Wenn private Krankenversicherer ihre Prämie anheben wollen, können sie dies nur bei zwei Szenarien tun: So schreibt es der Gesetzgeber vor. Zum einen, wenn die tatsächlichen Kosten die einkalkulierten in den Tarifen um mindestens zehn Prozent übersteigen. Und zum anderen, wenn die Lebenserwartung der Versicherten um mindestens fünf Prozent über der ursprünglich kalkulierten liegt. Denn der medizinische Fortschritt und die Alterung der Versicherten tragen zu steigenden Kosten bei. Hierbei spricht man von „auslösenden Faktoren“.

Anzeige

Dass diese beiden Vorraussetzungen einzige Gelegenheit bieten, um die Prämien zu überprüfen und anzupassen, machen Versicherungsmathematiker für die teils heftigen Prämiensprünge in der PKV mitverantwortlich. Denn mitunter viele Jahre dürfen die Versicherer die Tarife nicht anfassen, weil die Schwellenwerte nicht erreicht sind: dann aber steigen die Prämien umso heftiger. Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) forderte jüngst in einem Positionspapier, dass die Schwellen herabgesenkt werden müssen und auch der Niedrigzins als weitere Größe mit einbezogen werden darf. Der niedrige Zins am Kapitalmarkt trägt dazu bei, dass auch die Alterungsrückstellungen schwieriger zu bilden sind, da für diesen Kapitalpuffer die Beiträge der Versicherten ebenfalls verzinst werden. Dann, so die Idee: steigen die Beiträge gleichmäßiger.

Axel Kleinlein fordert Reformen

Bei ihrem Ruf nach gesetzlichen Reformen erhalten Privatversicherer und Aktuare nun ungewohnte Unterstützung. Axel Kleinlein, Vorstandssprecher beim Bund der Versicherten (BdV), fordert ebenfalls, dass der Gesetzgeber tätig werden muss, um privat Krankenversicherten entgegenzukommen. Sonst hat sich Kleinlein oft mit harter Kritik an den Versicherern positioniert: unter anderem bezeichnete er Lebensversicherungen als „legalen Betrug“. Nun fordert er in einem gemeinsamen Interview mit Roland Weber, Vorstand des PKV-Marktführers Debeka, Reformen. Über das Interview berichtet aktuell die „Süddeutsche Zeitung“.

"Privatversicherte sind keine Bürger zweiter Klasse, sondern genauso fair und sauber zu behandeln wie alle anderen auch“, fordert Kleinlein demnach gewohnt meinungsfreudig. Auch der BdV habe die Erfahrung machen müssen, dass privat krankenversicherte Mitglieder nicht immer fair behandelt würden. Das liege aber auch daran, dass den Versicherern durch den Gesetzgeber die Hände gebunden seien. Er fordert: „Es ist Zeit, etwas zu tun!“

Medizinische Inflation: stark steigende Kosten im Gesundheitssystem

Axel Kleinlein will vor allem die medizinische Inflation als auslösenden Faktor mitberücksichtigt wissen. Gemeint ist hiermit, dass die Kosten im Gesundheitssystem teils deutlich stärker ansteigen als die allgemeine Inflation. Seit dem Jahr 2000 schossen die Gesundheitskosten im medizinischen Sektor pro Jahr um vier bis fünf Prozent in die Höhe: die allgemeine Inflation war nur etwa halb so hoch. Ein Grund ist der medizinische Fortschritt mit teuren Innovationen: aber auch die Alterung der Gesellschaft, nicht gedeckelte Pharmazie-Preise in Deutschland etc. spielen hier mit hinein.

Debeka-Vorstand Weber macht zugleich darauf aufmerksam, dass es bei den Krankenkassen ständig gesetzliche Anpassungen gebe, um auf neue Situationen und steigende Gesundheitskosten zu reagieren. Den privaten Versicherern seien solche Optionen aber verwehrt. Bereits seit zwei Legislaturperioden würden notwendige Reformen vom Gesetzgeber ausgesessen - aus seiner Sicht auch zum Nachteil der Versicherten.

Auch gesetzlicher Zuschlag Stellschraube für mögliche Reformen

Eine der letzten Reformen im PKV-System liegt schon seit mehr als 21 Jahren zurück: im Jahr 2000 wurde der gesetzliche Zuschlag eingeführt. Seit dem 1.1.2000 müssen Neuversicherte in der PKV einen Zuschlag von zehn Prozent auf den Beitrag zahlen, um die Beiträge ab dem 65. Lebensjahr konstant zu halten. Versicherte, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine private Vollversicherung hatten, können per Widerspruchsrecht entscheiden, ob sie auch den Zuschlag zahlen wollen. Er wurde 2001 mit zwei Prozent eingeführt - und jährlich bis zum Erreichen von zehn Prozent Bruttoprämie um zwei Prozentpunkte angehoben.

Anzeige

Auch hier sieht die Deutsche Aktuarvereinigung Reformbedarf: der gesetzliche Zuschlag solle erhöht und auch länger gezahlt werden, um die Prämien zu verstetigen und Prämiensprünge ab dem 65. Lebensjahr der Versicherten abzufedern. „Die Verwendung der angesparten Mittel sollte zeitlich so gestreckt werden, dass die angestrebte Beitragsglättung auch noch in höheren Altern erreicht werden könnte“, heißt es in dem Positionspapier der Mathematiker. Ein Vorschlag, dem sich nun Debeka-Vorstand Weber anschließt. Der Zuschlag solle auf 15 Prozent angehoben werden - und auch länger gezahlt werden müssen.

Anzeige