Zunächst einmal ist festzuhalten, dass sich die Branche und auch die Union nichts vorzuwerfen haben. In einer einmaligen konzertierten Aktion haben sich die Verbände der Lebensversicherer, der Fondsgesellschaften und der Bausparkassen auf ein gemeinsames 5-Punkte-Reformpaket verständigt. Das ist außergewöhnlich, denn die Branchen schenken sich normalerweise nichts. Der Reformwille war also da. Wir Vermittlerverbände haben die Vorschläge zu 100% mitgetragen. Und die zuständigen Politiker der Union haben alles versucht, darauf aufbauend Bewegung in die Sache zu bringen.
Inzwischen ist bekannt, warum Riester nicht reformiert wurde. Das lag an einer Grundüberzeugung der SPD, die man teilen kann oder nicht. Danach soll es staatliche Förderung für die private Altersversorgung nur geben, wenn das Leistungsprinzip dem der gesetzlichen Rente folgt. Und das ist nun einmal die lebenslange garantierte Rente. Dies ist der Grund, warum die SPD die Bruttobeitragsgarantie nicht verändern wollte und will. Außerdem vernehmen wir in der SPD eine gewisse Aversion gegenüber den Finanzmärkten, wenn es um das Thema Altersvorsorge geht. Dies erklärt wohl auch, warum in den letzten acht Jahren die gesetzliche Rente immer weiter ausgebaut wurde, währenddessen für die private Altersvorsorge nahezu nichts getan wurde.
Wir sehen dies etwas differenzierter: Wir teilen die Auffassung, dass sich die Bürger im Alter auf ein festes Renten-Basiseinkommen verlassen können müssen. Das bietet die gesetzliche Rente. Wenn es aber darum geht, freiwillig mehr zu tun und der Staat dazu einen kleinen Teil beiträgt, muss doch der Bürger die Mitspracherechte dazu bekommen, wie sein Geld angelegt wird. Alles andere wäre Bevormundung.

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Ein Kritikpunkt, der Riester-Produkten vorgehalten wird, betrifft die Vertriebskosten. Dieser Kostenfaktor fällt bei sogenannten Netto-Tarifen weg. Klingt doch nach einer kundenorientierten Lösung. Was genau stört Sie daran?

In meinem inzwischen über 35-jährigen Berufsleben in der Versicherungs- und Finanzwirtschaft gab es immer wieder einzelne Anbieter, die um jeden Preis auf Neugeschäft aus waren. Das hat am Ende meistens dem Ansehen der Branche insgesamt geschadet. Genauso verläuft es nach unserer Einschätzung auch jetzt wieder. Riester-Nettotarife sind ein klarer Hinweis an die Politik, dass es auch ohne Provision gehen könnte. Denn in den meisten Fällen organisieren diese Versicherer für die Vermittlern eine Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die als Alternative zur Provision dem Kunden Honorare in Rechnung stellen. Das alles ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die seit langem gegen Provisionen sind. Was wir besonders kritisieren: Die meisten Kunden realisieren gar nicht, was hinter den Honorarmodellen steckt und wie teuer diese am Ende werden. Es ist falsch, dass der Wegfall von Vertriebskosten bei Nettotarifen weniger Kosten verursacht. Allein die Umsatzsteuerbelastung auf Honorare verteuert die Beratung im Vergleich zur Provision. Wir hoffen, dass der Gesetzgeber und die Aufsicht hier eingreifen und mindestens die gleichen Transparenzanforderungen abverlangen, die auch für die Provisionsberatung gelten. Unser Eindruck ist: Die Kunden unterschreiben Vereinbarungen, deren Inhalte ihnen nicht klar sind. Vor allem wird nicht klar, dass die Honorarvereinbarung nicht das Schicksal des Versicherungsvertrages teilt. Eine Honorarrückzahlung für den Fall einer Stornierung des Vertrages gibt es nicht. Wo bleibt da der Verbraucherschutz, den die Branche sich mit der Provisionshaftzeit selbst auferlegt hat?
Wir werben in der Politik dafür, für das Neugeschäft die Riester-Zulagen zu schließen. Das wäre leider das Ende eines Erfolgskonzeptes. Aber dem aus unserer Sicht verbraucherschädlichen Marktverhalten einiger weniger wäre damit ein Ende bereitet. Alternativ würde auch hier der Wegfall der Bruttobeitragsgarantie helfen. Denn dann könnten die Anbieter wieder kostendeckend mit Provision kalkulieren.

Ihrer Ansicht nach sind Honorare, die dem Zeitaufwand des Vermittlers gerecht werden, nicht durchsetzbar. Wie intensiv ist denn eine Riester-Beratung und wie hoch wäre ungefähr ein „angemessenes Honorar“?

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Eines vorweg: Nicht nur die Anbieter, auch die Vermittler arbeiten alles andere als profitabel. Denn die Relation zwischen dem Aufwand des Vermittlers und seiner Vergütung ist bei kaum einem anderen Finanzprodukt so ungünstig wie bei Riester. Allein dies ist schon ein deutliches Indiz dafür, dass die Honorarberatung teurer wäre, wenn tatsächlich nach Zeitaufwand abgerechnet wird.
Woher kommt der Aufwand? Unsere Verbandsmitglieder müssen bei der Beantragung dem Kunden über 50 Blatt bedrucktes Papier aushändigen und insgesamt bis zu sechs Unterschriften einholen. Die Förderberechtigung für den Versicherten und für Kinder muss geprüft werden, die richtige Beitragshöhe ist zu ermitteln, das Produkt und die Fördersystematik müssen erklärt werden und es sind unzählige Formulare auszufüllen. Doch damit nicht genug: Wer einen Riester-Vertrag hat, kennt die jährlichen Briefe, mit denen die Zulagenberechtigung überprüft wird. Neun von zehn Kunden sind jedes Jahr aufs Neue unsicher, ob und was zu tun ist. Sie wenden sich an ihren Vermittler, der dann mit dem Kunden alles abklären muss. Stellen Sie sich einen Vermittler mit einem Bestand von 300 oder 400 Riester-Kunden vor. Der ist, wenn die Briefe versandt wurden, mindestens eine Woche mit nichts anderem beschäftigt.
Mit Stundensätzen von 150 Euro zzgl. Umsatzsteuer würde bei Honorarberatung über die gesamte Vertragslaufzeit ein Betrag fällig werden, der ein Vielfaches der üblichen Provisionen ausmacht. Das zahlt kein Kunde. Was wäre die Folge? Nach dem Abschluss wäre der Kunde auf sich allein gestellt, wenn er nicht zahlt. Es wäre eine Frage kurzer Zeit, wann die Zulagen nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe fließen, weil notwendige Meldungen nicht erfolgt sind.

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