Versicherungsbote: Nach einem pandemiebedingten Einbruch in 2020 erlebte der globale M&A-Markt 2021 ein Rekordjahr. Was waren die wichtigsten Treiber und wie sieht es im Jahr 2022 aus?

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Philip Frerks ist Direktor des Bereichs M&A and Transaction Solutions bei Aon Deutschland.Philip Frerks: Eine hohe Liquidität im Markt und niedrige Zinsen sind ideale Bedingungen für Unternehmen, um Akquisitionen zu finanzieren. In 2020 überlagerte jedoch der weltweite Kampf gegen die Ausweitung der Pandemie viele Aktivitäten von Marktteilnehmern, die ihre Vorhaben deshalb zurück- oder ganz einstellten. Im vergangenen Jahr nahm die Unsicherheit an den Märkten spürbar ab. Angesichts unverändert positiver Rahmenbedingungen erlebten wir massive Nachholeffekte, die das globale Gesamtvolumen von knapp drei auf über fünf Billionen Euro getrieben haben. Im ersten Halbjahr 2022 hält sich der M&A-Markt, trotz aller globalen Widrigkeiten, noch wacker, wenn auch lange nicht mehr auf dem Niveau von 2021. Insgesamt lässt sich aber erkennen, dass Investoren selektiver geworden sind und auf Käuferseite oftmals zurückhaltender, wenn es um die Zahlung hoher Multiples geht.

Welche Trends beobachten Sie aktuell mit Blick auf Unternehmen, die im Bereich Biowissenschaften tätig sind?

Durch die Pandemie hat der Bereich Life Sciences an Bedeutung gewonnen und dürfte im Fokus bleiben. Insbesondere auch Private Equity-Investoren interessieren sich zunehmend für den Bereich, sogar im Venture Capital/Early Stage, trotz des regelmäßig zu erwartenden dekadelangen Wartens auf Umsätze. EQT, Carlyle und Abingworth haben alle zuletzt in Early Stage-Unternehmen im Bereich Biowissenschaften investiert. Das ist auch Ausdruck der gestiegenen Selektivität, denn während einige Unternehmen im Rahmen der Pandemie zwar stark profitiert haben, sind Profite in der Breite zurückgegangen, was für zunehmende Dynamik auch im M&A-Bereich gesorgt hat. Übergreifend gilt dies ebenso für Trends wie die ganzheitliche Patientenversorgung, Telemedizin und die digitale Transformation insgesamt. Zudem verfestigt sich der Eindruck, dass Unternehmen M&A-Aktivitäten dazu nutzen, um ihre Lieferketten neu auszurichten. Ebenso stellen sie ihre Portfolios auf den Prüfstand und trennen sich von Bereichen, die nicht mehr zur Geschäftsstrategie passen oder erwerben solche, mit denen sie identifizierte Defizite ausgleichen können. Aber natürlich ist die Unsicherheit durch die global gestiegene Inflation und den Ukraine-Krieg groß, außerdem bestehen u.a. in den USA und der EU Rezessionssorgen und Lieferengpässe bleiben vielfach ungelöst. Diesen Entwicklungen kann sich kein Marktteilnehmer wirklich entziehen. Aber Aon kann Käufern und Verkäufern durch maßgeschneiderte Due Diligence und Versicherungslösungen Brücken bauen, sodass beide Seiten dem Deal am Ende leichter zustimmen können.

Wie sehen diese Brücken aus?

Getragen von einem anhaltend liquiden Verkäufermarkt haben sich Warranty & Indemnity-Versicherungen (W&I) in den letzten Jahren immer stärker im Markt durchgesetzt. Verkäufer konnten sich vielfach die Käufer aussuchen. Entsprechend begrenzt war ihre Bereitschaft, Garantien abzugeben, selbst wenn sie für die Käuferseite unerlässlich waren. Hier sorgen W&I-Versicherungen für eine Brückenfunktion, indem sie Schäden zum Beispiel aus der Verletzung von Garantieversprechen bei einer Akquisition abdecken, sofern die zugrundeliegenden Ursachen nicht bekannt waren. Denn die damit einhergehenden Risiken übernimmt dann der Versicherer. Auch für den Käufer ist diese Lösung häufig präferiert, schon weil sie im Haftungsfall einen Schuldner guter/exzellenter Bonität haben oder weil sie sich, bei fortbestehender Beziehung zum Verkäufer, nicht in einen Disput begeben müssen.

Gibt es Risiken, die in letzter Zeit stark an Relevanz gewonnen haben?

In der Tat handelt es sich hierbei insbesondere um Cyber-Risiken. Wie auch aus der Tagespresse zu entnehmen, nehmen Cyberattacken und die dadurch verursachten Schäden in der deutschen Unternehmenslandschaft stark zu. Auch hier – ebenso wie beispielsweise dem Bereich Intellectual Property, also dem Schutz des geistigen Eigentums und Produkthaftung – bietet sich eine spezielle Due Diligence an.

Können Sie das anhand eines Beispiels konkretisieren?

Bei dem Prüfverfahren wird die betriebliche IT des Kaufobjekts analysiert und werden bestehende Cyber-Risiken identifiziert und geeignete Maßnahmen zur Gefahrenminimierung eingeleitet. Im Ergebnis erhält der Verkäufer einen aktuellen Cyber-Schutz, der ihn durchaus auch in die Lage versetzen kann, einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Für die jeweilige Due Diligence greifen wir auf die Expertise von eigenen Fachleuten zurück, die sich nicht nur von Deutschland aus ausschließlich um diese Themenfelder kümmern.

Wie binden Sie diese Anforderungen in den Transaktionsprozess ein?

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Oftmals werden gerade in den zuvor genannten Bereichen Garantien im Kaufvertrag angestrebt, obwohl noch gar keine entsprechende Risikobeurteilung stattgefunden hat. Deshalb beraten wir Käufer und Verkäufer mit einem ganzheitlichen Fokus und integrieren je nach Bedarf spezielle Due Diligence rechtzeitig in den laufenden M&A-Prozess. So gelingt es, die geforderten Garantien durch W&I und ggf. spezielle Versicherungslösungen abzusichern. Denn angesichts langjähriger Erfahrungen sind die Anforderungen der Versicherungswirtschaft bekannt und es herrscht umfangreiches Wissen darüber, welche Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, damit Stolpersteine wie Garantieanforderungen nicht den gesamten M&A-Prozess gefährden können.

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