Jöhnke: So ist es. Nicht der Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung zählt, sondern der Zeitpunkt, mit dem der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren gründet. Das wird in aller Regel die Ablehnung der Leistungsansprüche durch die Berufsunfähigkeitsversicherung sein.

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Nebenführ: Und genau da liegt der Knackpunkt: Nicht der Rechtsschutzversicherer legt den tatsächlichen Rechtsschutzfall fest, sondern der Versicherungsnehmer.

Jöhnke: Deshalb halte ich das BGH-Urteil für ausgesprochen verbraucherfreundlich. Ich rate meinen Mandantinnen und Mandanten, die wegen eines möglichen zukünftigen Rechtsstreits in meine Kanzlei kommen, umgehend eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, falls sie noch keine haben. Denn dann können wir, nach der neuen gesetzlichen Regelung und gemäß ARB §4, die Deckungszusage beim Rechtsschutzversicherer einklagen.

Nebenführ: Achtung, Björn, das ist kein Freibrief! Wer glaubt, er könne seinen Rechtsschutzversicherer austricksen, indem er einen Rechtsschutz nur abschließt, um gleich danach eine Klage einzureichen, der sei gewarnt: ARB §3 schließt die Kostendeckung bei mutwilliger Schädigung der Versichertengemeinschaft aus.

Jöhnke: Da hast du natürlich auch recht. Das müsste man in der Tat im Einzelfall prüfen. Im Zweifel könnte dann auch ein Schiedsverfahren helfen.

Nebenführ: Hier gehen unsere Sichtweisen eindeutig auseinander. Denn als Versicherungsmakler kann ich für zukünftige konkrete Fälle keine Deckungszusage geben. Nicht nur in moralischer Hinsicht, sondern ich hafte sogar dafür. So gut ich das BGH-Urteil finde, hier bröckelt der Schutz für die Versichertengemeinschaft. Wer jahrelang Beiträge in eine Rechtsschutzversicherung einzahlt, der sollte nicht durch diejenigen geschädigt werden, die mit dem Vorsatz, einen ganz bestimmten Fall abzusichern, einen Rechtsschutz abschließen. Versicherungen sind dafür da, Risiken abzusichern, keine konkreten Fälle.

Jöhnke: Das kann ich sehr gut nachvollziehen, schließlich kenne ich deine Branche sehr gut. Der eigentliche Zweck einer Versichertengemeinschaft ist es, im Notfall füreinander einzustehen. Aus Sicht eines Juristen jedoch, der seinen Mandaten gegenüber verpflichtet ist, bietet uns Rechtsanwälten das BGH-Urteil einen gewissen Freiraum. Und den nutzen Rechtsanwälte natürlich im Sinne der Mandantschaft. Doch um nochmal auf die Versicherer zurückzukommen: Welche Konsequenzen ziehen die Versicherer aus dem BGH-Urteil?

Nebenführ: Weil nicht mehr beliebig zeitlich rückverlagert werden kann, kommen immer mehr Versicherer, wie zum Beispiel Allianz und Auxilia, ihren Kunden entgegen und passen ihren ARB §4 an die neue Rechtslage an. Die ARAG hat besonders verbraucherfreundlich reagiert und die Einrede auf Vorvertraglichkeit auf drei Jahre reduziert. Der Markt bietet in der Regel fünf.

Jöhnke: Wer also auf Nummer sicher gehen möchte, der sollte einen Rechtsschutztarif wählen, der spätestens nach Ablauf von fünf Jahren auf die Einrede der Vorvertraglichkeit verzichtet.

Nebenführ: Das wäre auch mein Rat. Doch aus meiner Sicht wird es in absehbarer Zeit noch weitere Konsequenzen geben. Ich denke, dass sich wegen der Aktivprozess-Regelung die Rechtsschutzfälle früher oder später häufen werden. Gerade wenn es Anwälte wie du gibt, die solche Tipps geben ;-). Deshalb glaube ich, dass die Beiträge bald steigen.

Jöhnke: Wie siehst du das mit den Wartezeiten? Die wurden im Laufe der Zeit bei vielen Versicherern abgeschafft, weil sie auf die Einrede der Vorvertraglichkeit bauen konnten.

Nebenführ: Noch entwickelt sich die Wartezeit bei Rechtsschutzversicherungen rückläufig. Doch ich vermute, dass einige Versicherer in absehbarer Zeit wieder Wartezeiten einführen oder bestehende Wartezeiten erweitern, um fallbezogenen Rechtsschutzabschlüssen vorzubeugen.

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