Im November jeden Jahres legt die Bundesregierung einen Rentenversicherungsbericht vor: Darin enthalten sind Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung sowie aktuelle Modellrechnungen, wie sich Renten und Beiträge in den kommenden 15 Jahren entwickeln werden.

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Vor wenigen Tagen hat der amtierende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den aktuellen Bericht für 2021 vorgestellt. Sein Fazit ist positiv. „Die Rentenversicherung kommt gut durch die Pandemie“, sagte Heil bei der Vorstellung der Zahlen.

Die Renten werden in den kommenden Jahren stark steigen, kündigte Heil demnach an: 2022 um 5,95 Prozent in den neuen und 5,18 Prozent in den alten Bundesländern. Diese Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen. So wollen SPD, Grüne und FDP laut ihrem gestern vorgestellten Koalitionsvertrag den sogenannten Nachholfaktor wieder in Kraft setzen: schon ab 2022. Dieser war von der scheidenden Großen Koalition eigentlich bis 2025 ausgesetzt worden.

Aktueller Rentenbericht rechnet Nachholfaktor noch nicht ein

Der Nachholfaktor ist eine Antwort darauf, dass die Entwicklung der Renten zwar an jene der Löhne gekoppelt ist: aber Rentensenkungen seit 2009 gesetzlich verboten sind. Er sorgt dafür, dass nach Jahren, in denen die Rente eigentlich gekürzt werden müsste, die Erhöhung weniger stark ausfällt. Das wäre im kommenden Jahr der Fall: Nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums hätte 2021 als Folge der Coronakrise die Rente um 3,5 Prozent sinken müssen, da auch die Löhne im Lockdown einbrachen.

Wird der Nachholfaktor von der neuen Bundesregierung tatsächlich wieder in Kraft gesetzt, steigt die Rente nur etwa um die Hälfte der kommunizierten Zahlen. Erst im Frühjahr wird über die Rentenerhöhung abschließend entschieden.

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Das Sicherungsniveau vor Steuern beträgt derzeit 49,4 Prozent, steigt in den Folgejahren zunächst an und beträgt im Jahr 2025 49,2 Prozent. Dabei ist zu beachten, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund die statistische Erfassung der beitragspflichtigen Entgelte revidiert hat, wodurch das Sicherungsniveau rechnerisch höher ausfällt. Aber auch ohne Berücksichtigung des Revisionseffekts bleibt das Sicherungsniveau 2025 mit 48,2 Prozent oberhalb der Haltelinie von 48 Prozent.

Beitragssatz: stabil bis…

Ebenfalls vorausberechnet wird die Entwicklung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung: auch hier ist zu berücksichtigen, dass der vorgezogene Nachholfaktor und andere Reformen der angehenden Bundesregierung noch nicht eingerechnet sind. Dennoch liefern die Zahlen einen Einblick, wie sich der Beitrag zur Rente mittelfristig entwickeln wird - bzw. entwickeln muss.

Im Pressetext zum Rentenbericht werdet es das Bundesarbeitsministerium als Erfolg, dass der Beitrag vorerst stabil bleibt. Doch vorerst bedeutet: bis einschließlich 2023 soll der Beitragssatz unverändert bei 18,6 Prozent liegen. Doch je nach Entwicklung der Löhne und Beschäftigung könnte der Beitrag schon 2024 auf 19,1 bis 20 Prozent angehoben werden müssen. Wie auch die Vorgängerregierung haben SPD, FDP und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag die Absicht erklärt, den Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen zu lassen.

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Explizit weist der Bericht darauf hin, dass der Beitrag „durch zusätzliche Bundesmittel bei 20 Prozent stabilisiert“ werde, das sehe die Beitragssatzgarantie vor. Laut Modellrechnungen sind hierfür 2024 zusätzliche Bundesmittel von 1,4 Milliarden Euro und 2025 bis zu 3,8 Milliarden Euro aus dem Steuertopf notwendig. Die Beitragssatzgarantie greift bis 2025 und wurde von der scheidenden Bundesregierung durch das RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz festgeschrieben. In diesem Gesetz ist auch vorgesehen, zur Sicherung des Beitragssatzes zusätzliche Steuergelder nachzuschießen.

Schon ab 2026 muss jedoch -je nach Entwicklung der Löhne und Beschäftigung- laut Modellrechnung mit einem Beitragssatz von 19,4 bis 20,6 Prozent des Lohnbruttos gerechnet werden. Und spätestens 2028 ist die 20-Prozent-Marke in keiner der angenommenen Modellrechnungen zu halten, bei besonders ungünstiger Entwicklung wird dann bereits ein Beitrag von 21,1 Prozent in der entsprechenden Modellrechnung veranschlagt. Für das Jahr 2035 schwankt der erforderliche Rentenbeitrag zwischen 21,7 und 23,0 Prozent.

2020 schon 97 Milliarden Euro aus Steuermitteln

Die zusätzlichen Bundesmittel sind nicht zu verwechseln mit der Summe dessen, was der Bund in die Rentenkasse zahlt. Unter anderem werden Zuschüsse für gesamtgesellschaftliche Aufgaben fällig, etwa die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung. Und hier muss der Bund immer höhere Beiträge in die Rentenkasse abführen.

Konkret: Der laut Gesetz an die allgemeine Rentenversicherung zu leistende allgemeine Bundeszuschuss lag im Jahre 2020 mit 48,2 Milliarden Euro um gut 1,9 Milliarden Euro über dem Wert des Vorjahres.

Der zusätzliche Bundeszuschuss, dessen jährliches Volumen dem Steueraufkommen eines Mehrwertsteuerpunktes entspricht, betrug weitere knapp 12,8 Milliarden Euro. Seit 1998 haben diese Gelder vor allem eine beitragsstabilisierende Funktion: Damit kann in jedem Jahr der Beitragssatz um ein Prozent niedriger festgesetzt werden, als er ohne diesen zusätzlichen Zuschuss möglich wäre.

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Zusätzliche knapp 14,4 Milliarden Euro flossen der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss zu: Gelder, die für regelmäßige Rentenanpassungen erforderlich werden. An die Knappschaft mussten im Rahmen des Defizitausgleichs weitere 5,2 Milliarden Euro gezahlt werden. Ingesamt summierten sich demzufolge im Jahr 2020 die Leistungen des Bundes auf knapp 97 Mrd. Euro.

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