Im September 2020 fällte das Oberlandesgericht Köln (OLG) ein Urteil, das vielen privat Krankenversicherten Hoffnung machte, Geld aus Beitragsanpassungen zurückzuerhalten. Zwei Vertragsklauseln der DKV, auf deren Grundlage die Prämien mehrfach erhöht wurden, wurden für unwirksam erklärt. Darüber hinaus habe der Versicherer nicht ausreichend seine Prämienanpassungen gegenüber Kundinnen und Kunden begründet. Immerhin 9.500 Euro sollte Deutschlands zeitgrößter privater Krankenversicherer an seinen Kunden zurückerstatten: der Versicherer habe zu Unrecht seine Prämien raufgesetzt (Urteil vom 22.09.2020, 9 U 237/19).

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Revision der DKV teilweise erfolgreich

Die DKV wollte das Urteil der Rheinländer jedoch nicht auf sich sitzen lassen und ist in Revision gegangen. Mit Erfolg, denn der Bundesgerichtshof hat den Spruch der Vorinstanz teilweise korrigiert. Relevant ist das auch für andere Privatversicherer, beziehen sich die Urteile doch auch auf die PKV-Musterbedingungen. Sie dürften folglich in der Branche weit verbreitet sein. Auf das Urteil machte zuerst procontra Online aufmerksam.

Zum Hintergrund: Private Krankenversicherer dürfen ihren Beitrag stark vereinfacht nur anpassen, wenn die Kosten oder die Sterbewahrscheinlichkeit im jeweiligen Tarif dauerhaft um zehn Prozent von der ursprünglichen Kalkulation abweichen. Ein unabhängiger Treuhänder muss das Vorliegen der Notwendigkeit bestätigen. Auch muss die Anpassung gegenüber Kundinnen und Kunden begründet werden. Hierbei spricht man von sogenannten Auslösenden Faktoren.

Bestätigt wurde nun, dass Paragraph 8 Absatz 2 der Musterbedingungen eine unwirksame Klausel darstelle. Denn diese suggeriere durch eine missverständliche Formulierung den Eindruck, dass private Krankenversicherer ihren Beitrag auch anheben dürfen, wenn die Kosten nur vorübergehend und nicht dauerhaft ansteigen. Konkret lautet die Klausel:

„Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.“

Die Formulierung „von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden…“ suggeriert hier, dass auch bei einer nur vorübergehenden Änderung der Kosten es dem Versicherer erlaubt ist, den PKV-Beitrag im jeweiligen Tarif anzuheben - es quasi die freiwillige Entscheidung des Versicherers ist, dies nicht zu tun. Aber Beitragsanpassungen bei nur einem vorübergehenden Anstieg der Kosten sind den Versicherern schlicht verboten. Folglich ist diese Klausel unwirksam, da sie zum Nachteil des Kunden von § 203 des Versicherungsvertragsgesetzes abweicht: jenem Paragraphen also, in dem die Bedingungen für Prämien- und Bedingungsanpassungen festgeschrieben sind.

Zweite Klausel rechtens

Die Unwirksamkeit von Absatz 2 habe aber nicht zur Folge, dass auch Paragraph 8 Absatz 1 der PKV-Musterbedingungen unwirksam sei und darauf beruhende Beitragsanpassungen keine Gültigkeit hätten, hebt der Bundesgerichtshof hervor. Und hierin wird das Urteil des OLG Köln korrigiert: zum Vorteil des Versicherers. Denn dieser Paragraph erlaubt es den Anbietern vertraglich festzuschreiben, dass auch bei einer fünfprozentigen Abweichen von Kosten und Sterbezahlen der Beitrag raufgesetzt werden darf.

Dieser Paragraph weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab, hebt der BGH explizit hervor. „Die Klausel enthält dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt eine Prämienanpassung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist“, schreibt das Gericht. Mit der Regelung mache der Versicherer in Verbindung mit den Tarifbedingungen allein davon Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von zehn Prozent auf fünf Prozent abzusenken. Diese Möglichkeit wird in § 155 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) eingeräumt.

Diese Klausel dürfen die Versicherer folglich weiterhin anwenden und damit auch Prämienanpassungen bei einer fünfprozentigen dauerhaften Abweichung von Kosten und Sterbewahrscheinlichkeit rechtfertigen: sofern die steigenden Prämien gegenüber den Kundinnen und Kunden ausreichend begründet werden. Hier reicht es jedoch aus, zu nennen, welche der auslösenden Faktoren sich geändert hat. Einblick in die Tarifkalkulation des Versicherers erhalten die Betroffenen nach wie vor nicht. Zur Klärung offener Fragen wurde der verhandelte Fall an das Oberlandesgericht Köln zurückgegeben.

Konkret lautet die Klausel, auf die sich Krankenversicherer nun weiterhin beziehen dürfen: "Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.

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