Versicherungsbote: Die EU plant ein Pan-European Personal Pension Product (PEPP) als kostengünstige und grenzüberschreitende Privatrente. Können Sie kurz erklären, wie diese Rente – Stand jetzt – funktionieren soll?

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Til Klein: Die Europarente oder das Pan-European Personal Pension Product ist eine freiwillige private Altersvorsorge, die den Verbraucher:innen eine neue europaweite Möglichkeit zum Sparen für den Ruhestand bietet. Damit wird erstmals ein europäischer Binnenmarkt für private Altersvorsorge geschaffen. Versicherungen, Banken und Vermögensverwalter können die Ein- und Auszahlungsoptionen, Anlagestrategie und Sicherheiten sehr flexibel gestalten. Die PEPP-Regulierung definiert dafür Mindestanforderungen an Transparenz, grenzüberschreitende Übertragbarkeit und Wechselmöglichkeiten. Mit der Europarente hat die EU ein wirklich zeitgemäßes Altersvorsorgeprodukt geschaffen, das ganz neue Maßstäbe beim Verbraucherschutz setzt und einheitliche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter:innen schafft.

Warum ist es aus Sicht der EU notwendig, ein solches Standard-Altersvorsorge-Produkt einzuführen? Schon jetzt gibt es doch europaweit viele Angebote zur privaten Altersvorsorge. Ist sie auch ein notwendiges Korrektiv?

Eine Altersvorsorge für international mobile Menschen gibt es heute noch nicht. Als europäische Lösung soll die private Altersvorsorge künftig grenzüberschreitend funktionieren. Menschen, die im europäischen Ausland leben oder arbeiten, können zukünftig ihre Altersvorsorge einfach mitnehmen. Zudem gibt es in einigen EU-Ländern, vor allem in Osteuropa, noch keinen Rahmen für eine strukturierte private Altersvorsorge, hier füllt die Europarente eine Lücke. Aber auch für Länder wie Deutschland, mit erheblichen Reformbedarf bei der privaten Altersvorsorge, kann die die Europarente eine zeitgemässe Lösung oder zumindest eine Benchmark sein.

Wenn ich richtig informiert bin, lässt der Gesetzgeber den Anbietern beim Thema Garantien recht freie Hand. Können Sie Beispiele nennen, welche Art von Garantien bzw. Sicherheiten die Produkte dennoch bieten müssen? Speziell deutsche Anleger gelten als eher sicherheitsorientiert.

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Wenn es um die Altersvorsorge geht, haben die meisten Menschen ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Für acht von zehn Deutschen ist nach Angaben einer INSA-Meinungsumfrage die Sicherheit der eingezahlten Beiträge zentral. Doch die klassische Garantie hat sich in der Niedrigzinsphase als Bumerang erwiesen. Am Ende wird den Verbraucher:innen meist weniger statt mehr Rente ausgezahlt.
Bei der Europarente wird es weiterhin einen Schutz des eingezahlten Kapitals geben. Dabei sind neben klassischen Garantien auch explizit alternative Ansätze zur Kapitalabsicherung vorgesehen, bei deutlich niedrigeren Kosten. Zum einen sind Puffer-Modelle wie bei Vantik vorgesehen, bei denen ein kollektiver Puffer als Absicherung gegen Verluste aufgebaut wird. Zum anderen sind Lebenszyklusmodelle vorgesehen, bei denen das Risiko reduziert wird, je näher der Rentenzeitpunkt kommt. Damit wird endlich ein gesetzlicher Rahmen für alternative Instrumente zur Kapitalabsicherung in der privaten Altersvorsorge geschaffen.

„Riester-Rente ist nicht mehr zeitgemäß“

Eine sogenannte Basis-PEPP-Variante ist angedacht, bei der die Kosten gedeckelt werden sollen: Verwaltungskosten und Provisionen sollen in Summe nicht mehr als ein Prozent der Beiträge eines Jahres betragen dürfen. Was macht Sie zuversichtlich, dass deutsche Versicherer hier geeignete Produkte anbieten können? Es kam bereits Kritik aus Branchenkreisen, dass Altersvorsorge beratungsintensiv sei und beworben werden müsse, was eben Kosten erzeugt.

In Deutschland wird seit Jahren über ein Standardprodukt für die private Altersvorsorge diskutiert. Auch die GroKo hat sich im Koalitionsvertrag eine “zügige Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts” vorgenommen. Passiert ist bisher jedoch nichts. Mit der Europarente kommt jetzt endlich ein einfaches, erschwingliches und sicheres Standardprodukt. Alle Anbieter:innen der Europarente sind verpflichtet, ein sogenanntes Basis-PEPP bereitzustellen.
Auch wenn das Standardprodukt nicht für alle Verbraucher:innen die beste Lösung sein wird, müssen sich alle Angebote hinsichtlich Preis und Leistung daran messen lassen. Wer mehr möchte, wird auch mehr zahlen müssen. Zusatzleistungen wie eine persönliche Beratung oder eine weitergehende Absicherung haben ihren Preis. Durch das Standardprodukt wird der Preis für solchen Zusatzleistungen transparent. Verbraucher:innen können dadurch entscheiden, ob und wie viel ihnen solche Zusatzleistungen wert sind. Anbieter:innen, die ihren Kund:innen einen wirklichen Mehrwert liefern, müssen das Standardprodukt nicht fürchten.

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Bei dem angedachten Kostendeckel müssten Basis-PEPP-Verträge folglich so gestaltet sein, dass sie weniger Beratung verlangen. Was ist konkret angedacht, damit diese Verträge auch für Laien einfach zu verstehen sind bzw. weniger beratungsintensiv vermittelt werden können?

Im Gegenteil. Die Anforderungen an die Beratung – auch für das Standardprodukt – sind deutlich höher, als wir dies heute in Deutschland kennen. Diese zu erfüllen, mit und ohne Kostendeckel, wird zukünftig nur durch den Einsatz digitaler Technologien möglich sein. Es ist zu hoffen, dass die Anbieter:innen das durch Covid-19 entstandene Momentum nutzen, um die Themen “digitale Beratung” und “Selbstberatung” endlich ernsthaft voranzutreiben. Eine wichtige Voraussetzung für eine umfängliche digitale Beratung wäre dabei die Bereitstellung einer einheitlichen digitalen Renteninformation, wie sie in vielen EU-Ländern bereits Standard ist. Eine aktuelle Studie von Oliver Wyman bestätigt, dass es ein großes Potenzial beim Thema Vertriebsplattformen und Digitalisierung gibt. Damit würde auch gerade für jüngere Kund:innen die Eintrittsbarriere für die eigene Altersvorsorge deutlich gesenkt.

PEPP wird auch in Konkurrenz zur Riester-Rente treten. Aus Ihrer Sicht eine notwendige Ergänzung – oder könnte die Europarente gar den Todesstoß für Riester bedeuten?

Angesichts von Niedrigzinsen und einer veränderten Arbeitswelt ist die Riester-Rente nicht mehr zeitgemäß. Viel zu kompliziert, bürokratisch, teuer und unattraktiv. Parteiübergreifend herrscht der Konsens, dass die private Altersvorsorge in Deutschland einer grundlegenden Reform bedarf. Trotzdem wurde die dringend nötige Reform auf die nächste Legislaturperiode verschoben – also auf Kosten der Verbraucher.
Für Deutschland ist die Europarente eine riesige Chance, endlich einen Rahmen für eine moderne private Altersvorsorge zu schaffen. Mit anderen Worten: Die Europarente steht nicht in Konkurrenz zur Riester-Rente, sondern ist eine mögliche Antwort auf das Ende der Riester-Rente.

Ist es denkbar, dass PEPP-Produkte – ähnlich wie Riester – staatlich gefördert werden? Wäre das aus Ihrer Sicht wünschenswert?

Nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig. Während die PEPP-Verordnung direkt in allen Ländern der EU in Kraft tritt, muss die steuerliche Behandlung jeweils durch die Mitgliedstaaten geregelt werden. Die Europäische Kommission empfiehlt jedoch allen EU-Mitgliedsstaaten eine bevorzugte steuerliche Behandlung von PEPP-Produkten. Ausgestaltet in dem Maße, wie sie ähnlichen nationalen Vorsorgeprodukten bereits zugutekommt. Es ist zu hoffen, dass die Europarente gegenüber anderen Produkten steuerlich nicht benachteiligt wird und mindestens die gleichen Steuervorteile wie aktuell für die Riester- und Rürup-Rente gelten. Dass die jetzige Bundesregierung es versäumt hat, die steuerliche Behandlung der Europarente nicht mehr auf den Weg zu bringen, sehe ich als grob fahrlässig.

Ein Grund für die Einführung von PEPP: Die Renten sollen mit ins europäische Ausland genommen und weiter bespart werden dürfen, wenn man dorthin wechselt. Nun sind aber viele Versicherer und Altersvorsorge-Anbieter gar nicht in allen europäischen Staaten präsent, manche – wie die Sparkassen – sehr regional verankert. Sind hier Probleme bei der Umsetzung zu erwarten – oder sind solche Sorgen unbegründet?

Bisher wird der Altersvorsorgemarkt von internationalen Versicherungskonzernen dominiert, die in den meisten europäischen Ländern aktiv sind. Mit der Europarente werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter geschaffen. Zum einen bietet sie die Chance für Banken und Vermögensverwaltungen, in diesen attraktiven Markt einzusteigen. Zum anderen bietet sie eine Chance für neue innovative Anbieter. Mit einem erwarteten Marktvolumen von über zwei Billionen EUR bis 2030 bietet der europäische Markt viel Potenzial. Regionale Anbieter ohne europäische Ambitionen können aber auch davon profitieren, indem sie mit anderen Anbietern kooperieren.

Europarente: Altersvorsorgelösung auf dem Silbertablett

PEPP böte die Option, die Anbieter auf nachhaltige Geldanlagen zu verpflichten: vergleichbar vielleicht mit dem norwegischen Staatsfonds, der strenge Ausschlusskriterien für bestimmte Investments definiert. Spielte das Thema Nachhaltigkeit bei der Planung eine Rolle – und wurden hier entsprechende Vorgaben umgesetzt?

Leider ist bisher nur eine Kennzeichnung vorgesehen, ob und in welchem Umfang Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Derzeit werden die PEPP-Produktanbieter aber nur ermutigt, bei ihren Investitionen Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Ob und wie bei der Geldanlage sogenannte ESG-Kriterien berücksichtigt werden, wird sich zeigen.
Die EU-Kommission hat den Europäischen Green Deal proklamiert, um Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Ein Kernstück des Plans ist der Europäische “Green Deal”-Investitionsplan, mit dem im nächsten Jahrzehnt mindestens eine Billion Euro für nachhaltige Investitionen in der EU bereitgestellt werden. Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien für die Europarente wäre ein großer Schritt in Richtung dieses Ziels, immerhin erwartet die EU-Kommission, dass der Markt für private Altersvorsorge bis 2030 von heute 1,4 Billionen Euro auf 2,1 Billionen Euro wächst.

Mit Ihrem FinTech Vantik bieten Sie die Möglichkeit, beim Shopping Cashback fürs Fondssparen zu nutzen. Können Sie auch PEPP-Produkte anbieten? Werden Sie es tun?

Die Europarente schafft erstmals einen einheitlichen Binnenmarkt für private Altersvorsorge mit gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter. Das ist eine große Chance für neue innovative Modelle und Anbieter wie Vantik. Momentan konzentrieren wir uns auf die Weiterentwicklung der Vantikcard im Heimatmarkt. Mit der Vantikcard können unsere Kunden ihre Altersvorsorge ganz einfach starten und mühelos in ihren Alltag integrieren. Mit der kostenlosen Mastercard kann man überall bezahlen und bekommt auf jede Zahlung ein Prozent Cashback für die Altersvorsorge.

Welche politischen Reformen müssten aus Ihrer Sicht als Start-up-Gründer und Altersvorsorge-Experte angeschoben werden, um Deutschland zukunftsfest zu machen?

Es wird viel über die gesetzliche Rente gesprochen. Viel kritischer ist aber die Krise der privaten Altersvorsorge. Bisher gibt es für die meisten Menschen keine vernünftige Alternative zu Lebensversicherung und Riester. Damit werden Millionen von Menschen ohne eine Vorsorgelösung im Regen stehen gelassen.
Die zeitnahe Umsetzung der digitalen Renteninformation, die Einführung eines Standardprodukts als Benchmark und der Abbau von bürokratischen Hürden sind längst überfällig. Angesichts von Niedrigzinsen ist Öffnung für Aktien alternativlos, um eine vernünftige Rendite über dem Inflationsniveau zu erzielen. Um das Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen, braucht es außerdem dringend alternative Modelle zum Kapitalerhalt statt unbezahlbarer Garantien. Zudem verlangen zunehmend diversere Erwerbshistorien und Lebensläufe eine flexiblere private Vorsorge. Was wir übrigens nicht brauchen, ist eine zweite staatliche Zwangsrente. Die Menschen brauchen keine Bevormundung, sondern eine Befähigung.
Die alte Bundesregierung hat sich zum Thema private Altersvorsorge bereits wenig vorgenommen, aber nicht mal diese Ziele erreicht. Es ist zu hoffe, dass die neue Bundesregierung nicht genauso unverantwortlich handelt. Übrigens: Die deutsche Politik bekommt mit der Europarente eine zeitgemäße Lösung für die private Altersvorsorge auf dem Silbertablett serviert.

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Hinweis: Dieser Text erschien zuerst im Sonderheft Altersvorsorge.

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