Pflegebedürftigkeit ist ein Armutsrisiko: nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für deren Angehörige. Das bestätigt auch eine neue Analyse im Auftrag der Krankenkasse DAK Gesundheit, über die aktuell die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Demnach sind in diesem Jahr knapp ein Drittel (32,5 Prozent) aller Bewohnerinnen und Bewohner in einem Pflegeheim auf Sozialhilfe angewiesen - die sogenannte Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch (SGB XII).

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Doch damit nicht genug. Laut einer Modellrechnung des Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang dürfte der Anteil der Pflegebedürftigen im Heim, die Sozialhilfe erhalten, künftig weiter ansteigen: auf 34,2 Prozent im nächsten Jahr und auf 36,0 Prozent bis 2026. Ein Grund ist, dass die Eigenanteile, die im Heim gezahlt werden müssen, ebenfalls deutlich zulegen. Im Bundesschnitt müssen die Pflegebedürftigen im ersten Pflegeheim-Jahr 2.411 Euro aus eigener Tasche zahlen, wie Zahlen des Verbands der Ersatzkassen (vdek) zeigen (Stichtag: 1. Januar 2023). Im ersten Quartal 2018 lag der Eigenanteil noch bei 1.772 Euro. Das bedeutet ein Plus von 36 Prozent binnen fünf Jahren.

“Ziel muss es sein, dass weniger als 30 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind“, kommentiert DAK-Chef Andreas Storm die aktuellen Zahlen. Der Ökonom fordert zudem, dass die Pflege in den eigenen vier Wänden gestärkt werden müsse, damit weniger Menschen ins Heim kommen. Das Pflegegeld solle um mindestens zehn Prozent erhöht werden.

Sechsstellige Kosten für durchschnittlichen Pflegeheim-Aufenthalt

Das Problem: Die gesetzliche Pflegeversicherung ist nur eine Teilkasko und übernimmt nicht die ganzen Kosten. Bevor die Pflegebedürftigen Sozialhilfe erhalten, müssen sie aber einen Großteil ihres Vermögens aufbrauchen.

Um welche immense Summen es hier geht, zeigt eine Modellrechnung des Financial Planning Standards Board Deutschland (FPSB) aus dem Jahr 2019. Damals hatte der Verband noch mit einem geringeren Eigenbeitrag von durchschnittlich 1.830 Euro im Monat gerechnet und zusätzliche Ausgaben für Mobilität, Medikamente und soziales Leben hinzugezählt. In den sieben Jahren, die Bedürftige durchschnittlich im Heim bleiben, müssten so Kosten von 210.000 Euro aus eigener Tasche bezahlt werden, rechnet der Verband vor. Folglich sind auch Menschen mit vergleichsweise hoher Rente oder Sparvermögen nicht vor Armut geschützt.

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Zwar hat die frühere schwarz-rote Bundesregierung unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für 2022 noch eine Pflegereform in Kraft gesetzt, um Heimbewohner zu entlasten. Doch zeigt die Reform kaum Wirkung. Zum einen wird nur der reine Pflegeanteil anteilig bezuschusst, während die Heimbewohner zugleich auch hohe Beträge für Unterkunft, Verpflegung und notwendige Investitionen am Heim zahlen müssen. Zum anderen sind die Zuschüsse gerade in den ersten Jahren sehr niedrig. Selbst wer ab 36 Monaten Heimaufenthalt den höchstmöglichen Zuschuss von 70 Prozent erhält, muss im Bundesschnitt immer noch 1.671 Euro monatlich aus eigener Tasche zahlen, wie die DEVK-Zahlen zeigen.

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