Deutschland altert - und das hat Folgen, die sich auch auf die Demokratie auswirken könnten. In seinem aktuellen Buch „Die Altenrepublik - Wie der demographische Wandel die Zukunft gefährdet“ macht der Soziologe und Journalist Stefan Schulz darauf aufmerksam, dass sich die Zusammensetzung der Wählerinnen und Wähler in Deutschland deutlich zugunsten der älteren Generationen verschiebt. Auf das Buch macht die BILD-Zeitung am Dienstag aufmerksam: Erschienen ist es am 3. September bei Hoffmann und Campe.

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“Schon in 20 Jahren wird es in manchen Bundesländern mehr Menschen mit Pflegestufe geben als Wähler unter 30“, zitiert die BILD den 39jährigen Sozialforscher. Er macht darauf aufmerksam, dass bereits in den Jahren von 1990 bis 2019 das Durchschnittsalter der Deutschen deutlich angestiegen sei: von 38,3 Jahren auf 44,5 Jahre. Eine Entwicklung, die sich künftig verschärfen wird - und Arbeitsmarkt sowie Sozialsysteme unter Druck setzt. "Die Verschiebung der Alterspyramide bedroht unsere Innovationsfähigkeit, unseren Wohlstand und unsere Lebensfreude", schreibt Schulz.

Als Beispiel wird das Bundesland Sachsen genannt, wo bereits bei der letzten Bundestagswahl der Anteil der Wählerinnen und Wähler unter 30 Jahren bei 10 Prozent gelegen habe, der Anteil der Über-50-Jährigen jedoch bei mehr als 60 Prozent. Schulz beruft sich hierbei auf die Repräsentative Wahlstatistik des Statistischen Bundesamtes. Der Forscher macht auf die Folgen für den Arbeitsmarkt aufmerksam. Jedes Jahr gebe es eine halbe Million Menschen weniger, die täglich zur Arbeit fahren - folglich verschiebt sich auch das Verhältnis von Beitragszahlern und Ruheständlern zu Ungunsten ersterer.

Reformen angemahnt

Das Buch von Schulz reiht sich ein in eine Vielzahl von Beiträgen, in denen vor den Folgen der demographischen Entwicklung gewarnt wird: sowohl für den Arbeitsmarkt als auch die Sozialsysteme. Dazu gehört nicht zuletzt das Statistische Bundesamt selbst. 12,9 Millionen Erwerbspersonen werden voraussichtlich in den kommenden 15 Jahren in den Ruhestand wechseln, warnte die Behörde im August per Pressetext. Jüngere Jahrgänge werden diesen Schwund nicht ausgleichen können. So zeige sich, dass die älteren Altersgruppen durchgehend mehr Erwerbspersonen umfassen als die jüngeren.

Auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat jüngst ein Gutachten vorgelegt, in dem dringend Reformen angemahnt werden. „Simulationsrechnungen zeigen, dass im Jahre 2050 nahezu 60% des Bundeshaushalts für Überweisungen an die Rentenkassen aufgewendet werden müssen“, heißt es in dem Bericht. Das gefährde die Handlungsfähigkeit des Staates, weil dann Geld fehle, um notwendige Investitionen zu tätigen - und auf Krisen zu reagieren.

Der mit 32 namhaften Ökonominnen und Ökonomen besetzte Beirat mahnt unter anderem an, eine verpflichtende private Altersvorsorge für alle Beschäftigten einzuführen, um das Umlagesystem der gesetzlichen Rente zu entlasten. Zudem solle ein Kapitalstock eingeführt werden, der die Rente stützt - auch wenn sich dessen Wirkung erst sehr spät entfalte, weil die Gelder zunächst einmal in entsprechender Höhe angespart werden müssen. Das könne Jahrzehnte dauern.

Monatlich 800 Euro zusätzlich benötigt

Auch die aufgeführten Simulationsrechnungen von Stefan Schulz sind drastisch. Während die Generation der heute 50- bis 64jährigen noch 64,1 Prozent des letzten Bruttoeinkommens aus der gesetzlichen Rentenkasse erhalten, seien es bei den heute 20- bis 35jährigen nur noch 38,6 Prozent. Um das Niveau der heutigen Senioren-Generation zu halten, bräuchten die Jüngeren dann etwa 800 Euro im Monat zusätzlich.

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Eine Lösung für den drohenden Fachkräftemangel könnte darin bestehen, vermehrt Menschen mit qualifizierter Ausbildung oder Studium aus dem Ausland anzulocken. Hierzu hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Punktesystem angekündigt, über das Menschen einfacher zum Arbeiten nach Deutschland kommen können. Das soll eine sogenannte Chancenkarte ermöglichen. "Wir legen Jahr für Jahr, entsprechend unserem Bedarf, ein Kontingent fest, wie viele Menschen mit der Chancenkarte nach Deutschland kommen dürfen, um sich hier für eine bestimmte Zeit einen Job oder eine Ausbildung zu suchen. Für diese Zeit müssen sie ihren Lebensunterhalt selbst sichern können", sagte Heil der "Bild am Sonntag".

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