Das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz von 2007 führte die Rente mit 67 ein – eine schrittweise Erhöhung der Regelaltersgrenze, die 2031 abgeschlossen ist. Diese Reform aber und weitere Reformen liefern noch keine befriedigende Antwort auf die Krise der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente. Denn immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen.

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So warnt ein aktuelles Gutachten des Wirtschaftsministeriums: möchte man jetzige Haltelinien in der Gesetzlichen Rentenversicherung retten, müsste der Bund bis 2060 über 55 Prozent seines Etats zuschießen – dies wäre nicht finanzierbar. Weitere Reformen sind also nötig, um die gesetzliche Rente zukunftsfit zu machen.

Deutsche Aktuarvereinigung rät zur weiteren Anhebung der Regelaltersgrenze

Ein Vorschlag, der hierzu diskutiert wird: Eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze. So rät die Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) zu einer dynamischen Anpassung der Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung (Versicherungsbote berichtete). Befragt man aber die Menschen nach ihren Wünschen und ihrem Können, zeigt sich: Schon eine Arbeitszeit bis 67 Jahre ist vielen Erwerbstätigen zu lang.

Mehr als die Hälfte der Bürger: will „Rente vor 63“

Das ergab nun auch eine aktuelle Umfrage von Civey unter 2.500 Erwerbstätigen, durchgeführt im Auftrag des Demographie Netzwerks (DDN): 53 Prozent aller Befragten wollen noch vor dem 63. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben ausscheiden. In der jüngsten Kohorte der 18- bis 29-Jährigen wollen sogar über 60 Prozent noch vor dem 61. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die Wünsche stehen konträr zur tatsächlichen Situation.

Deutlich zeigt sich hierbei aber auch ein Unterschied nach Beruf und sozialer Stellung. So gleichen Antworten der Arbeiter den Antworten der jungen Kohorte: Mehr als die Hälfte der Arbeiter will vor dem 61. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Anders aber leitende Angestellte – nur 40 Prozent äußern hier diesen Wunsch.

Die Regelaltersgrenze als Bedrohung: Viele trauen sich das lange Arbeiten nicht zu

Die Wünsche nach einem zeitigeren Ausscheiden haben aber einen ernsten Hintergrund: Viele trauen sich ein Arbeiten bis zur Regelaltersgrenze schlicht nicht zu. Drei Viertel der Befragten hält sich für geistig und körperlich nicht in der Lage, bis 67 oder länger zu arbeiten. Der Grund aus Sicht des Netzwerks: Körperliche Arbeitsbelastung und Arbeitsstress. Auf die Frage nämlich, was getan werden müsste, damit die Befragten länger arbeiten wollen, lauteten die Hauptantworten: „weniger körperliche Belastung und weniger Stress“ (40 Prozent) sowie „mehr Flexibilität bezüglich der Arbeitszeit“ (34 Prozent).

Bei Arbeitern fühlen sich sogar über 90 Prozent nicht in der Lage, bis 67 oder länger zu arbeiten. Hier sprechen sich zudem 52 Prozent für eine Reduzierung der körperlichen Arbeitsbelastung und des Stresses aus, damit sie länger arbeiten können.

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Sogar die alte „Rente mit 65“ wäre für viele Umfrageteilnehmer ein Problem: 52 Prozent aller Befragten meinen, nicht in der Lage zu sein, bis 65 zu arbeiten. Eine längere Lebensarbeitszeit – für solche Menschen eher eine Bedrohung denn eine Verheißung.

Viele glauben zugleich: Die Regelalters-Rente reiche nicht aus

Dass die Wünsche aber keinesfalls einer unrealistischen Vorstellung von der Rentenhöhe geschuldet sind, zeigen Antworten auf eine weitere Frage. Denn mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer meint, das Geld aus der Rente reiche im Alter nicht aus – selbst dann nicht, wenn die Befragten regulär in Rente gehen würden anstatt verfrüht.

Der Anteil der Arbeiter, die derart antworten, ist sogar mit 75 Prozent besonders hoch. Bei leitenden Angestellten hingegen glauben nur 42 Prozent, die Rente würde nicht ausreichen. Am optimistischsten schätzen Beamte ihre Situation ein – hier meinen nur 30 Prozent der Befragten, die Rente reiche später nicht aus.

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Experten: Deutschland ist auf den demographischen Wandel nicht vorbereitet

Wie aber ist der negative Befund zu deuten, dass viele zwar spätere Renten als finanziell unzureichend bewerten, zugleich aber die höheren Regelaltersgrenzen fürchten? Die Macher der Studie verweisen auf Arbeitsbedingungen: Wolle man Menschen länger im Erwerbsleben halten, müssten Arbeitsbedingungen vielerorts verbessert werden. Nach Untersuchungen der Bergischen Universität Wuppertal würde noch jeder dritte Babyboomer in Deutschland schlechte Arbeit haben. Deswegen bräuchte es tragfähige Konzepte und Initiativen, um die Zukunft der Arbeit neu zu gestalten und für Ältere attraktiver zu machen.

Verschiedene Renteneintrittsalter empfohlen – je nach Arbeitstätigkeit

Zudem empfehlen die Experten bei Präsentation der Ergebnisse eine differenzierte Regelung des Renteneintrittsalters – und zwar nicht nach individueller Wahl wie in Schweden mit hohen Abschlägen, sondern nach Arbeitstätigkeit. Gäbe es doch Gruppen, für die eine Regelaltersgrenze von 68 Jahren oder darüber durchaus zumutbar wäre – ein Viertel der befragten Akademiker hält sich zum Beispiel für fit genug, auch länger als bis zum Alter von 69 Jahren zu arbeiten. Für andere Gruppen hingegen ist bereits die heutige Regelaltersgrenze von 66/67 Jahren unzumutbar. Eine Pressemeldung zur Studie ist auf der Webseite des Netzwerks verfügbar.

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