Es war nur eine Fußnote auf der Jahrespressekonferenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am Dienstag. Aber eine Fußnote, die in der Versicherungsbranche nun für viel Unruhe sorgt. Frank Grund, Chef der Versicherungsaufsicht, kündigte an, dass ein Provisionsrichtwert für fondsgebundene Lebensversicherungen in Arbeit sei. Details sollen erst in der zweiten Jahreshälfte präsentiert werden, etwa zur Höhe des Richtwertes.

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Droht nun ein Provisionsdeckel durch die Hintertür?

Die BaFin lässt keinen Zweifel daran, dass aus ihrer Sicht die Provisionen bei fondsgebundenen Policen zu hoch sind: zumindest bei einem Teil der Marktteilnehmer. „Wenn Lebensversicherungen zu viel kosten“, so war eine Marktstudie betitelt, die die BaFin im März präsentiert hatte. Ungewohnt deutlich übte man dort Kritik an den hohen Effektivkosten der Verträge, die bei über vier Prozent liegen können. Auch intransparente Kickbacks, die Fondsanbieter bei rund einem Drittel der untersuchten Tarife sowohl an Versicherer als auch an Vermittler zahlen, sorgten für Verstimmung. Aus Sicht der BaFin hätten einige Tarife überhaupt nicht freigegeben werden dürfen, weil sie die Wohlverhaltensregeln für Altersvorsorge-Produkte verletzen.

Droht nun ein neuer Provisionsdeckel für Lebensversicherungen - wenn auch nicht durch die Politik beschlossen, sondern quasi durch die Hintertür der Finanzaufsicht? Martin Klein, Vorstand des Verbandes Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa (VOTUM), zweifelt daran, dass hier die BaFin überhaupt allein tätig werden darf. „Hierbei handelt es sich um eine klare Kompetenzüberschreitung der BaFin. Nur weil man dem Kind mit dem Begriff ‚Richtwert‘ einen neuen Namen gibt, bedeutet dies nicht, dass sich die Zuständigkeiten ändern“, kommentiert er. „Derartige regulative Markteingriffe benötigen in jedem Fall eine konkrete gesetzliche Grundlage und können nicht allein der Willkür der Aufsichtsbehörde überlassen werden“.

Provisionsdeckel möglicherweise verfassungswidrig

Klein verweist auf ein Gutachten des früheren Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Hans-Jürgen Papier, das im Februar 2019 vorgestellt worden war. Demnach würde ein Provisionsdeckel einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes bedeuten, weil er einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung bedeute. Auch das Gleichheitsprinzip des Verfassungsstaates sei gefährdet. Mit anderen Worten: aus Sicht des Juristen ist ein solcher Deckel schlicht verfassungswidrig. Vermittlerverbände haben mehrfach angekündigt, gegen einen solchen klagen zu wollen. So würde ein einheitlicher Provisionsrichtwert den unterschiedlichen Vertriebsmodellen im Markt nicht Rechnung tragen, wonach ungebundene Vermittler weniger Ressourcen der Versicherer binden - und in ihrer Tätigkeit folglich höhere Kosten haben.

Der VOTUM-Vorstand weist auch das Argument zurück, wonach Lebensversicherungen zu hohe Kosten haben. „Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat in ihrem im April veröffentlichten „costs and past performance report 2022“ die Renditen von fondsgebundenen Lebensversicherungen in den zurückliegenden fünf Jahren untersucht. Sie kommt dabei zu durchaus erfreulichen Werten, welche deutlich über denen von klassischen Lebensversicherungsprodukten liegen. Die geringfügig höhere Nettokostenquote von Fondspolicen führen daher tatsächlich nicht zu geringeren Renditen, so dass auch insoweit eine Schieflage im Markt nicht zu beobachten ist“, schreibt Klein.

BVK-Verband: „Sind über Schritt erstaunt"

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) äußert sich zum geplanten Provisionsrichtwert der Finanzaufsicht. „Nachdem der Gesetzgeber schon in der letzten Legislaturperiode zurecht davon abgesehen hat, einen Provisionsdeckel gesetzlich vorzuschreiben, sind wir über diesen Schritt der BaFin etwas erstaunt“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Und weiter: „Allerdings gehen wir davon aus, dass diese aufsichtsrechtlichen Maßnahmen für die Vermittlerbranche weniger einschneidend sind als ein gesetzlich vorgeschriebener Provisionsdeckel. Hier will also die BaFin nur diejenigen maßregeln, die überhöhte Vergütungsstrukturen haben. Unsere Mitglieder werden als ehrbare Versicherungskaufleute davon nicht betroffen sein.“

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Dennoch hält der BVK generell Eingriffe in die Vergütungen der Versicherungsvermittler für kritisch, „denn sie widersprechen der marktwirtschaftlichen Ordnung und sind deshalb unangebracht“, positioniert sich der Verband. Der BVK habe zudem in der Vergangenheit in mehreren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die Begrenzung von Provisionen sich nur marginal und vernachlässigbar auf die Rendite von Lebensversicherungen auswirken würde. Man setze sich schon länger dafür ein, qualitative Beratungs- und Vermittlungsleistungen stärker bei Vergütungsmodellen zu berücksichtigen: „Schließlich sollten Vergütungsmodelle nicht kurzfristigen Erfolg honorieren, sondern eine qualitativ hohe Beratung und Betreuung von Kunden.“

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