Die Tierhalterhaftung erlischt auch dann nicht, wenn man mit einer oder mehreren Personen eine Reitbeteiligung vereinbart hat. Auch in diesem Fall ist die Halterin eines Pferdes unter Umständen zu Schadensersatz verpflichtet, wenn eine weitere Person, mit der man ein Nutzungsrecht vereinbart hat, verletzt wird. Dies hat aktuell das Landgericht München mit einem Urteil bestätigt (20 O 2974/19).

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Reiterin gibt Pferd Klaps auf die Kruppe, um Bremse zu vertreiben

Verhandelt wurde vor dem Landgericht der Fall einer Reiterin, die beim Striegeln von einer Stute schwer verletzt wurde. Während des Striegelns schlug die Stute plötzlich aus und verletzte die Reiterin am rechten Knie: Kreuzband und Innenband rissen. Der Ehemann der Verletzten verklagte daraufhin die Pferdehalterin und verlangte ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro.

Doch die Halterin des Pferdes wollte nicht zahlen. Dabei machte sie auch geltend, dass die Verletzte das Austreten des Pferdes selbst mit provoziert hat: Sie gab der Stute einen Klaps auf das Hinterteil bzw. die Kruppe: so nennt man den erhöhten Teil des Pferderückens. Die Frau hatte dem Pferd einen Klaps gegeben, weil sich dort eine Bremse niedergelassen hatte. Hierdurch habe sich das Pferd erschreckt. Die Beklagte hat des Weiteren eingewandt, mit dem Abschluss des Reitbeteiligungs-Vertrags sei ein Haftungsausschluss zwischen ihr und der Reiterin vereinbart worden. Weil die Geschädigte durch den Vertrag die Aufsicht über das Pferd mit übernommen hat, trage sie daher zumindest einen Teil der Verantwortung.

Reitbeteiligung für nicht per se zu Haftungsausschluss der Halterin

Das Landgericht München entschied jedoch zugunsten der verletzten Frau. Es hob hervor, dass eine Reitbeteiligung "per se nicht zu einem Haftungsausschluss für den Halter" führt. Ein nicht ausdrücklich im Vertrag geregelter Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter sei wegen der weitreichenden Konsequenzen nur im Ausnahmefall anzunehmen.

Im konkreten Fall hätten die Parteien explizit vereinbart, dass die Reiterin als Reitbeteiligung in die Haftpflichtversicherung der Pferdehalterin mit aufgenommen werden sollte. Bereits dies spreche klar gegen einen Haftungsausschluss. Zudem sei die Geschädigte per Vertrag verpflichtet worden, eine Unfallversicherung für das Risiko „Reiten“ abzuschließen. Auch das spreche nicht für einen Haftungsausschluss auf Seiten der Pferdehalterin.

Zudem entlastete ein geladener Gutachter die verletzte Frau von dem Vorwurf, der Tritt der Stute sei Folge ihres Fehlverhaltens gewesen: Ohne Klaps auf den Po hätte das Tier nicht getreten. Der Klaps sei nicht mit dem "konkreten Tritt" des Pferdes in Einklang zu bringen. Denn die Stute habe "mit der linken Hintergliedmaße schräg nach vorne getreten“, was keine zu erwartende Reaktion des Tieres auf einen etwaigen Schlag auf die Kruppe sei. Diesem Argument folgte das Gericht.

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Das Urteil des Landgerichts München I ist noch nicht rechtskräftig. Da zwischen den Parteien streitig ist, welche Verletzungen im Einzelnen durch den Tritt des Pferdes verursacht wurden, ist zunächst ein Grundurteil ergangen. Ein Grundurteil bedeutet in diesem Fall, dass die Haftung zunächst dem Grunde nach durch das Gericht festgestellt wird. Dieses Urteil ist sodann im Wege der Berufung angreifbar. Sofern es rechtskräftig wird, folgt darauf das sogenannte Betragsverfahren bezüglich der Höhe des geltend gemachten Schadenersatzes bzw. Schmerzensgelds.

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