Die betriebliche Altersversorgung hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis in das 19. Jahrhundert reicht. Bereits 1974 wurde dann im Arbeits- und Sozialrecht das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) verankert. In Paragraf 1 Abs.2 Nr. 3 BetrAVG ist die Möglichkeit einer Entgeltumwandlung definiert. In Zuge der großen Rentenreform 2001 wurde unter Führung des damaligen Bundesarbeitsministers Walter Riester zum 01.01.2002 ein gesetzlicher Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung festgeschrieben und das BetrAVG u.a. um Paragraf 1a erweitert.

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Seit 01.01.2022 gilt laut Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) für die Durchführungswege Direktversicherung (DV), Pensionskasse (PK) und Pensionsfonds (PF) für bestehende Verträge ein verpflichtender Arbeitgeberzuschuss. Zahlreiche Produktanbieter haben sich in Stellung gebracht und wittern erhebliche Umsatzzuwächse. Vielerorts macht sich Goldgräberstimmung breit. Diese wird dadurch angeheizt, dass Arbeitgebern mit völlig überzogenen Haftungskonsequenzen Horrorszenarien aufgezeigt werden. Dabei werden Berater zu den Unternehmen geschickt, die die Vorrausetzungen an eine hierfür vielerorts notwendige erlaubnispflichtige Rechtsberatung nicht erfüllen. Es wird schon jetzt ein nicht unerheblicher Schaden angerichtet.

Der Autor Michael Schramm, bAV Ökonom und gerichtlich zugelassener Rentenberater, ist seit mehr als 20 Jahren für Unternehmen, deren Beschäftigte und diverse Beratungshäuser im Bereich der betrieblichen Altersversorgung tätig.dpm-gruppe

Ein nüchterner Blick auf die Gesetzeslage lohnt sich

Ein nüchterner Blick ins Gesetz, die dazugehörigen Verwaltungsanweisungen und bereits ergangene Rechtsprechung lohnt sich. Was ist zu beachten? Zunächst muss beim jeweiligen Arbeitgeber die Frage geklärt werden, welche Verträge tatsächlich von einem Pflichtzuschuss betroffen sind. Paragraf 1a BetrAVG regelt den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung und definiert in Abs.2 deren Ausschluss. Daraus ergeben sich mindestens 2 wichtige Fragen.

  1. Was gilt für Verträge, deren Grundlage nicht der Anspruch nach Paragraf 1a Abs.1 BetrAVG ist?
  2. Das BetrAVG beinhaltet in Paragraf 19 eine allgemeine Tariföffnungsklausel. Das hat dazu geführt, dass zahlreiche Haus- und Flächentarifverträge abweichende Regelungen zu Paragraf 1a BetrAVG getroffen haben. Ist für daraus resultierende Verträge eine Regelung nach Paragraf 1a Abs.1a BetrAVG anwendbar?

Allein aus diesen beiden Fragestellungen ist ersichtlich, dass nicht alle DV-, PK- oder PF-Verträge von dem neuen Arbeitgeberpflichtzuschuss betroffen sind. Sobald die Frage geklärt ist, welche Verträge zu berücksichtigen sind, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der tatsächlichen Höhe des Zuschusses. In Paragraf 1a Abs. 1a BetrAVG heißt es hierzu: „Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“

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Eindeutig ist, es muss kein Zuschuss bezahlt werden, soweit sich nach Entgeltumwandlung ein Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) zur Rentenversicherung (West) von aktuell 7.050 Euro pro Monat ergibt. In diesem Fall sparen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Beiträge zur Sozialversicherung. Schwieriger wird es, wenn die Entgeltumwandlung aus Einkommen innerhalb der BBG erfolgt. Die Ersparnis aus SV-Beiträgen kann hier je nach Einkommen auch innerhalb eines Jahres unterschiedlich hoch sein. Der Arbeitgeber kann entweder einen pauschalen Zuschuss in Höhe von 15 Prozent leisten oder einen geringeren Zuschuss, der der tatsächlichen Ersparnis der SV- Beiträgen entspricht.

Bleibt zu klären, auf was die 15 Prozent Zuschuss zu berechnen sind

Im Jahr 2022 ist bei der Entgeltumwandlung ein Beitrag von maximal 282 Euro pro Monat von Beiträgen an die Sozialversicherung befreit. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es sich bei dem Beitrag um eine Arbeitgeberleistung oder eine Entgeltumwandlung handelt. Liegt eine Arbeitgeberleistung vor, ist diese vorrangig zu berücksichtigen.

Da der Gesetzgeber formuliert hat: „…soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“, ist die Regelung wohl so auszulegen, dass bezuschusste Entgeltumwandlung (EGU) und Arbeitgeberzuschuss zusammen maximal 282 Euro betragen. In Zahlen bedeutet dies, es ist maximal eine EGU von 245,22 Euro mit einem Pflichtzuschuss von 36,78 Euro (15 Prozent aus 245,22 Euro) zu fördern, da eine EGU über 245,22 Euro mit Zuschuss, beim Arbeitgeber keine weitere SV-Ersparnis ergibt. Damit scheint der Arbeitgeberpflichtzuschuss für das Jahr 2022 auf maximal 36,78 Euro festgeschrieben zu sein.

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Eine höhere Entgeltumwandlung ist bis zu einem Beitrag von 564 Euro pro Monat zwar möglich, aber weder beim Arbeitgeber noch beim Beschäftigten sozialversicherungsfrei.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat am 31.05.2021 entschieden, dass bestehende Arbeitgeberzuschüsse zu einer Entgeltumwandlung auf den Arbeitgeberpflichtzuschuss angerechnet werden können. Dabei soll es keine Rolle spielen, auf welcher Grundlage die Zuschusszahlung bisher erfolgt. Der Sachverhalt wird am 08.03.2022 vor dem 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts unter Aktenzeichen 3 AZR 361/21 verhandelt. Nicht wenige Experten gehen von einer Bestätigung des LAG Urteils aus. Die Urteilsbegründung des LAG scheint zumindest schlüssig.

Die Umsetzung in der Praxis:

Unternehmen sind spätestens seit dem 01.01.2022 Zuschusspflichtig nach den oben genannten Grundsätzen. Damit besteht grundsätzlich vielerorts dringender Handlungsbedarf, soweit die gesetzlichen Vorgaben noch nicht, oder fehlerhaft umgesetzt wurden.

Die kostengünstigste und einfachste Möglichkeit:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren mit Verweis auf die Vorgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dass der Arbeitgeberpflichtzuschuss auf die bisherige zu berücksichtigenden Entgeltumwandlungsvereinbarungen angerechnet wird. Damit bleibt der jeweilige Beitrag an die Versorgungseinrichtung unverändert und die Entgeltumwandlung wird in der konkreten Höhe des jetzt eingerichteten Arbeitgeberzuschuss vermindert.

Die Höhe des Zuschusses sollte sich zunächst an dem Urteil des LAG orientieren. Damit können bestehende Zuschüsse zur Entgeltumwandlung uneingeschränkt angerechnet werden. Soweit das BAG anders entscheidet, ist es bei dieser Variante sehr einfach umsetzbar, zu wenig berücksichtigte Zuschüsse „nachzuholen“.

Die kostenintensive Lösung und weitere Möglichkeiten

Die kostenintensive Lösung:

Arbeitgeber zahlen einen pauschalen Zuschuss von 15 Prozent auf alle bestehenden Verträge, soweit Beiträge an eine DV, PK oder einen PF abgeführt werden. Es wird ein Zuschuss von maximal 42,30 Euro (15 Prozent aus 282 Euro) je Einzelfall gewährt. Möglich ist, bestehende Zuschüsse anzurechnen, soweit diese eindeutig definiert bereits heute auf Grundlage einer SV-Ersparnis geleistet werden. Der bisherige Beitrag wird um den Zuschuss erhöht und an die jeweilige Versorgungseinrichtung abgeführt. Ist eine Beitragserhöhung bei der bisherigen Versorgungseinrichtung nicht möglich, wird ein neuer Vertrag in Höhe des Arbeitgeberzuschuss eingerichtet.

Weitere Möglichkeiten:

Darüber hinaus kommen zahlreiche andere Regelungen in Betracht. Eine ausführliche individuelle Beratung der Unternehmen ist dabei angesagt. Die Beratung sollte auf Grundlage aller bekannten oben genannten Faktoren erfolgen und die Voraussetzungen des jeweiligen Unternehmens berücksichtigen. Es sollte dabei auch thematisiert werden, warum der Gesetzgeber seit 2002 in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds dringenden Handlungsbedarf sieht, die traditionellen Durchführungswege Direktzusage und Unterstützungskasse aber nahezu unverändert lässt.

Nicht wenige Experten im Bereich der betrieblichen Altersversorgung betrachten nach wie vor die Durchführungswege Direktzusage und Unterstützungskasse als Königsweg für die Entgeltumwandlung.

Der Autor Michael Schramm (Kanzlei RPUK Dienstleistung), bAV Ökonom und gerichtlich zugelassener Rentenberater, ist seit mehr als 20 Jahren für Unternehmen, deren Beschäftigte und diverse Beratungshäuser im Bereich der betrieblichen Altersversorgung tätig. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat die Arbeitsweise von Schramm geprüft und im Anschluss zertifiziert. Beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurde eine Listung als „qualifizierter Berater“ für das Programm „Förderung unternehmerischen Know-hows“ im Bereich der betrieblichen Altersversorgung vorgenommen.

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