Energiekrise, Produktionsausfällen und Lieferschwierigkeiten in Folge der Covid-19-Krise und dem Krieg in der Ukraine, allgemeine geopolitische Verwerfungen, der rasante Anstieg von Inflation und Zinsen: Auch das dritte Quartal dieses Jahres setzt eine Zeit vielfältiger Unwägbarkeiten und Unsicherheiten am Markt fort. Investoren auf der ganzen Welt haben schmerzlich erfahren müssen, dass Erfolgsstrategien der vergangenen Jahre auf einmal nicht mehr funktionierten und dass auch unbesiegbar scheinende Performance-Raketen abstürzen konnten.

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Dyrk Vieten ist geschäftsführender Gesellschafter des unabhängigen Vermögensverwalters ficon aus Düsseldorfficon

Die Rede ist von Growth-Werten, vor allem aus dem Technologiesektor. Die steigenden Zinsen machen fremdfinanziertes Wachstum deutlich teurer und riskanter, die bei den noch immer hohen Bewertungen vieler Growth-Werte die Gefahr einer weiteren erheblichen Downside mit sich bringen. Investoren zahlen also gegebenenfalls zu viel für diese Werte. Aufgrund der steigenden Zinsen werden zukünftige Gewinne auch durch eine höhere Abzinsung geschmälert, und die höhere Minimumverzinsung macht künftiges Wachstum weniger wert. Das ist negativ für Growth-Werte mit Verlusten oder geringen Gewinnen in der Zukunft.

Ein Value-Comeback deutete sich bereits seit August 2020 an

Aber was ist jetzt für Investoren zu tun? So, wie Growth-Werte an Momentum verlieren, zeigen sich entsprechende Vorteile für Value- und Dividendenwerte. Value Investing ermöglicht bekanntlich den Erwerb Cashflow-starker Werte zu einem Zeitpunkt, wenn sie niedrig bewertet sind. Value-Investoren kaufen damit Aktien, die falsch bewertet sind, aus Überzeugung, dass der aktuelle Wert im Vergleich zum derzeitigen Preis signifikant höher liegt.

Ein Value-Comeback deutete sich bereits seit August 2020 an und festigte sich unter aktuellen inflationären Bedingungen. Der Value-Index erzielte seitdem eine Rendite von 25 Prozent, während der Growth-Index nur um vier Prozent anstieg.

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Im Fokus der Value-Renaissance steht, dass Aktienkurse langfristig durch Fundamentaldaten bestimmt werden. Der Kapitalmarkt agiert nur kurzfristig nach dem Prinzip: Es wird gekauft, was begehrt ist. Langfristig gilt die Regel, in das zu investieren, was heute das Beste ist, nicht in das, was das Beste war. Das reduziert auch die Fallhöhe bei Marktkorrekturen und nimmt den Druck aus den Wachstumserwartungen heraus.

Das aktuelle Marktumfeld bietet dem disziplinierten Value-Anleger große Chancen

Das bedeutet: Die Chancen für globale Value-Aktien waren selten so gut wie in diesem Jahr. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Performance-Unterschied zwischen günstig bewerteten Value-Aktien und den deutlich teureren Technologieaktien mit hohen Wachstumsraten weiter zusammengeschrumpft. Wir gehen davon aus, dass viele substanzstarke Titel durch die anstehende Konjunkturerholung weiterhin gewinnen werden. Die starke Inflation und die Zinswende geben dem Value-Stil zusätzlichen Rückenwind, während die historische Durchschnittsbewertung für Value-Aktien eine deutliche Outperformance erwarten lässt. Und trotz guter absoluter Performance ist das Value-Segment günstiger geworden, da das Gewinnwachstum der Unternehmen die Kurssteigerungen überkompensiert hat.

Nach nunmehr über einer Dekade Value-Underperformance scheint sich die Stimmung unter Anlegern also zu ändern. Das aktuelle Marktumfeld bietet dem disziplinierten Value-Anleger nach langer Dursttrecke gute Gründe, vorsichtig optimistisch zu sein. Langfristig lohnt sich ein Value-Anteil im Portfolio in so gut wie allen Szenarien für einen weitsichtigen Investor, auch vor dem Hintergrund, dass immer wieder besondere Situationen wie die Corona-Krise oder der Ukraine-Krieg auftreten werden. Beim Value Investing liegt der Fokus daher auf antizyklischem Verhalten. Anleger laufen dann nicht einem Trend permanent hinterher, weil sie wissen, dass eine überdurchschnittliche Performance langfristig wesentlich leichter zu erreichen ist, indem substanzstarke Aktien und Fondsanteile gekauft werden, wenn sie niedrig bewertet sind.

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Vor allem Value-Unternehmen zahlen kontinuierlich stabile Dividenden

Um die Stärke von Value zu demonstrieren, lohnt sich der Blick auf den MSCI World Value Index, der große und mittlere Werte aus 23 entwickelten Märkten, die dem Value-Ansatz entsprechen, erfasst. Er hat in den vergangenen zehn Jahren knapp 8,79 Prozent zugelegt und liegt seit der ersten Erfassung 1974 in der Performance vor dem MSCI World (11,31 zu 10,78 Prozent). In dem Value-Index stehen das Kurs-Buch-Verhältnis, das Kurs-Gewinn-Verhältnis und die Dividendenrendite im Fokus.

Apropos Dividenden: Die Wachstumsperspektiven gut ausgewählter Dividendentitel sind überproportional stark, sodass bestimmte Dividendenkonzepte sehr rasch die Fünf-Prozent-Marke in der Dividendenrendite nehmen können. Und in der Regel sind es eben Value-Unternehmen, die stabile Dividende über die Jahre hinweg zahlen. Dazu kommt, dass Dividendenaktien auch von möglichen Kursgewinnen profitieren können. So schnitten Dividendenaktien in den vergangenen Jahren in schwachen Konjunkturphasen deutlich besser ab als der gesamte Aktienmarkt, da sich Dividenden in der Regel stetiger als die Unternehmensgewinne entwickeln. Es ist historisch belegt, dass die Dividende mehr als 50 Prozent an der Aktienperformance ausmacht. Eine Berechnung beispielsweise zeigt, dass US-Aktien (Performance-Index) inflationsbereinigt zwischen 1926 und 2020 eine jährliche Rendite von 7,2 Prozent erbracht haben.

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