Zum dreizehnten Mal wurde nun der Melbourne Mercer Global Pension Index veröffentlicht – ein vom Beratungsunternehmen Mercer und dem Forschungscenter Monash Centre for Financial Studies (MCFS) erstelltes Rating, das Rentensysteme verschiedener Länder auf ihre Leistungsfähigkeit testet. Mittlerweile sind es 43 Systeme, die das Institut aus Melbourne zusammen mit dem Beratungsunternehmen bewertet. Damit die Entwicklung der Rentensysteme über die Zeit analysiert werden kann, wurde an der bisherigen Methodik festgehalten.

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Erneut sind es über 50 Indikatoren, die zum Rating-Ergebnis führen. Und erneut stehen drei Subindizes im Mittelpunkt der Studie, die – unterschiedlich gewichtet – zu einer Gesamtbewertung führen:

  • Der Bereich der „Angemessenheit“ ist der mit 40 Prozent am stärksten gewichtete Subindex. Er untersucht die derzeitigen Bedingungen eines Rentensystems – Indikatoren werden berücksichtigt wie das von einem System bereitgestellte Grundeinkommen oder die Netto-Lohnersatzrate, aber auch Indikatoren für steuerliche Anreize zum Vorsorgen, für die Sparquote und die Verschuldung privater Haushalte. Die Frage hinter dem Index: Kann das Rentensystem seinen Rentnern aktuell eine angemessene Rente zusichern?
  • Die „Integrität“ bezieht sich auf gesetzliche Rahmenbedingungen insbesondere der privaten Vorsorge – Governance, Risikosteuerung sowie Kommunikation spielen für Indikatoren dieses Subindex eine Rolle. Die Frage lautet: Sind gesetzliche Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass Bürgern den privaten Rentenanbietern und Finanzakteuren vertrauen können? Die Gewichtung dieses Teilbereichs liegt bei 25 Prozent.
  • Der Subindex für „Nachhaltigkeit“ gibt an, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Rückdeckung und Finanzierung, Demografie, Staatsverschuldung und das von der Weltbank gemessene reale Wirtschaftswachstum beeinflussen diesen Subindex, der mit 35 Prozent gewichtet wird. Die Frage hinter dem Index lautet: Kann auch zukünftig eine angemessene Rentenleistung garantiert werden?

Deutschland: Fünftbestes Rentensystem bei „Angemessenheit“

Wer die letzten Mercerstudien verfolgte, den wird auch das aktuelle Abschneiden im Rating kaum verwundern. So ist das deutsche Rentensystem bei der „Angemessenheit“ top – eine Bewertung von 79,3 Prozent ist die fünftbeste weltweit. Deutschland muss sich hier nur Dänemark (81,1 Prozent), Norwegen (81,2 Prozent), der Niederlande (82,3 Prozent) und Island (82,7 Prozent) geschlagen geben.

Aber auch die Integrität Deutschlands kann sich sehen lassen mit 81,2 Prozent: Wenngleich dies nur Rang 15 aller Länder bedeutet, schafft Deutschland dennoch vertrauenswürdige Rahmenbedingungen insbesondere für die private Altersvorsorge. So ist zum Beispiel gewährleistet, dass Anbieter auch für zugesicherte Leistungen langfristig aufkommen können.

Leistungsfähigkeit – auf Kosten der Nachhaltigkeit „erkauft“

Letztendlich ist es die Nachhaltigkeit, die Deutschland wieder eine Platzierung in der Top-Ten des Ratings vergeigt. Denn magere 45,4 Prozent für die „Nachhaltigkeit“ bedeuten nur Rang 28 von 43 bei diesem Subindex. Aufgrund dieser schlechten Prozentzahl erhält Deutschland in der Gesamtwertung nur 67,9 Prozent: Rang 14. Gegenüber 2020 bedeutet der Prozentwert eine marginale Verbesserung um 0,6 Prozentpunkte.

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Die schlechte Wertung für die Nachhaltigkeit verwundert kaum: Bisherige Reformversuche des deutschen Vorsorgesystems wie das Altersvermögensgesetz (AVmG) von 2001 (mit Einführung der Riesterrente) wurden durch den Niedrigzins in eine Sackgasse manövriert (Versicherungsbote berichtete). Und auch bei der betrieblichen Altersvorsorge herrscht Krisenstimmung: Trotz Gesetzreform im Jahre 2017 wurde bisher erst ein sogenanntes Sozialpartnermodell in die Wege geleitet (zwischen Talanx, Zurich und ver.di). Das hochgelobte Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) unter der damaligen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles erweist sich in der Praxis bisher als Enttäuschung (Versicherungsbote berichtete).

In Deutschland schultert das umlagefinanzierte System zu große Lasten

So ist es in Deutschland das umlagefinanzierte System, das einen Großteil der Lasten des demografischen Wandels trägt. Das führt in eine Krise – aufgrund der alternden Bevölkerung müssen immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentnerinnen und Rentner auskommen. Ein Gutachten des Wirtschaftsministeriums warnte kurz vor den Bundestagswahlen: Möchte man jetzige Haltelinien in der Gesetzlichen Rentenversicherung retten – einen Brutto-Beitrag von maximal 20 Prozent und ein Rentenniveau von 48 Prozent –, müsste der Bund bis 2060 über 55 Prozent seines Etats zuschießen. Solche Zuschüsse wären laut Gutachten schlicht nicht finanzierbar.

Angemessenheit zulasten der Nachhaltigkeit: Problem auch weiterer EU-Länder

Ein Spannungsverhältnis zwischen Angemessenheit und Nachhaltigkeit aber betrifft nicht nur Deutschland – bei Ländern wie Österreich, Italien oder Spanien klaffen die Werte sogar noch weiter auseinander. Spanien erhält für die Angemessenheit 72,9 von 100 möglichen Punkten, für die Nachhaltigkeit hingegen gibt es nur 28,1 Punkte. Österreich erhält für die Angemessenheit 65,3 Punkte. Für die Nachhaltigkeit hingegen gibt es nur 23.5 Punkte. Und Italien erhält für die Angemessenheit 68,2 Punkte, für die Nachhaltigkeit hingegen sogar nur 21.3 Punkte. In all diesen Ländern zeigt sich das gleiche Problem: Die Leistungsfähigkeit des aktuellen Rentensystems wird laut Mercer-Index auf Kosten der Zukunft erkauft.

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Der Ranking-Sieger: Ein Debütant

Wie es besser geht, machen die Sieger des Rankings vor. Und hier gibt es eine Überraschung: Ein Neuling landet aus dem Stand auf Rang eins. Wurde doch erstmals auch das Rentensystem Islands bewertet. Mit 82,7 Prozent für die Angemessenheit (bestes Ergebnis für den Subindex), 84,6 Prozent für die Nachhaltigkeit (bestes Ergebnis) und 86,0 Prozent für die Integrität (Rang sieben für den Subindex) verwies Island den Vorjahressieger Niederlande auf den zweiten Rang. 84,2 Prozent als Gesamtbewertung bedeuteten für Island den Sieg vor den Niederlangen mit 83,5 Prozent und vor Dänemark mit 82,0 Prozent. Das Abschneiden aller Länder mit den Wertungen der Subindizes veranschaulicht folgende Tabelle:

@Mercer Deutschland

Nachhaltigkeit: Demografische Lasten verteilt auf drei Säulen

Was aber macht die Stärke der Siegersysteme aus? Beispiel Island: Das Rentensystem umfasst eine staatliche Rente mit zwei Komponenten – diese wird auch durch hohe Beiträge gespeist. Hat doch Island von allen OECD-Ländern den zweithöchsten Durchschnittslohn hinter Luxemburg. Hinzu kommt eine obligatorische betriebliche Altersversorgung mit Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, vergleichbar mit den quasi-obligatorischen Lösungen in Dänemark und in den Niederlanden. Auch können freiwillige Beiträge in staatlich genehmigte Rentenprodukte der dritten Säule, der Privatvorsorge, eingezahlt werden.

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Beispiel Niederlande: Die obligatorische staatliche Alterssicherung AOW, die „Algemene Ouderdomswet“, deckt zwar nur ein Mindestniveau ab (unabhängig von der Einkommenshöhe). Das Geheimnis des niederländischen Erfolgs jedoch liegt an der zweiten Säule des Rentensystems – an der betrieblichen Altersversorgung. Mehr als 91 Prozent der aktiven Arbeitnehmer und 50 Prozent der Rentner verfügen in den Niederlanden über eine Zusatzrentenregelung bzw. beziehen eine Betriebsrente – Betriebsrenten sind gängiger Bestandteil des Lohnes geworden. Der Wermutstropfen dieses hohen Alters-Sicherungsniveaus freilich aus Branchensicht ist, dass die private Altersvorsorge in den Niederlanden nur eine geringe Rolle spielt (Versicherungsbote berichtete). Die Pressemeldung und Links zur englischen Studie sind auf der Webseite von Mercer Deutschland verfügbar.

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