Wie lange sich Gerichtsurteile in Deutschland hinziehen können, zeigt ein aktueller Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Hamburg und der Commerzbank. In Zeiten niedriger Zinsen sind viele Banken dazu übergegangen, Verwahrentgelte für Girokonten und auch Sparverträge zu erheben. Paradoxerweise mussten die Kundinnen und Kunden also dafür bezahlen, dass sie der Bank ihr Geld anvertrauten. Die Banken selbst mussten damals Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parkten: Diese Kosten gaben sie an ihre Kundinnen und Kunden weiter.

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Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) hatte die Commerzbank im Jahr 2021 wegen eines solchen Verwahrentgeltes verklagt. Nachdem das Landgericht Frankfurt ziemlich genau ein Jahr später ein erstinstanzliches Urteil fällte und die Negativzinsen untersagte, steht nun, rund zwei Jahre später, ein erstes Urteil der Berufungsinstanz an: des Oberlandesgerichts Frankfurt. Und das, obwohl „Strafzinsen“, wie sie umgangssprachlich genannt werden, von fast allen Banken nicht mehr erhoben werden.

Im Zuge des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Inflation hatte die EZB den Leitzins mehrfach angehoben, inzwischen liegt er bei 4,50 Prozent. Die Banken müssen selbst wieder ordentlich zahlen, wenn sie sich Geld leihen wollen. Es wäre schlicht widersinnig, die eigene „Kundschaft“ weiter dafür zu bestrafen, dass sie ihr Geld der Bank anvertraut. Mit dem erwarteten Urteil ist noch lange nicht Schluss, eine weitere Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) wahrscheinlich.

Es geht um Grundsätzliches: Welche Bedingungen müssen Sparverträge erfüllen?

Mit dem Auslaufen der Strafzinsen könnte man nun meinen, dass der Rechtsstreit ohnehin keine Relevanz mehr habe. Doch es geht um Grundsätzliches: Nämlich um die Frage, welche Bedingungen ein Sparvertrag erfüllen muss - und auch, ob sich die Bedingungen hierbei von Girokonten unterscheiden. Und damit auch um die Frage, was den Banken künftig erlaubt sein wird - und was nicht.

Konkret hatte die Verbraucherzentrale gegen Bestimmungen im Preis- und Leistungsverzeichnis der Commerzbank geklagt. Diese sahen ein Entgelt von 0,5 Prozent auf Einlagen in Sparkonten vor, wobei ein Freibetrag von 50.000 Euro vorgesehen war. Neukunden hatten das Entgelt oberhalb eines Freibetrages von 50.000 Euro zu zahlen. Die Bedingungen hierfür hatte das Bankhaus teils einfach per Aushang bekanntgegeben. Auch bei der Commerzbank sind Strafzinsen Geschichte: Seit dem Juli 2022 erhebt sie derartige Entgelte nicht mehr.

Das Landgericht Frankfurt hatte der Verbraucherzentrale am 18.11.2022 Recht gegeben: Und der Commerzbank die weitere Verwendung der umstrittenen Klauseln untersagt. Die Urteilsbegründung ist komplex und stellte auf mehrere Teilaspekte der fraglichen Klauseln ab. Fakt aber ist: Die Klauseln wurden für unwirksam erklärt, weil sie nach Auffassung des Gerichts „die Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“.

Hierbei hob die 25. Zivilkammer des Landgerichtes auch auf die Funktion von Sparverträgen ab. So sei es charakteristisch für den gesetzlichen Typus der Spareinlage, dass ein Kunde sein Geld der Bank anvertraue, um durch Zinsen eine Rendite zu erzielen. „Die Verwahrung des Geldes ist logische Folge des Ansinnens der Bank, mit dem Geld zu arbeiten“, so die Kammer. „Von einer Gebühr für die Verwahrung geht das Gesetz aber nicht aus.“ Negative Zinsen würden folglich dem gesetzlichen Leitbild einer Spareinlage widersprechen und seien systemfremd: Stark vereinfacht soll der Kunde nicht noch dafür zahlen müssen, dass er der Bank sein Geld anvertraut, damit sie mit dem Geld arbeiten kann. Die Klauseln wurden als unzulässige Preisnebenabreden gewertet, die dazu dienen würden, Nebenkosten ohne echte Gegenleistung auf den Kunden abzuwälzen.

"Wir erwarten kein verbraucherfreundliches Urteil"

Doch genau diesen Grundsatz will das Oberlandesgericht Frankfurt nun offenbar kippen - und im Sinne der Commerzbank entscheiden. „Nach dem heutigen Berufungstermin erwartet die Verbraucherzentrale Hamburg kein verbraucherfreundliches Urteil des Oberlandesgerichts“, schrieb die Verbraucherzentrale am Donnerstag vergangener Woche auf ihrer Webseite. „Das Gericht hat uns zu verstehen gegeben, dass es Sparverträge mit Girokonten gleichsetzt. Ein schlechtes Zeichen für Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Girokonten verwahren Geld von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dies sei auch bei Spareinlagen so. Laut OLG sei auch bei Sparverträgen das Verwahren von Geld zu bepreisen.“ Ein Urteil sei für den 5. Oktober angekündigt.

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Auch wenn dies die Verbraucherzentrale nicht explizit anspricht, wären damit zukünftig neben Verwahrentgelten auch andere kreative Modelle denkbar, um den Kunden entgegen der ursprünglichen Absicht eines Sparvertrages zur Kasse zu bitten. „Sofern das OLG eine Revision zulässt, werden wir weitere Schritte prüfen“, kündigt Klug an. „Wir halten die Vereinbarungen der Commerzbank zu Verwahrentgelten weiterhin für intransparent und unvereinbar mit dem Charakter von Sparverträgen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass Kundinnen und Kunden nicht nur keine Zinsen erhalten, sondern auch noch ein Entgelt für ihr Guthaben an die Bank zahlen sollen.“ Mit dem Verfahren gegen die Commerzbank AG wollen die Hamburger grundsätzlich juristisch klären lassen, ob Entgelte für Guthaben auf Sparbüchern oder Sparkonten zulässig sind.

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