigkeit
  • Nachprüfung BU: Versicherer sind grundsätzlich berechtigt, nach einer bestimmten Zeit (nach) zu prüfen, ob eine einmal eingetretene BU medizinisch weiter fortbesteht. Hierbei sollte auf nachteilige Klauseln verzichtet werden bzw. nur Verweis auf Beruf erlauben, welcher die vorherige Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung nicht unterschreitet.
  • Leistung bei Arbeitsunfähigkeit
  • Ausscheiden aus dem Beruf: Bei Ausscheiden aus dem Beruf wird unbegrenzt der zuletzt ausgeübte Beruf geprüft, keine abstrakte Prüfung.
  • Option auf selbständige Anschluss-Pflegerente: 67 Tarife beinhalten eine Pflege-Option ohne Gesundheitsprüfung, die zum Ende der Versicherungsdauer gezogen werden kann. So bietet sich Möglichkeit, nach dem BU-Risiko auch Pflegerisiko abzusichern. Marktstandard ist das noch nicht: 372 Tarife verzichten auf solch eine Option.

Ein weiterer Leistungspunkt bei dem auf der Bedingungsseite Luft nach oben wäre, ist die Meldepflicht bei Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit. „Nach wie vor ist es bspw. bei 3 von 4 Tarifen im Leistungsfall erforderlich, dass die versicherte Person von sich aus die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit anzeigen muss. Das ist durchaus nicht so trivial, wie es sich anhört.“, kritisiert Geschäftsführer-Kollege Marc Glissmann. „In mehr als der Hälfte aller Tarife ist auch immer noch ein befristetes Anerkenntnis vorgesehen. Das ist aus Kundensicht nicht zwingend vorteilhaft; vor allem dann nicht, wenn der Kunde im Anschluss an die Befristung einen komplett neuen Leistungsantrag stellen muss.“

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Folgende Unternehmen haben wenigstens einen Tarif der die infinma-Standards mindestens erfüllt oder übertroffen hat: Allianz, Alte Leipziger, Axa, Barmenia, Basler, BL die Bayerische, Canada Life, Condor, Continentale, Cosmos, Credit Life, DBV, Deutsche Ärzteversicherung, DEVK, DEVK Allgemeine, Dialog, Ergo, Europa, Gothaer, Hannoversche, HanseMerkur, HDI, Helvetia, Huk24, Huk-Coburg, IG BCE, Interrisk, Klinik Rente, LV1871, Metall Rente, Nürnberger Leben, Presseversorgungswerk, Provinzial Rheinland, Signal Iduna, Stuttgarter, Swiss Life, Universa, Volkswohl Bund, VPV, VRK, Württembergische und Zurich. Eine Übersicht über die zertifizierten Tarife findet sich auf der Webseite von infinma. Alle 244 Tarife aufzulisten, würde hier den Rahmen sprengen.

Hinweis in eigener Sache:

In Kooperation mit dem Leipziger Software-Hersteller Inveda.net GmbH bietet Versicherungsbote einen BU-Vergleich an. Er dient der schnellen Orientierung und soll Beratungsanlässe stiften.

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