Kaffeefahrten sind ein Millionengeschäft: und das nicht nur aufgrund der Reisen selbst. Oft entpuppen sie sich als Verkaufsveranstaltungen, auf denen vor allem Seniorinnen und Senioren überteuerte Produkte angedreht werden. Bereits im August 2021 hatte der Bundestag hier Verschärfungen beschlossen. Das entsprechende "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht" tritt nun am 28. Mai 2022 in Kraft.

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Laut dem Gesetz ist es künftig verboten, bei Kaffeefahrten folgende Produkte zu verkaufen:

  • Finanzanlagen im Sinne des § 34f Absatz 1 Satz 1
  • Versicherungsverträge und Bausparverträge sowie
  • Immobiliar-Verbraucherdarlehens-Verträge im Sinne des § 34i Absatz 1 Satz 1 oder entsprechende entgeltliche Finanzierungshilfen

Wenige Fälle bekannt

Gekennzeichnet sind die Kaffeefahrten im Gesetzestext mit dem Begriff des „Wanderlagers“. Ein solches veranstalte, „wer außerhalb seiner Niederlassung und außerhalb einer Messe, einer Ausstellung oder eines Marktes von einer festen Verkaufsstätte aus“ entsprechende Waren und Leistungen anbiete. Das erlaubt zumindest die Frage, ob derartige Produkte weiter verkauft werden dürfen, wenn die Kaffeefahrt zum Beispiel im Gebäude einer Niederlassung stattfindet oder als Ausstellung getarnt wird. Hier muss sich zeigen, ob sich Lücken finden, das Gesetz zu umgehen.

Ohnehin ist strittig, ob und wie oft Finanzprodukte auf Kaffeefahrten feilgeboten werden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) antwortete dem Versicherungsboten bereits im August 2021, dass ihm keine derartigen Fälle bekannt seien. Im Netz findet sich das Beispiel von Reiserücktrittsversicherungen, die überteuert verkauft worden seien. Mit fragwürdigen Methoden: So sollten die Teilnehmer vor Ort per Karte zahlen und die entsprechende PIN eingeben. Oft würden dann weit höhere Beträge eingetippt, bevor die Seniorinnen und Senioren die Zahlung veranlassen: in der Hoffnung, dass sie die höhere Summe nicht bemerken. Das maximale Bußgeld ist auf 10.000 Euro angesetzt - fraglich, ob dies eine ausreichend abschreckende Wirkung hat.

Werden Kaffeefahrten auch oft belächelt, so sind sie gerade bei älteren Menschen nach wie vor beliebt. Der Bundesrat schätzt, dass pro Jahr circa 5 Millionen Deutsche daran teilnehmen und die Branche pro Jahr einen Umsatz von 500 Millionen Euro generiert. Mit dem Gesetz werden Veranstalter zudem verpflichtet, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfangreicher über ihre Rechte zu informieren und auch den Veranstaltungsort vorher bekanntzugeben. Bei der Bewerbung sind ab 28. Mai 2022 unter anderem die Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Veranstalters mitzuteilen.

Auch strengere Regeln für Telefonwerbung

Auch andere Regeln wurden mit dem Gesetz verschärft, die den Versicherungsvertrieb betreffen können. So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor unerbetener Telefonwerbung geschützt werden. Anbieter und Dienstleister müssen ab 28. Mai dokumentieren, dass der Angerufene tatsächlich seine Einwilligung zur Telefonwerbung gegeben hat - und dieses Dokument mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden. Das soll der Bundesnetzagentur erlauben, effizienter gegen unerbetene Cold Calls vorzugehen.

Neue Transparenzpflichten bei Online-Rankings: aber nicht für Finanzdienstleistungen

Neue Informationspflichten gibt es auch für Online-Marktplätze und Vergleichsportale wie Check24 und Verivox. Diese müssen ab 28. Mai umfassender informieren, welche wesentlichen Kriterien einem Ranking von Produkten zugrunde liegen und wie diese gerwichtet wurden. Über diese Parameter muss vor Vertragsabschluss aufgeklärt werden. Dazu zählen etwa die Anzahl der Aufrufe und das Datum der Einstellung des Angebots, seine Bewertung oder die des Anbieters, die Anzahl der Verkäufe des Produkts oder die Nutzung der Dienstleistung („Beliebtheit“), wie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen informiert.

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Überraschend: Verträge über Finanzdienstleistungen seien von diesen neuen Transparenz-Vorgaben explizit ausgenommen, hierunter fallen auch Versicherungs- und Altersvorsorge-Produkte. Hierfür würden andere Informationspflichten gelten. Eine Studie des Bundeskartellamtes hatte 2019 noch die Intransparenz auch beim Online-Versicherungsvergleich bemängelt. Konkretisiert wurden die Vorgaben für den Versicherungsvertrieb im viel beachteten Verivox-Urteil, das aber auch viele Fragen im Unklaren ließ.

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