In Deutschland wird seit Jahren über ein Standardprodukt für die private Altersvorsorge diskutiert. Auch die GroKo hat sich im Koalitionsvertrag eine “zügige Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts” vorgenommen. Passiert ist bisher jedoch nichts. Mit der Europarente kommt jetzt endlich ein einfaches, erschwingliches und sicheres Standardprodukt. Alle Anbieter:innen der Europarente sind verpflichtet, ein sogenanntes Basis-PEPP bereitzustellen.
Auch wenn das Standardprodukt nicht für alle Verbraucher:innen die beste Lösung sein wird, müssen sich alle Angebote hinsichtlich Preis und Leistung daran messen lassen. Wer mehr möchte, wird auch mehr zahlen müssen. Zusatzleistungen wie eine persönliche Beratung oder eine weitergehende Absicherung haben ihren Preis. Durch das Standardprodukt wird der Preis für solchen Zusatzleistungen transparent. Verbraucher:innen können dadurch entscheiden, ob und wie viel ihnen solche Zusatzleistungen wert sind. Anbieter:innen, die ihren Kund:innen einen wirklichen Mehrwert liefern, müssen das Standardprodukt nicht fürchten.

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Bei dem angedachten Kostendeckel müssten Basis-PEPP-Verträge folglich so gestaltet sein, dass sie weniger Beratung verlangen. Was ist konkret angedacht, damit diese Verträge auch für Laien einfach zu verstehen sind bzw. weniger beratungsintensiv vermittelt werden können?

Im Gegenteil. Die Anforderungen an die Beratung – auch für das Standardprodukt – sind deutlich höher, als wir dies heute in Deutschland kennen. Diese zu erfüllen, mit und ohne Kostendeckel, wird zukünftig nur durch den Einsatz digitaler Technologien möglich sein. Es ist zu hoffen, dass die Anbieter:innen das durch Covid-19 entstandene Momentum nutzen, um die Themen “digitale Beratung” und “Selbstberatung” endlich ernsthaft voranzutreiben. Eine wichtige Voraussetzung für eine umfängliche digitale Beratung wäre dabei die Bereitstellung einer einheitlichen digitalen Renteninformation, wie sie in vielen EU-Ländern bereits Standard ist. Eine aktuelle Studie von Oliver Wyman bestätigt, dass es ein großes Potenzial beim Thema Vertriebsplattformen und Digitalisierung gibt. Damit würde auch gerade für jüngere Kund:innen die Eintrittsbarriere für die eigene Altersvorsorge deutlich gesenkt.

PEPP wird auch in Konkurrenz zur Riester-Rente treten. Aus Ihrer Sicht eine notwendige Ergänzung – oder könnte die Europarente gar den Todesstoß für Riester bedeuten?

Angesichts von Niedrigzinsen und einer veränderten Arbeitswelt ist die Riester-Rente nicht mehr zeitgemäß. Viel zu kompliziert, bürokratisch, teuer und unattraktiv. Parteiübergreifend herrscht der Konsens, dass die private Altersvorsorge in Deutschland einer grundlegenden Reform bedarf. Trotzdem wurde die dringend nötige Reform auf die nächste Legislaturperiode verschoben – also auf Kosten der Verbraucher.
Für Deutschland ist die Europarente eine riesige Chance, endlich einen Rahmen für eine moderne private Altersvorsorge zu schaffen. Mit anderen Worten: Die Europarente steht nicht in Konkurrenz zur Riester-Rente, sondern ist eine mögliche Antwort auf das Ende der Riester-Rente.

Ist es denkbar, dass PEPP-Produkte – ähnlich wie Riester – staatlich gefördert werden? Wäre das aus Ihrer Sicht wünschenswert?

Nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig. Während die PEPP-Verordnung direkt in allen Ländern der EU in Kraft tritt, muss die steuerliche Behandlung jeweils durch die Mitgliedstaaten geregelt werden. Die Europäische Kommission empfiehlt jedoch allen EU-Mitgliedsstaaten eine bevorzugte steuerliche Behandlung von PEPP-Produkten. Ausgestaltet in dem Maße, wie sie ähnlichen nationalen Vorsorgeprodukten bereits zugutekommt. Es ist zu hoffen, dass die Europarente gegenüber anderen Produkten steuerlich nicht benachteiligt wird und mindestens die gleichen Steuervorteile wie aktuell für die Riester- und Rürup-Rente gelten. Dass die jetzige Bundesregierung es versäumt hat, die steuerliche Behandlung der Europarente nicht mehr auf den Weg zu bringen, sehe ich als grob fahrlässig.

Ein Grund für die Einführung von PEPP: Die Renten sollen mit ins europäische Ausland genommen und weiter bespart werden dürfen, wenn man dorthin wechselt. Nun sind aber viele Versicherer und Altersvorsorge-Anbieter gar nicht in allen europäischen Staaten präsent, manche – wie die Sparkassen – sehr regional verankert. Sind hier Probleme bei der Umsetzung zu erwarten – oder sind solche Sorgen unbegründet?

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Bisher wird der Altersvorsorgemarkt von internationalen Versicherungskonzernen dominiert, die in den meisten europäischen Ländern aktiv sind. Mit der Europarente werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter geschaffen. Zum einen bietet sie die Chance für Banken und Vermögensverwaltungen, in diesen attraktiven Markt einzusteigen. Zum anderen bietet sie eine Chance für neue innovative Anbieter. Mit einem erwarteten Marktvolumen von über zwei Billionen EUR bis 2030 bietet der europäische Markt viel Potenzial. Regionale Anbieter ohne europäische Ambitionen können aber auch davon profitieren, indem sie mit anderen Anbietern kooperieren.

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