Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat jüngst seinen Armutsbericht 2022 vorgelegt, wofür der Sozialverband Daten des Mikrozensus ausgewertet hat: Quelle ist folglich eine Haushaltsbefragung des Statistischen Bundesamts. Und die Botschaft des Paritätischen ist keine positive. „Die Armut hat im Jahre Zwei der Pandemie erneut eine traurige Rekordmarke erklommen. Mit 16,6 Prozent mussten 2021 13,8 Millionen Menschen in Deutschland zu den Einkommensarmen gerechnet werden. Noch nie wurde auf der Datenbasis des Mikrozensus eine höhere Armutsquote für das Bundesgebiet gemessen“, heißt es gleich zur Einleitung des Berichts.

Anzeige

Bereits seit dem Jahr 2006 gebe es einen deutlichen Aufwärtstrend bei den Armutsquoten, berichtet der Verband weiter. Damals lag die Armutsquote noch bei 14,4 Prozent. Der Trend sei auch deshalb besorgniserregend, weil zeitgleich deutlich mehr Menschen in Arbeit gekommen sind. Die Arbeitslosenquote sank von 10,8 Prozent auf 5,7 Prozent. Mit anderen Worten: auch eine Erwerbsarbeit schützt vor Armut nicht.

Zu bedenken ist hierbei, dass es sich um relative Einkommensarmut handelt. Er grenzt sich vom sogenannten absoluten Armutsbegriff ab, der Armut in existentiellen Notlagen wie Obdachlosigkeit oder Nahrungsmangel verortet. Laut EU-Kommission zählt jede Person als einkommensarm, die mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen. Die Armutsschwelle für einen Single-Haushalt lag 2021 für einen Single-Haushalt bei einem Einkommen von 1.148 Euro.

Alleinerziehende und Mehrkinder-Haushalte haben großes Armutsrisiko

Beim Blick auf die Details fällt auf, dass Alleinerziehende überproportional von Armut betroffen sind. Bei ihnen betrug die Armutsquote 41,6 Prozent, was bedeutet, dass mehr als vier von zehn Alleinerziehenden als arm gelten. Bei keinem anderen Haushaltstyp gibt es ein annähernd ähnlich hohes Armutsrisiko. Dabei ist hier die Armutsschwelle nicht viel höher angesetzt als bei Single-Haushalten, obwohl ein zusätzliches Kind finanziert werden muss. Als Arm gelten zum Beispiel Erwachsene mit einem Kind bis 14 Jahren, wenn sie weniger als 1.492 Euro zur Verfügung haben.

Ebenfalls hoch ist die Armutsquote bei Familien mit zwei Erwachsenen, die drei oder mehr Kinder großziehen. Hier war 2021 knapp jeder dritte Haushalt von Armut betroffen (30,9 Prozent). Als Orientierung: Ein Paar mit zwei Kindern bis 14 Jahren gilt als arm mit weniger als 2.410 Euro Haushaltseinkommen im Monat. Aber auch Einpersonenhaushalte ohne Kinder haben ein überproportional hohes Armutsrisiko mit einer Armutsquote von 28,1 Prozent.

Selbstständige mit vergleichsweise hoher Armutsquote

Beim Blick auf die Armut nach Erwerbsstatus fällt auf, dass Erwerbslose auf Jobsuche nach wie vor das höchste Armutsrisiko haben. Hier betrug die Armutsquote 48,8 Prozent: Fast jeder Zweite war folglich von einem niedrigen Einkommen betroffen. Gegenüber 2019 ist die Quote in dieser Gruppe sogar gesunken: damals betrug sie 57,9 Prozent. Allerdings gilt es hier zu bedenken, dass große Bevölkerungsgruppen in der Corona-Pandemie Einkommensverluste hatten. Verschlechtert sich ingesamt das Einkommen, können Menschen aus der Armut rutschen, ohne dass sich ihre Einkommenssituation verbessert - eine Folge davon, dass es sich bei der Armutsquote um eine Größe handelt, die das Verhältnis zu den mittleren Einkommen spiegelt. Die Armutsquote aller Erwerbstätigen (Arbeitnehmer und Selbstständige) lag 2021 hingegen bei 8,8 Prozent.

Eine relativ hohe Armutsquote zeigt sich auch bei einer Gruppe, wo man das eher nicht vermutet. Selbstständige und Unternehmer waren 2021 mit 13,1 Prozent überproportional stark betroffen. Gegenüber 2019, als 9,0 Prozent unter Armut litten, stieg der Wert sogar deutlich an. Ein Grund sei, dass viele Selbstständige zu den Verlierern der Corona-Krise zählen. Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung klagten im Sommer 2021 37 Prozent aller befragten Selbständigen und sogar 44 Prozent aller Soloselbständigen (Selbstständige ohne eigene Angestellte) über Einkommensverluste während der Coronazeit.

Deutlich überdurchschnittlich von Armut betroffen sind auch Kinder und Jugendliche. Hier ist mittlerweile jede(r) Fünfte betroffen. "Mit 20,8 Prozent steigt ihre Armutsquote auf einen noch nie gemessenen traurigen Rekordwert", heißt es im Bericht.

Anzeige

Armutsquote in Prozent nach soziodemografischen Merkmalen 2019, 2020 und 2021* (Bundesmedian):

Der Paritätische Gesamtverband, Armutsbericht 2022

Anzeige