Die Versicherungsprämien in der Rückversicherung dürften sich künftig verteuern. Davor warnt aktuell die Munich Re, weltweit Nummer eins der Branche, in einem Pressetext. Grund sind unter anderem Schäden durch die Coronakrise, die im Milliarden-Bereich liegen: ohne, dass die genauen Kosten absehbar seien. Aber auch das anhaltende Niedrigzins-Umfeld und ein sich verändertes Marktfeld dürften die Deckungen verteuern.

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Bisher sorgte Preiskampf für niedrige Prämien

Damit dürfte in der Branche eine Trendumkehr stattfinden. Jahrelang seien die Preise für Rückversicherungs-Schutz stabil geblieben oder gar gesunken, die Vertragsbedingungen zudem sehr vorteilhaft für Kunden gestaltet gewesen, wie aus dem Pressetext hervorgeht. Dafür nennen die Münchener mehrere Gründe. So habe es in Europa vergleichsweise wenige Großschäden in europäischen Ländern gegeben. Aber auch Überkapazitäten auf dem Markt werden als Grund genannt: etwa durch marktfremde Anbieter wie Hedgefonds, Banken oder andere institutionelle Anleger, die Risiken übernommen haben, zum Beispiel über Versicherungsderivate. Das erhöhte die Zahl der Angebote.

Doris Höpke, verantwortliche Vorständin von Munich Re für Europa und Lateinamerika.Munich ReDoch alternative Anbieter ziehen sich infolge der Corona-Schäden zurück: Und die Pandemie trägt auch dazu bei, dass die Zinsen im Keller bleiben werden. Im Kontext der Corona-Krise verfestige sich die Aussicht, dass das heutige Zinsumfeld auch die absehbare Zukunft risikoarmer Kapitalanlagen prägen wird, schreibt Munich Re. Das sind keine guten Nachrichten für jene, die ihr versicherungstechnisches Risiko über eine Rückversicherung mindern wollen - oder gar darauf angewiesen sind. Denn auch auf lange Sicht können die Rückversicherer nur nachhaltig wirtschaften, wenn sie angemessene Preise für die übernommenen Risiken erzielen: mit anderen Worten die Prämien anheben.

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“Die Zinsen werden auf absehbare Zeit niedrig bleiben. Erträge für Versicherer müssen daher auch im Longtail-Geschäft aus der Risikoübernahme selbst kommen. Sich auf Zinserträge oder gar das Ausbleiben statistisch zu erwartender Schäden zu verlassen, ist keine geeignete Grundlage für eine nachhaltige Übernahme großer Risiken“, sagt Doris Höpke, im Vorstand von Munich Re für Europa und Lateinamerika zuständig. Man werde „daher in besonderem Maße auf solides Underwriting sowie angemessene Preise und Bedingungen“ achten, um Kunden „langfristig und verlässlich mit unserer finanziellen Kapazität ebenso wie mit unserem Risikowissen [zu] unterstützen“.

...sehr seltene, aber teure Risiken einkalkulieren

In einer Präsentation nennt Munich-Vorständin Doris Höpke Beispiele, in welchen Bereichen die Versicherer besonders hohe Kosten durch die Corona-Pandemie haben. Der eingeschränkte Reise- und Flugverkehr verursacht teure Schäden, aber auch abgesagte Veranstaltungen, Betriebsunterbrechungen oder D&O-Versicherungen, weil bei Insolvenzen die Manager und Firmenlenker zunehmend persönlich haftbar gemacht werden. Handelskredite und Ausfälle in der Lieferkette erzeugen der Branche ebenfalls sehr hohe Schäden.

Von einem Großereignis sind die Münchener besonders betroffen: Am 24. Juli 2020 sollten in Tokio die Olympischen Sommerspiele beginnen, die Munich Re hat den Ausfall mit abgesichert. Allein hier droht der Gruppe ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe, so hat Firmenchef Joachim Wenning in einem Interview bereits eingeräumt.

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Wie hoch die direkten Corona-Schäden für die Versicherungswirtschaft insgesamt sein werden, lässt sich noch nicht annähernd abschätzen: kein Wunder, ist die Pandemie doch noch nicht überstanden. Doch auch zu dieser Frage präsentiert Höpke Zahlen, die allerdings eine weite Spanne zulassen. So haben in einer Studie die Analysten mehrerer Banken und Vermögensverwalter, darunter Berenberg, die Bank of America und Goldman Sachs, den weltweiten Schadenkosten auf 30 bis 107 Milliarden Dollar geschätzt: allein in der Sachversicherung.

Systemische und seltene Risiken stärker berücksichtigen

Neben den direkten Folgen hat Corona aber auch indirekte: Das betrifft auch die Rückversicherung. „Das Ausmaß der Corona-Pandemie ruft in Erinnerung, dass bekannte Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, aber enormem Schadenpotenzial im Risikomanagement und der Risikobewertung nicht vernachlässigt werden dürfen“, heißt es hierzu auf der Webseite des Versicherers. Das gelte umso mehr bei Risiken mit steigendem Trend. Stichwort: Klimawandel.

Mit anderen Worten: Die Rückversicherer werden bei ihrer Prämienkalkulation vermehrt darauf achten, mögliche, aber höchst unwahrscheinliche Ereignisse mit einzupreisen, sofern sie nicht in den Bedingungen ausgeschlossen oder die Summen gedeckelt werden. Auch das dürfte die Beiträge erhöhen.

Es müsse darüber hinaus das Bewusstsein für das enorme Schadenpotential systemischer Risiken geschärft werden, heißt es weiter: auch hier sind Klimaschäden wie anhaltende Trockenheit ein Beispiel. Oder, dass 800 Millionen Menschen in Städten leben, die in der Zukunft vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Das könnte vermehrt zu Ausschlüssen führen, denn die Munich Re schreibt: „Risiken, für die das der Versicherung zugrundeliegende Prinzip der regionalen und zeitlichen Diversifikation nicht gilt, sind [...] ihrer Natur nach nicht versicherbar.“

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Zugleich biete die Coronakrise aber auch Chancen für die Branche. Ein Beispiel: Das Bewusstsein, vermehrt Cyberrisiken abzusichern, sei bei Unternehmen durch die vermehrte Arbeit im Homeoffice gestiegen. Denn vielfach seien die Firmen - teils erfolgreichen - Hacker-Angriffen ausgesetzt gewesen. Allein im März zählte der Datenanbieter Carbonblack einen Anstieg der Attacken um 148 Prozent.

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