Vielen ist bekannt: Auf dem Weg zur Arbeit ist man als Arbeitnehmer durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Was aber unter normalen Bedingungen gilt, schafft durch die weite Verbreitung von Homeoffice in Corona-Zeiten viele Unsicherheiten. Denn was gilt zum Beispiel, wenn man nur vom heimischen Bett durch die Wohnung zum heimischen Arbeitsplatz laufen muss?

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Hierzu urteilte nun – in dritter Instanz – das Bundessozialgericht am 08.12.2021 (Az. B 2 U 4/21 R). Kläger in Revision war ein Gebietsverkaufsleiter im Außendienst, der einen Teil seiner Arbeit im heimischen Büro leistete. Hierzu brauchte er nur aus dem Bett aufstehen und über eine Wendeltreppe zu seinem Arbeitsplatz gehen.

Der Kläger rutschte auf der heimischen Treppe aus

Doch selbst solche alltäglichen Wege kennen ihre Tücken: Am 17.9.2018 rutschte der Mann auf seiner Treppe aus und brach sich dadurch einen Brustwirbel. Er wollte das Unglück nun als Arbeitsunfall bei seiner Berufsgenossenschaft geltend machen. Diese aber sah sich nicht in der Einstandspflicht, weswegen sie Leistungen ablehnte.

Rechtsstreit entschied sich erst in dritter Instanz

Also klagte der Mann vor dem Sozialgericht Aachen, das ihm mit Datum vom 14.06.2021 auch Recht gab (Az. S 6 U 5/19). Die Berufsgenossenschaft aber ging in Berufung. Zunächst erfolgreich: Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies in Berufung die Klage des Arbeitnehmers zurück (Az. L 17 U 487/19).

Allerdings wurde eine Revision des Klägers zugelassen. Vor dem Bundessozialgericht wendete sich in dritter Instanz das Blatt aber wieder zugunsten des klagenden Arbeitnehmers: Der Unfall auf der Treppe wird als Arbeitsunfall bewertet, weswegen die Berufsgenossenschaft leisten muss.

Weg vom Bett – versicherter Betriebsweg oder Vorbereitungshandlung?

Gesetzliche Grundlage für das Urteil ist Paragraf 8 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII). Demnach ist auch das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Arbeit als Arbeitsunfall versichert. Aber kann auch der Weg vom Bett zum heimischen Büroplatz als ein solcher Arbeitsweg gedeutet werden?

Die Berufsgenossenschaft verneinte dies – sie argumentierte, dass erst mit Erreichen des häuslichen Arbeitszimmers der Unfallversicherungsschutz beginne. Dieser Argumentation folgte zwar nicht das Sozialgericht Aachen, aber das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Berufung.

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Laut Landessozialgericht würde es sich bei Beschreiten des Wegs um eine unversicherte Vorbereitungshandlung statt um einen versicherten Betriebsweg handeln. Dem aber widersprach nun das Bundessozialgericht in Revision.

Warum das Bundessozialgericht dem Arbeitnehmer recht gab

Laut Bundessozialgericht ist ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich denkbar, sobald sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befinden. Hierzu definiert die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) Bedingungen für Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich:

  • Arbeitgeber und Beschäftigte müssen die Bedingungen der Telearbeit – also das Homeoffice – arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben.
  • Die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar und Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen muss durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert sein.

Warum es für den Anspruch wichtig ist, sich an die Arbeit statt ans Frühstück zu setzen

Wichtig für die Einordnung als Arbeitsunfall ist zudem: Der Weg muss zur erstmaligen Arbeitsaufnahme zurückgelegt werden – und zwar für eine unmittelbar dem Unternehmen dienende Tätigkeit. Vor Gericht wurde extra betont: Der Mann beginne an seinem Heimarbeitsplatz stets unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken.

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Das Gericht griff diesen Hinweis in den Urteilsgründen auf. Hätte sich der Mann demnach erst zum Frühstücken an den Tisch gesetzt, hätte die Berufsgenossenschaft nicht leisten müssen – der Weg muss wirklich der Weg zur Arbeitsaufnahme für den Arbeitgeber und nicht zu einer vorherigen häuslichen Tätigkeit sein.

Urteil in Corona-Zeiten besonders wichtig

Das Urteil ist in Zeiten von Corona besonders wichtig, da sich viele im Homeoffice befinden: Ein Arbeitnehmer im Homeoffice ist gesetzlich demnach nicht schlechter gestellt als ein Arbeitnehmer im Betrieb. Das gilt selbst dann, wenn es sich nur um den Weg vom Bett zum heimisch für die Arbeit eingerichteten Schreibtisch handelt. Eine Presseerklärung zu dem Urteil ist auf der Webseite des Bundessozialgerichts verfügbar.

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