Die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung können begrenzt werden, wenn man auch die privat Krankenversicherten hineinzwingt: denn dort sind die jungen und gesunden Gutverdiener mit niedrigen Krankheitskosten versichert. So besagt es ein oft gehörtes Klischee. Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, vollständig von den Arbeitgebern finanziert, zeigt nun aber, dass es so einfach doch nicht ist.

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Die Rheinstädter haben in Modellszenarien durchgerechnet, wie es sich auswirken würde, wenn man die privat Krankenversicherten ebenfalls in das gesetzliche Solidarsystem überführt. Und tatsächlich wäre der Effekt für die gesetzlichen Beitragszahler zunächst positiv. Wendet man die GKV-Regeln auf die gesamte Bevölkerung an, so ließe sich der Beitragssatz um 0,8 bis 1,0 Prozentpunkte senken.

Das wäre aber nur ein kurzfristiger Effekt, mahnen die Studienmacher. „Denn Treiber wie die Bevölkerungsalterung, der medizinisch-technische Fortschritt sowie institutionell bedingte Fehlanreize wirken unverändert fort“, wie es in der Studie heißt. Deshalb würde der Beitragssatz bereits nach rund sechs Jahren wieder das Ausgangsniveau erreichen – Tendenz weiter steigend.

Anteil Nettozahler stiege in Bürgerversicherung nur gering

Die Ausgaben würden auch deshalb hoch bleiben, weil der Anteil der Nettozahler nur leicht stiege: Jene Menschen also, die mehr in das Solidarsystem einzahlen, als es ihren alters- und geschlechtsabhängigen Durchschnittsausgaben für Gesundheitsleistungen entspricht. Nach Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zahlten im Jahr 2018 39,1 Prozent der gesetzlich Versicherten mehr an Beitrag, als es ihren alters- und geschlechtsspezifischen Durchschnittsausgaben entspricht. Im Umkehrschluss profitieren nach Interpretation des IW Köln 60,9 Prozent der Versicherten von solidarischen Umverteilungen.

Doch selbst unter Annahme einer günstigen Risikostruktur würde sich der Anteil der Nettozahler eines Solidarbeitrags „nur“ auf 41,3 Prozent erhöhen, wenn die privat Vollversicherten und Beihilfeberechtigten in das GKV-System überführt werden. Zu bedenken ist hier auch, dass mehr Menschen die Familienversicherung in Anspruch nehmen würden, also andere Familienmitglieder beitragsfrei mitversichern, während in der PKV jedes versicherte Familienmitglied einen eigenen Beitrag zahlt.

Keine Entlastung durch PKV-Altersstruktur zu erwarten

Dass in der privaten Krankenvollversicherung keineswegs die „guten Risiken“ überwiegen, zeigt auch ein Blick auf die Altersstruktur. Denn dass in der PKV überwiegend junge und gesunde Gutverdiener organisiert sind, entpuppt sich als Klischee. Im Gegenteil: in den Altersgruppen bis 45 Jahren sind sogar die gesetzlich Versicherten im Vorteil: hier ist bei den Krankenkassen der Anteil jüngerer Versicherter höher als in der PKV. Ein Grund ist die Versicherungspflichtgrenze. Weil Beschäftigte ein vergleichsweise hohes Einkommen nachweisen müssen, um sich privat zu versichern, wechseln sie oft erst in die private Vollversicherung, wenn sie sich erfolgreich im Beruf behauptet haben. In der PKV sind hingegen stark rentennahe Jahrgänge vertreten sowie die Altersgruppen zwischen 65 und 80 Jahren (siehe Grafik).

Altersstruktur der GKV- und PKV-Versicherten Anteil der Versicherten im Jahr 2018, in ProzentDaten: http://dl.iwkoeln.de/index.php/s/Ai3tPECXHZNHbzg Quellen: SOEP v35; IW Köln

Auch in einer Bürgerversicherung würde es -nach den jetzigen Bedingungen- vor allem auf dem Rücken der jüngeren Generationen ruhen, die gesetzliche Krankenversicherung zu finanzieren, schlussfolgert das IW Köln. Sie müssten immer höhere Beitragssätze und Solidarlasten schultern. „Damit gerät das Solidaritätsprinzip selbst unter Rechtfertigungsdruck“, warnen die Autoren der Studie.

Der Lösungsvorschlag des IW Köln ist wenig populär: Die Autoren schlagen vor, den Leistungen im umlagefinanzierten System zusammenzustreichen bzw. zu deckeln. Stattdessen soll das System um „kapitalgedeckte Finanzierungselemente“ ergänzt werden. Leistungen müssten dann von den gesetzlich Versicherten entweder vermehrt selbst bezahlt werden - oder über extra Versicherungen abgedeckt. Ein Lösungsvorschlag, von dem auch die Arbeitgeber und privaten Versicherer profitieren würden.

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Die 71seitige Analyse kann als pdf-Dokument auf der Webseite des IW Köln heruntergeladen werden.

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