Wer die Schlagzeilen zur Allianz im laufenden Jahr verfolgt hat, musste den Eindruck gewinnen, dass der Konzern in der Krise steckt. In den USA kostete ein Skandal um windige Structured-Alpha-Fonds Milliarden an Vergleichs- und Entschädigungszahlungen. Das Russland-Geschäft, wenn auch nur 400 Millionen Euro schwer, musste zum Teil infolge des Ukraine-Krieges abgeschrieben werden. Und schließlich sorgte Konzernchef Oliver Bäte noch mit einem Video-Mitschnitt für Schlagzeilen, in dem er vor Mitarbeitern die eigene IT beschimpft und sich fragt, ob die Digitalstrategie der letzten Jahre die falsche gewesen ist.

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Am Freitag nun hat die Allianz ihre Geschäftszahlen für das Jahr 2022 präsentiert: und für offene Münder gesorgt. Denn zumindest beim Blick auf die Zahlen ist von Krise wenig zu spüren. Auf 14,2 Milliarden Euro stieg der operative Gewinn, das bedeutet ein Plus von 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahres-Ergebnis. Damit wurden die Erwartungen von Analysten deutlich übertroffen. Allerdings lag der Nettogewinn mit 6,7 Milliarden Euro nur leicht über dem Vorjahres-Niveau. Dies liegt auch an den Lasten des Structured-Alpha-Skandals, der immer noch die Bilanz trübt.

Die Dividende für das Jahr 2022 soll auf 11,40 Euro je Aktie steigen. Das sind 60 Cent mehr als im letzten Jahr, als die Allianz noch 10,80 Euro je Aktie zahlte.

Überraschend stark in Kranken und Leben

Wesentlich zum Geschäftserfolg beigetragen haben die Kranken- und Lebensversicherung. Das operative Ergebnis konnte hier um fünf Prozent auf 5,3 Milliarden Euro gesteigert werden. Dabei hätten höhere Margen aus Kapitalanlagen im vierten Quartal sowie ein positives Altersvorsorge-Geschäft in den USA beigetragen. Ein weiterer Faktor: für umgerechnet 2,7 Milliarden Euro hatte die Allianz im Jahr zuvor das Geschäft des polnischen Versicherers Aviva übernommen: das größte Investment der Münchener in den letzten zehn Jahren. Auch die Nummer zwei auf dem polnischen Leben-Markt mit 633 Millionen Euro Prämienvolumen im Vorjahr habe positiv zu den Zahlen beigetragen.

Weniger gut lief das Fondsgeschäft. Hier hatte sich die Allianz in Teilen vom US-Geschäft der Tochter AGI getrennt, auch der Vermögensverwalter PIMCO entwickelte sich nicht optimal. Das für Dritte verwaltete Vermögen der Allianz schrumpfte um stattliche 331 Milliarden Euro auf -immer noch- umgerechnet 1,635 Billionen Euro.

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In der Schaden- und Unfallversicherung stieg das operative Ergebnis um 8,4 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro (Vorjahr: 5,7 Milliarden), getrieben durch ein signifikant höheres operatives Kapitalanlageergebnis und unterstützt durch das gute versicherungstechnische Ergebnis. Allerdings haben sich die Kosten zu Ungunsten der Allianz entwickelt. Die Schaden-Kosten-Quote lag bei 94,2 Prozent (93,8 Prozent), was in erster Linie auf die Auswirkungen höherer Basisschäden und auf die Inflation zurückzuführen sei. Zudem hätte sich das Schadengeschehen wieder normalisiert, nachdem die Lockdowns in Corona-Zeiten zu weniger Schadenereignissen beigetragen hatten.

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