Eine Meldung der Verbraucherzentrale Hamburg wurde in der letzen Woche von vielen Medien aufgegriffen. Die Überschrift warb mit dem Rat: „So können Ruheständler ihre Beiträge senken“. Freilich war für einige Leser der Tipp dann ernüchternd: Ist man freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert, solle man einen Antrag auf Überprüfung des Versicherungsstatus stellen – und prüfen lassen, ob die Kinder bereits angerechnet wurden für eine günstige Pflichtversicherung in der KVdR. Versicherungsbote macht mit dem komplexen Thema bekannt.

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9/10-Klausel als Hürde zur Pflichtversicherung

Drei Möglichkeiten gibt es für Rentnerinnen und Rentner, sich im Ruhestand krankenversichern zu lassen: Durch eine Pflichtmitgliedschaft in der KVdR, durch eine freiwillige Mitgliedschaft in der KVdR oder durch eine private Krankenversicherung (PKV).

Für die günstige Pflichtversicherung in der KVdR aber hat der Gesetzgeber eine hohe Hürde gesetzt – die sogenannte „9/10-Klausel“ aus Paragraf 5 Abs. 1 Satz 1 Punkt 11 des 5. Sozialgesetzbuches (SGB V). Laut SGB V wird eine sogenannte „Vorversicherungszeit“ zur Bedingung gemacht: Die Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Rentenantragstellung mindestens 9/10 der zweiten Hälfte dieses Zeitraums eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestand.

Unrelevant ist hierfür, ob man in der Vorversicherungszeit pflichtversichert oder freiwillig versichert war oder über eine Familienversicherung. Wer die „9/10-Klausel“ allerdings nicht erfüllt, dem ist der Weg in die Pflichtversicherung verbaut – er kann sich nur freiwillig in der KVdR versichern lassen.

Die Überprüfung des KVdR-Status leistet die gesetzliche Krankenkasse, bei der ein Ruheständler versichert ist. Denn die KVdR darf nicht als übergeordnete gesetzliche Krankenkasse missverstanden werden. KVdR-Mitglieder bleiben zusätzlich zu ihrem KVdR-Status zugleich Mitglieder ihrer gesetzlichen Krankenkasse.

Seit 2017: Drei Jahre Vorversicherungszeit für jedes Kind

Weil Pflichtversicherte in der KVdR auf verschiedene Einkommensarten weniger oder gar keine Beiträge bezahlen müssen, bezog sich der Tipp der Verbraucherschützer auf eine Gesetzreform, die seit August 2017 die Erfüllung der 9/10-Klausel erleichtert: Für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind kann nun eine Zeit von drei Jahren als Vorversicherungszeit geltend gemacht werden. Das nutzt besonders freiwillig Versicherten in der KVdR, die durch diese Regel den Status der Pflichtversicherten erwerben können: Gerade bei mehreren Kindern kann sich die Vorversicherungszeit schnell derart summieren, dass man in der KVdR versicherungspflichtig wird.

Die Pflichtversicherung in der KVdR birgt einige Vorteile, wie ein Vergleich zeigt:

  • Gleich ist zwar die paritätische Aufteilung der Krankenkassenbeiträge für die gesetzliche Rente: Bei pflichtversicherten, aber auch freiwillig versicherten Rentnern in der KVdR wird auf die gesetzliche Rente zunächst der allgemeine Beitragssatz für die Krankenversicherung in Höhe von derzeit 14,6 Prozent fällig. Diesen tragen jeweils zur Hälfte der Rentenversicherungsträger sowie der versicherungspflichtige Rentner. Ebenfalls paritätisch aufgeteilt wird seit dem 01.01.2019 der durch die Krankenkassen erhobene Zusatzbeitrag (durchschnittlich liegt dieser in 2020 bei 1,3 Prozent). Der Höchstbeitrag orientiert sich hierbei an der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Krankenversicherung (derzeit 58.050 Euro im Jahr/ 4.837,50 Euro im Monat).
  • Gleich sind auch Bedingungen für Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung auf die gesetzliche Rente (in Höhe von 3,05 Prozent) sowie – gegebenenfalls – der Kinderlosenzuschlag gemäß Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Höhe von 0,25 Prozent. Ihre Pflegeversicherungsbeiträge tragen Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte allein – auch hier deckelt die KV-Beitragsbemessungsgrenze den Höchstbeitrag.

Freibetrag auf Betriebsrenten: nur für Pflichtversicherte

Bei der Rente vergleichbaren Einnahmen aber gibt es für freiwillig Versicherte den ersten Nachteil. Zwar: 15,7 Prozent KV-Beiträge sowie 3,05 Prozent PV-Beiträge tragen sowohl freiwillig Versicherte als auch Pflichtversicherte hier ganz allein. Aber seit 2020 können Pflichtversicherte in der KVdR einen Freibetrag in Höhe von aktuell 159,25 Euro für ihre Betriebsrenten geltend machen (der allerdings nur für die KV-Beiträge, nicht jedoch für die Pflegeversicherung gilt). Freiwillig Versicherte hingegen haben die Möglichkeit nicht, sich diesen Freibetrag anrechnen zu lassen.

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Pflichtversicherte zahlen auf viele Einkünfte gar keine Beiträge

Der wichtigste Unterschied zwischen Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten aber betrifft Einkünfte aus Mieten, Kapitaleinkünfte oder Privatrenten (zum Beispiel aus einer Lebensversicherung). Denn Pflichtversicherte in der KVdR müssen für diese Einkünfte überhaupt keine KV- oder PV- Beiträge abführen. Hingegen bezahlen freiwillig Versicherte in der KVdR hierauf den ermäßigten Beitragssatz von 14 Prozent sowie den Zusatzbeitrag und bezahlen zudem noch die 3,05 Prozent PV-Beiträge.

Lieber freiwillig oder privat versichern?

Wie groß der Beitragsunterschied zwischen pflichtversicherten Rentnern in der KVdR und freiwillig Versicherten ist, hat Versicherungsbote letztjährig für einen Kommentar errechnet. Zugrunde gelegt wurden folgende Einkünfte eines Rentners:

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  • 1.500 Euro monatliche Rente aus der GRV
  • 250 Euro Betriebsrente
  • 450 Euro Mieteinnahmen
  • 500 Euro Privatrente.

Ein Rentner mit diesen Einkünften – er verdient in der Summe 2.700 Euro – würde als Pflichtversicherter monatliche KV- und PV- Beiträge in Höhe von 185,38 Euro zahlen. Als freiwillig Versicherter würde der Rentner aber bereits 382,81 Euro zahlen. Demnach kann es lohnen, als freiwillig Versicherter den Status prüfen zu lassen, ob zum Beispiel die Anrechnung der Kinder eine günstige Pflichtmitgliedschaft ermöglicht.

Privat versichern lassen oder freiwillig versichern lassen in der KVdR?

Mitunter wird der Kranken - und Pflegeversicherungsschutz in der KVdR sogar teurer als der Basistarif für Ruheständler in der privaten Krankenversicherung. Zwar ist auch hier der Spielraum der Wahl eng, und zwar in beide Richtungen:

  • Zum einen hat der Gesetzgeber mit Paragraf 6 Abs. 3a des Fünften Sozialgesetzbuchs Menschen ab dem Alter von 55 Jahren eine unüberwindbare Hürde gesetzt, wenn sie von der PKV zurück in die GKV wechseln wollen. Denn waren Menschen ab 55 in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert oder waren sie mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder hauptberuflich selbstständig, ist ihnen die Rückkehr in die GKV komplett verbaut.
  • Zum anderen wird man aber keinen älteren Menschen einen Wechsel in die PKV empfehlen, wenn sie lange gesetzlich versichert waren. Schließlich sind dann keine Altersrückstellungen gebildet: Es drohen hohe Preisaufschläge und ungünstige Bedingungen.

Trotzdem sollten privat Versicherte nicht vorschnell in die GKV wechseln unter der Annahme, später weniger Krankenkassenbeiträge im Ruhestand zu zahlen.

Gute Bedingungen für einen Verbleib in der PKV

Denn ein Verbleiben in der PKV kann günstiger sein. Überlegungen hierzu sollten, wie erwähnt, schon vor Beginn des 55. Lebensjahrs getroffen werden. Und selbst im Alter U55 sind Möglichkeiten einer Rückkehr in die GKV begrenzt (Versicherungsbote berichtete).

Aber wie die Rechnungen des Versicherungsboten nahelegen, können Versicherte ihre private Krankenversicherung im Ruhestand zu günstigen Bedingungen fortführen, wenn sie:

  • zugleich Anspruch auf eine gesetzliche Rente haben von ausreichender Höhe (denn diese gesetzliche Rente sichert ihnen einen relevanten Zuschuss auch zu den PKV-Beiträgen) und/ oder
  • sie relevante Einkünfte aus Mieten oder einer privaten Rente oder Kapitaleinkünfte haben (denn als freiwillig Versicherte in der KVdR zahlen sie auf solche Einkünfte hohe Beiträge).

Auch privat Krankenversicherte bekommen KV-Beiträge bezuschusst

Bekommen doch auch PKV-versicherte Ruheständler auf Antrag ihren KV-Beitrag durch den Rentenversicherungsträger bezuschusst, sobald Anspruch auf eine gesetzliche Rente besteht (unter Maßgabe des Paragrafen 106 SGB VI). Der Zuschuss zum PKV-Krankenversicherungsbeitrag orientiert sich – fiktiv und unter Vernachlässigung des Anwartschaftsdeckungsverfahrens in der PKV – an den maßgebenden Beitragssätzen für die gesetzliche Rentenversicherung und beträgt demnach in 2021 rechnerisch 7,95 Prozent der gesetzlichen Rente (allgemeiner GKV-Beitragssatz plus durchschnittlicher Zusatzbeitrag, beides hälftig).

Freilich: Da die Berechnung sich auf den Anspruch aus gesetzlichen Renten bezieht, ist die Höhe dieser Rentenzahlungen, nicht aber der reale PKV-Beitrag maßgebend. Das führt zu folgender Situation:

Profitieren von den Zuschüssen können privat Versicherte, die auch eine hohe gesetzliche Rente beziehen. Die Rentenhöhe sichert eine gute Bezuschussung. Dadurch kann die PKV mitunter billiger sein als die freiwillige Mitgliedschaft in der KVdR: Anhand eines realen PKV- Tarifs berechnete Versicherungsbote zum Beispiel letztjährig Beiträge von 360,07 Euro für einen privat Versicherten, denen Beiträgen in der KVdR in Höhe von 382,81 Euro gegenüberstanden.

Privat versichert kann aber auch teuer werden

Die private Krankenversicherung kann aber auch zum Nachteil werden – und zwar immer dann, wenn

  • keine oder nur geringe Einkünfte aus Mieten oder Kapitalanlagen oder Privatrenten bezogen werden und zudem
  • die gesetzliche Rente sehr klein ist.

Das trifft besonders für Selbstständige zu, die überwiegend privat vorsorgten und nur Anspruch auf eine geringe gesetzliche Rente haben. Die Modellrechnung des Versicherungsboten veranschaulichte das Problem: bekommt zum Beispiel ein privat Versicherter nur 500 Euro gesetzliche Rente, wird auch nur dieser Betrag bezuschusst. Muss er nun Beiträge in Höhe von 696 Euro für seinen privaten Kranken- und Pflegeversicherungsschutz zahlen, erhält er nur 7,95 Prozent von 500 Euro gesetzliche Rente – und damit nur 39,75 Euro.

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Den restlichen Beitrag schultert der Versicherte allein. Bei 1.500 Euro aus der privaten Rente und bei Einkünften der Modellrechnung von insgesamt 2.700 Euro müsste der privat Versicherte dann 840,16 Euro selber zahlen.

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