Das Zeitalter der Negativzinsen geht zu Ende, beobachtete das Vergleichsportal Verivox im Sommer 2022 und riet Sparern, für jenen Teil der Ersparnisse, der langfristig angelegt werden kann, eine Geldanlage an der Börse in Erwägung zu ziehen.

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Ein Rat, dem sicher auch etliche deutsche Lebensversicherer gern folgen würden. Doch manche Anbieter sind weiterhin im „Niedrigzins gefangen“. So drückt es jedenfalls Versicherungsanalyst Carsten Zielke im Interview mit Capital aus.
Dieser Beobachtung liegt eine Eigenheit des deutschen LV-Marktes zugrunde, die bereits vor Einführung von Solvency II bekannt war: „Jede vierte deutsche Lebensversicherung ist heute als Rentenversicherung ausgestaltet, mit deutlich steigender Tendenz“, stellte die Unternehmensberatung ‚Bain & Company‘ 2011 fest und benannte auch die Folgen: „Diese langlaufenden, traditionellen Lebensversicherungen mit einer garantierten Verzinsung erfordern unter Solvency II eine hohe Kapitaldeckung.“

Zielke sieht jene Versicherer ‚im Niedrigzins gefangen‘, die besonders stark in niedrig verzinsten Anleihen investiert sind und nur über eine „geringe Sachwertquote verfügen“. Diese Versicherer, so Zielke, würden Gefahr laufen, dass sie bei hohen Storni stille Lasten realisieren müssten, um an Liquidität zu kommen.

Im Interview nennt Zielke auch Versicherer, die davon betroffen sind; etwa die Alte Leipziger, Deutsche Ärzteversicherung, Baloise und Delta Direkt. Das Problem dabei: Die Zielke-Untersuchung basiert nur auf einer Stichprobe von auskunftswilligen Versicherern. Aus Sicht von Zielke besteht ein Problem darin, dass sich die Daten der Versicherer in ihren Berichten zu Solvabilität und Finanzlage nicht auf eine einheitliche Grundlage beziehen: „Einige geben konsistent an, wie hoch die Veränderung der Solvenzquote ist, bezogen auf eine Zinsveränderung um plus oder minus 50 Basispunkte. Andere rechnen in 100 Basispunkten wie die Allianz Leben, die Deutsche Leben schlüsselt es für plus 100 aber minus 50 Basispunkte aus. Die Alte Leipziger geht sogar auf 200 Basispunkte. Und man kann nicht einfach die Veränderungen der Quote mal zwei nehmen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen“, beschreibt Zielke. Aus seiner Sicht könnte Vergleichbarkeit der Solvency II-Berichte hergestellt werden, wenn ein einheitliches Standardszenario festgelegt werden würde. „Das wird wohl auch in der Überarbeitung der Solvency II-Richtlinien kommen“, gibt der Analyst einen Ausblick.

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Bis die höheren Marktzinsen in den Verträgen der Kunden ankommen, wird es also dauern - bei manchen Versicherern eben länger als bei anderen. Das wird bei Versicherten, die sich teilweise mit massiven Kostensteigerungen konfrontiert sehen, die Stornolaune nach oben treiben. Das weiß auch Carsten Zielke. Sein Rat an die Versicherer lässt sich auch an Versicherungsvermittler adressieren: Gegenüber den Kunden müsse jetzt herausgestellt werden, dass ihr Geld sicher ist und sie (je nach Vertrag) mit zusätzlichen Absicherungsleistungen rechnen können. Zielke nennt Todesfallschutz, Absicherung des Langlebigkeitsrisikos oder eine nachhaltige Geldanlage mit ESG-Ausrichtung. „Dieses gute Gefühl kann dabei helfen, die aktuell negative Realverzinsung in Kauf zu nehmen“, meint Zielke.

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