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Greifen deutsche Banken ausgerechnet ärmeren Kundinnen und Kunden tief in die Tasche? Diesen Verdacht nährt zumindest ein europaweiter Vergleich des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). Seit 2014 sieht eine EU-Richtlinie vor, dass auch Menschen mit Zahlungsproblemen und schlechter Bonität ein Bankkonto mit grundlegenden Funktionen erhalten können: die sogenannte Zahlungskontenrichtlinie. Auch in Deutschland hatten hunderttausende Menschen kein Bankkonto, weil die Finanzinstitute sich querstellten. Schon das Zahlen der Miete kann dann zum Problem werden. Überweisungen, Ein- und Auszahlungen sowie Kartenzahlungen waren für die Betroffenen nicht möglich.

Seit 2016 müssen auch deutsche Banken ein solches Basiskonto anbieten und dürfen Verbraucherinnen und Verbraucher, die ein Konto eröffnen wollen, nicht einfach ablehnen. Dieses Konto, oft mit eingeschränkten Funktionen, muss zu erschwinglichen Konditionen angeboten werden. Doch das lassen sich zumindest einige Banken gut bezahlen. Denn abweichend von der Richtlinie hat Deutschland marktübliche Entgelte und das Nutzerverhalten als Kriterien für angemessene Kosten festgelegt. Die Banken dürfen in Deutschland schlicht mehr verlangen als in anderen europäischen Staaten: Eine Folge davon, dass die Vorgabe „angemessener“ Entgelte recht weich formuliert ist und Spielraum lässt.

Deutsche Basiskonten tendenziell am teuersten

Ein europaweiter Entgeltvergleich des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) zeigt jetzt, dass die teuersten Basiskonten im europäischen Vergleich tatsächlich in Deutschland zu finden sind. Bis zu 27,83 Euro im Monat werden bei der teuersten Bank an Kontoführungsgebühren fällig.

Besonders tief müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Tasche greifen, wenn sie ein Filialkonto wünschen. In einem Test deutscher Banken, der allerdings den Stand von November 2022 widerspiegelt, verlangten 23 Bankinstitute für den Musterkunden mehr als 200 Euro im Jahr. Darunter sind auch viele Konten von Sparkassen und öffentlichen Banken - die eigentlich einen öffentlichen Auftrag haben. Sie sind zum Teil deutlich teurer als private Institute.

„Die Kosten für ein Basiskonto steigen seit Jahren an und sind in Deutschland im europäischen Vergleich mit Abstand am höchsten“, sagt Ramona Pop, Vorständin beim vzbv. „Das stellt ein reales Problem für den Zugang vieler Verbraucher:innen zum digitalen Zahlungsverkehr dar. Die Teilnahme am modernen gesellschaftlichen Leben ist ohne ein Konto nicht vorstellbar.“

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Der europäische Entgeltvergleich des vzbv zeigt, dass die teuersten Basiskonten in Deutschland (bis zu 27,83 Euro/Monat), Dänemark (bis zu 13,00 Euro) und Finnland (bis zu 10,00 Euro) angeboten werden. In Deutschland ist das teuerste Konto hierbei doppelt so teuer wie im zweitplatzierten Land Dänemark.
  • In Frankreich, Irland und Polen war das Basiskonto zum Zeitpunkt der Untersuchung kostenlos. In fünf weiteren Ländern (Italien, Rumänien, Slowakei, Spanien, Zypern) wird es schutzbedürftigen Gruppen kostenfrei zur Verfügung gestellt.
  • In Kroatien, Litauen, Österreich und Slowenien ist das Basiskonto für schutzbedürftige Gruppen zwar nicht kostenfrei, aber mit einer Preisobergrenze versehen. Sieben Länder haben das Konto generell mit einem Preisdeckel versehen, der limitiert, wie viel Geld die Banken maximal als Gebühr verlangen können (Bulgarien, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei).
  • Fünf Länder haben sich dafür entschieden, den Höchstpreis für das Basiskonto an einen Referenzindex zu koppeln (Belgien, Kroatien, Österreich, Portugal, Ungarn).
  • In sieben Ländern gibt es keine spezifische Preisregel, sondern lediglich die Vorgabe, einen „angemessenen“ Preis zu nehmen (Dänemark, Estland, Finnland, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Deutschland).

vzbv fordert Eingreifen der BaFin

Einschränkend zu den Ergebnissen des vzbv muss gesagt werden, dass nicht alle Banken derart hohe Gebühren verlangen, wie ein Basiskonto-Vergleich auf der Internetseite biallo.de zeigt. Die Deutsche Bank verlangt beispielsweise 6,90 Euro Kontoführungsgebühr pro Monat, Online-Überweisungen und Zahlungen mit der Bankkarte sind laut dem Portal kostenfrei. Direktbanken sind zum Teil noch günstiger. So berechnet die comdirect Bank laut Biallo eine Gebühr von 1,90 Euro im Monat. Allerdings fallen für jede beleghafte Überweisung weitere 1,90 Euro an, was sich schnell summieren kann. Außerdem verfügen Direktbanken oft nicht über ein Filialnetz mit persönlichen Ansprechpartnern.

Als tückisch kann sich laut test.de auch erweisen, dass manche Banken zwar keine hohen Kontoführungsgebühren verlangen, sich aber jeden einzelnen Service teuer bezahlen lassen. Für den Einsatz der Bankkarte, für beleghafte Überweisungen, für Daueraufträge oder sogar für einzelne Zahlungen werden dann zusätzliche Gebühren fällig.

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Zwar hat der vzbv bereits mehrfach gegen hohe Entgelte bei Basiskonten geklagt und dabei auch Erfolge erzielt. Der Bundesgerichtshof hat am 30. Juni 2020 gegen die Deutsche Bank geurteilt: Ein monatlicher Grundpreis von 8,99 Euro sowie 1,50 Euro für jede beleghafte Überweisung im Rahmen eines Basiskontos sind zu hoch und damit unwirksam (Az. XI ZR 119/19). „Was unter angemessenen Entgelten für Basiskonten zu verstehen ist, konnte bisher kein Gericht abschließend klären“, sagt Pop. Sie fordert: „Die Höhe der Entgelte für Basiskonten muss daher wirksam begrenzt werden“.

Der Gesetzgeber solle nun die Bankenaufsicht BaFin damit beauftragen, eine maximale Höhe für Basiskonto-Entgelte festzulegen, fordert der vzbv. Neben der monatlichen Grundgebühr müssten dabei auch die Preise für gesetzlich vorgeschriebene Kontodienstleistungen begrenzt werden.

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Hintergrund: Um die deutsche Umsetzung von „angemessenen“ Entgelten mit der Umsetzung in anderen europäischen Ländern vergleichen zu können, hat die Marktbeobachtung des vzbv am 24. und 25. Februar 2023 die Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsländer (außer Deutschland) kontaktiert. Von den 26 angefragten Behörden beantworteten zwei die Anfrage nicht (Belgien, Malta). Drei Behörden erklärten sich für nicht zuständig, und von 21 Behörden ging eine inhaltliche Antwort ein. Stand für Deutschland ist die Erhebung der Stiftung Warentest (November 2022).

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