Die Verbraucherzentrale NRW hat mit Erfolg einen Klauselteil in den Allgemeinen Bedingungen der ARAG-Rechtsschutzversicherung (ARB 2016) angegriffen. Dieser benachteilige die Kundinnen und Kunden unangemessen, wie der Verein am Dienstag per Pressetext mitteilt (Urteil vom 21.03.2021, Aktenzeichen: IV ZR 221/19). Zugleich aber bestätigte der BGH, dass die beanstandete Darlehenswiderrufsklausel des Versicherers grundsätzlich zulässig sei.

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Die Ausgangssituation: Grundsätzlich wollen sich auch Versicherer davor schützen, dass eine potentielle Neukundin bzw. ein Neukunde erst dann den Rechtsschutz-Vertrag abschließt, wenn er schon mitten im Rechtsstreit steckt oder sich ein solcher anbahnt. Deshalb definieren sie Ausschlussklauseln, mit denen das Vorliegen eines Versicherungsfalls auch zeitlich eingeschränkt wird. In der Regel sind rückwirkende Ereignisse ausgeschlossen.

Zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalls: Argumente des Gegners nicht entscheidend

In der angefochtenen Klausel wird bei der zeitlichen Bestimmung des Rechtsschutzfalles unter anderem darauf abgestellt, welche Argumente der Gegner vorträgt. Damit bestehe die Gefahr einer „uferlosen Rückverlagerung“ aufgrund von Aussagen des Gegenpartei, wenn es darum gehe, ob der Versicherer für besagten Rechtsstreit einstehen müsse oder nicht. Nach Ansicht des BGH ist das nicht zulässig, berichtet die Verbraucherzentrale.

Hierbei beriefen sich die Klagenden auf das Prinzip des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalls. Stark vereinfacht: Ob ein Rechtsschutzfall vorliegt, richtet sich demnach nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen. Unerheblich ist hingegen, was der Anspruchsgegner des Versicherten gegen dessen Begehren einwende.

Was das bedeutet, verdeutlicht die Verbraucherzentrale am konkreten Beispiel. So vertritt die Verbraucherzentrale einen Versicherten, der seit 2020 einen Rechtsschutz-Vertrag bei der ARAG abgeschlossen hat. Er will seine vor elf Jahren abgeschlossene Lebensversicherung widerrufen: weil er darauf beharrt, bei Vertragsabschluss die gesetzlich verpflichtende Verbraucherinformation nicht erhalten zu haben. Behaupte nun der Lebensversicherer, dass er er die Verbraucher-Infos entgegen der Darstellung des Kunden ausgehändigt habe, so falle der Eintritt des Versicherungsfalls zeitlich vor den Abschluss der Rechtsschutz-Police. Folglich würde der Versicherungsschutz in diesem Beispiel nicht greifen, wenn die Argumente des Gegners bei der zeitlichen Einordnung des Versicherungsfalles eine Rolle spiele.

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Der BGH habe nun bestätigt, dass der Klauselteil, wonach bei der zeitlichen Einordnung auch die Argumente des Gegners relevant seien, die Versicherungsnehmer benachteilige, so schreibt die Verbraucherzentrale. Eben, weil dieser Passus gegen das Prinzip des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalles verstoße. Auf das Beispiel bezogen: Der Lebensversicherer weigere sich heute, das Widerrufsrecht begründet auf unzureichende Verbraucherinformationen anzuerkennen, der Rechtsschutzfall ergebe sich damit in der Gegenwart. Daher müsse die Rechtsschutzversicherung die rechtlichen Kosten der Auseinandersetzung auch tragen.

Arag: "geringfügiger Änderungsbedarf"

Die Verbraucherzentrale wertet den Rechtsstreit als Erfolg: und argumentiert, dass das Urteil weitreichende Konsequenzen für Versicherungsnehmer habe. “Der BGH hat im Sinne der Versicherten entschieden und stärkt damit die Verbraucherrechte”, erklärt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. “Viele Versicherte können auf der Grundlage dieser Entscheidung bei gleich gelagerten Fällen nun übrigens auch nachträglich noch von der ARAG oder anderen Rechtsschutzversicherungen die Rechtskosten für juristischen Beistand und Gerichtsverfahren erstattet bekommen”.

Die Arag schätzt den Sachverhalt jedoch ein wenig anders ein: und fühlt sich keineswegs als unterlegene Partei. "Der BGH hat am 31.03.2021 über eine Revision der Verbraucherzentrale und eine Anschlussrevision unseres Hauses entschieden und beide Revisionen zurückgewiesen", heißt es in einem Statement des Versicherers. Damit habe sich die Entscheidung des Landgerichtes Düsseldorf (LG) und des OLG Düsseldorf bestätigt: "Wir selbst waren bei der nun durch den BGH bestätigten Entscheidung des LG Düsseldorf nur zu einem kleinen Teil unterlegen". Das rheinländische Gericht urteilte am 25.09.2018 (Az.: 1 O 55/17).

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Es geht um drei Worte

Grundsätzlich habe die Verbraucherzentrale die sogenannte Darlehenswiderrufsklausel moniert: beziehungsweise, wie darin die zeitliche Bestimmung des Versicherungsfalles insgesamt geregelt werde. Damit hatte der Verbraucherverband keinen Erfolg: die beanstandende Klausel sei ausreichend transparent und somit wirksam. In den betreffenden Klauseln müsse die Arag nun lediglich die drei Worte "durch den Gegner" streichen, berichtet der Versicherer gegenüber dem Versicherungsboten. Eben, weil es für das Vorliegen des Versicherungsfalls unerheblich sein müsse, was die Gegenpartei für Argumente vortrage.

Unter anderem findet sich in den Ausschlüssen der ARB auch folgende Formulierung: "Sie haben vor Beginn des Versicherungsschutzes einen Darlehns- oder Versicherungsvertrag geschlossen und üben ein Widerrufs- oder Widerspruchsrecht aus mit der Begründung, bei Abschluss des Darlehns- oder Versicherungsvertrags über das Widerrufs- oder Widerspruchsrecht gar nicht oder nur unzureichend aufgeklärt bzw. belehrt worden zu sein. Das gilt auch dann, wenn Widerruf oder Widerspruch nach Abschluss des Rechtsschutzvertrags erfolgen".

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Die ARAG betont: "Der Versicherungskunde hat uns zum Zwecke der Deckungsprüfung vollständig und wahrheitsgemäß zu informieren. Erfüllt er diese Verpflichtung, wirkt sich die Streichung der drei Worte im Ergebnis praktisch nicht aus". Ob das tatsächlich so ist, werden in konkreten Rechtsstreiten die Gerichte klären müssen: Die Verbraucherzentrale kommt, wie bereits erläutert, zu einer anderen Einschätzung.

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