2019 hat die Nürnberger Versicherung das Start-up Helpcheck verklagt, welches sich darauf spezialisiert hat, Lebensversicherungen nach dem sogenannten Policenmodell rückabzuwickeln. Doch nun mussten die Franken eine erste Niederlage vor dem Landgericht Düsseldorf erleiden. Wie das „Handelsblatt“ am Freitag berichtet, hält das Gericht die Klage in wichtigen Teilen für unbegründet. Demnach darf Helpcheck ein Erfolgshonorar nehmen, wenn die Verträge erfolgreich rückabgewickelt werden (Urteil vom 21. Oktober 2021, Az. 37 O 137/19).

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Legaltech: Intelligente Software checkt Verträge

Helpcheck ist ein sogenanntes Legaltech: Ein Anbieter, der Verbraucherinnen und Verbrauchern mittels digitaler Technik hilft, Rechtsansprüche durchzusetzen. Spezialisiert hatte man sich zunächst auf das Rückabwickeln von Leben-Verträgen, die nach dem sogenannten Policenmodell in den Jahren von 1994 bis 2007 abgeschlossen wurden. Der Bundesgerichtshof erklärte diese Vertriebspraxis der Versicherer in mehreren Urteilen für unwirksam.

Das Problem: Beim Policenmodell erhielt der Kunde seine vollständigen Vertragsbedingungen vom Versicherer erst zugesandt, nachdem er bereits den Vertrag unterschrieben hatte und er in Kraft getreten war. Er konnte seine Rechte und Pflichten folglich nicht vor Unterschreiben des Vertrages prüfen: ein Verstoß gegen Verbraucherrecht, wie der BGH mehrfach hervorhob.

Damit die Verträge aber erfolgreich rückabgewickelt werden können, müssen die Sparerinnen und Sparer erst nachweisen, dass sie unzureichend über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt worden. Denn nur dann können sie vom Vertrag zurücktreten. Helpcheck prüft nun mit Hilfe digitaler Technik, ob die entsprechenden Klauseln in den jeweiligen Verträgen enthalten sind. Ist das der Fall, vertritt ein spezialisierter Anwalt den Kunden gegen den Versicherer vor Gericht. Nur, wenn der Vertrag tatsächlich erfolgreich rückabgewickelt werden kann, verlangt das Legaltech ein Erfolgshonorar. In der Regel werden zwischen 29,75 Prozent und 39,75 Prozent des erzielten Mehrwertes berechnet.

Versicherungsberater oder Inkassodienstleister?

Dieses Erfolgshonorar aber war der Nürnberger Versicherung ein Dorn im Auge. Die Frage ist hierbei, ob das Legal Tech als Anbieter einer Versicherungsberatung auftritt oder dies nur ein Nebeneffekt der Tätigkeit ist. Denn Versicherungsberater dürfen keine Erfolgshonorare anbieten, wie der Bundesgerichtshof in einem anderen Urteil hervorhob (Az. I RZ 19/19). Dabei berief sich der BGH darauf, dass auch Rechtsanwälten das Aushandeln eines Erfolgshonorars nur in sehr engen Grenzen erlaubt sei, was auch für Versicherungsberater gelte.

Das Verbot soll einerseits Menschen, die sich vor Gericht streiten, vor unqualifiziertem Rat schützen, hat aber auch mit den Privilegien des Berufsstandes zu tun. Der Beruf des Anwalts ist in Deutschland besonders geschützt: zum Nachteil vieler Digitalanbieter, die auch Rechtsservices erbringen wollen und in Deutschland durch besonders strikte Regeln ausgebremst werden: oder gar komplett aufgeben müssen. In vielen anderen Staaten sind Geschäftsmodelle von Legaltechs bereits etabliert.

Helpcheck hingegen argumentiert, dass man als Inkassodienstleister im Namen der Kunden tätig werde. Inkassofirmen aber sind Erfolgshonorare in bestimmten Umfang erlaubt. Demnach liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit stark vereinfacht darin, fremde Forderungen einzutreiben, nachdem der Kunde entsprechende Ansprüche aus den Verträgen abgegeben hat.

Auch Helpcheck-Geschäftsführer Peer Schulz sagte dem Versicherungsboten bereits, sein Unternehmen erbringe Inkasso-Services. Man sei „eingetragener Rechtdienstleiser nach 10 Abs. 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Hier hat der BGH jüngst entschieden, dass Inkassounternehmen Rechtsberatung erbringen dürfen“, erklärte Schulz im Interview. Und weiter: „Da wir noch nicht einmal so weit gehen, sondern die Ansprüche ausschließlich von externen Partnerkanzleien durchsetzen lassen und lediglich Software und Marketingdienstleistungen für diese erbringen, können wir der Argumentation der Nürnberger nicht folgen“.

Das Landgericht Düsseldorf schloss sich der Auffassung von Helpcheck nun an.„Wichtig ist, dass das Gericht festgestellt hat, dass Helpcheck auch in der Vergangenheit keine Beratung bei Lebensversicherungen durchgeführt hat“, zitiert das "Handelsblatt" Lutz Hartmann, Jurist des Legaltechs. Das Honorar werde dafür gezahlt, dass man erfolgreich die Verträge rückabwickle.

Urteil des OLG München wirft Fragen auf

Laut "Handelsblatt" prüft die Nürnberger nun, ob sie Rechtsmittel einlegt. Der Versicherer vertritt die Auffassung, dass Helpcheck tatsächlich eher zu Versicherungen berät, ihnen das Honorar folglich verboten sein müsste. Und kann sich auf ein Urteil des OLG München berufen. Das Gericht hat einem Anbieter von Legal-Tech-Diensten, der auf Basis einer Inkassoerlaubnis tätig ist, die Erbringung von Beratungsleistungen zum Widerruf von Lebensversicherungsverträgen untersagt (OLG München, Urteil vom 03.12.2020, Az. 29 U 7047/19 - nicht rechtskräftig).

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Das OLG München stufte ein ganz ähnliches Geschäftsmodell als Versicherungsberatung ein, weil das Legaltech schon nach seiner Werbung Verbraucher bei der Prüfung von Versicherungsverträgen rechtlich berate. Man biete an, die Verträge auf die rechtliche Möglichkeit und Sinnhaftigkeit eines Widerrufs zu prüfen. Diese stelle eine erlaubnispflichtige Beratung über Versicherungen dar, die ohne die in der Gewerbeordnung geregelte Erlaubnis, über die das Unternehmen nicht verfügte, unzulässig sei.

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