Messebetreiber erleben nicht erst seit diesem Jahr turbulente Zeiten. Schon vor genau einem Jahr – lange vor Corona – habe ich mich an dieser Stelle mit der Zukunft der Messe auseinandergesetzt. Damals war der Hintergrund ein anderer (Aus für die Cebit, Besucherschwund auf der IAA), aber die Trends schon so ähnlich, dass sich ein kurzes Zitat lohnt:

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„Die Gründe für den Krisenzustand der Messen sind schnell aufgezählt. ‚In persona‘ wird zunehmend weniger wichtig. Wer sich über Produkte informieren will, braucht heute keine Messe mehr. Einfach googeln reicht. Auch für die Kontaktpflege ist das nicht mehr nötig. Dafür gibt es Smartphone und Videokonferenzen.“

Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Von Corona konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nichts ahnen, aber einmal mehr scheint die Krise bestehende Trends zu verstärken. Es ist nicht allerdings mitnichten so gekommen, dass eine „physische Messe“ 2020 nicht mehr gebraucht wird—vielmehr ist sie schlichtweg nicht mehr möglich. Und deshalb findet auch Maklers Lieblingsmesse DKM dieses Jahr digital statt.

Digitale versus digitalisierte Messen

Einen Vorgeschmack darauf konnte man letzte Woche bei der Frankfurter Buchmesse gewinnen. Die Messebetreiber hatten lange darauf gesetzt, auch in diesem Jahr ein Präsenzmesse zu organisieren, mussten sich aber Anfang September der Pandemie geschlagen geben. Im Hauruck-Verfahren wurde das bestehende Programm „digitalisiert“, d.h. aus leeren Hallen per Livestream übertragen. Spaß hat das offenbar eher weniger gemacht, denn wie sich das für die Beteiligten anfühlte, brachte der Literaturkritiker Denis Schreck auf den Punkt: „So schlimm wie dieses Jahr in der leeren Halle habe ich mich noch nie gefühlt.“

In Bayreuth ist man derweil einen anderen Weg gegangen. Schon im Juni, als die Macher der Frankfurter Buchmesse noch auf großes Publikum vor Ort hofften, tat die bbg das einzig Sinnvolle und verlegte die DKM vollständig ins Digitale. Dadurch hatten die DKM-Macher einen großen Vorteil: sie konnten über Monate die Messe sorgfältig als rein digitale Messe planen und musste nicht ein für eine Präsenzmesse gemachtes Konzept im Hauruck-Verfahren digitalisieren.

Die Plattform hatte einen ersten erfolgreichen Testlauf bei der Marketingmesse Dmexco 2020. Erklärvideos verschaffen einen guten Überblick. Das Netzwerk-Feature der Plattform scheint gut durchdacht und leicht zu nutzen zu sein. Auch die Besucher sollen vorher reinschauen und sich Veranstaltungen vormerken oder Termine bei den Ausstellern sichern können.

Die Zukunft der Messe ist hybrid

Ich wage eine Prognose: es wird dieses Jahr für Besucher und Aussteller eher einfacher werden sich zu finden als in den überfüllten Westfalenhallen. Mithilfe des „Interessen“-Features (wie beispielsweise BiPRO oder Maklernachfolge) können wir als Aussteller den perfekten Gesprächspartner schon am (virtuellen) Messeeingang finden und müssen nicht warten, bis er an unseren Stand kommt. Zudem werden wir auch Makler erreichen, die wir sonst nicht erreicht hätten. Viele Makler, die den oftmals weiten Weg nach Dortmund nicht auf sich genommen hätten, könnten online mit einem Klick bei uns vorbeischauen und vielleicht sogar meinen Vortrag zu Preisen für Maklerbestände in Corona-Zeiten streamen. Und würden dann sogar auch die geliebte Ausstellertombola und weitere Ausstelleraktionen in digitaler Form vorfinden.

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Dass das Experiment digitale Messe funktionieren könnte, zeigt trotz allem auch die Buchmesse, wo 200.000 User und Userinnen die digitalen Angebote der Messe nutzten. Ich freue mich jedenfalls auf vier spannende Tage und wage eine weitere Prognose: die Messe der Zukunft wird hybrid stattfinden – live vor Ort, aber eben auch gestreamt und im Chat. Mit Sicherheit wird der persönliche Austausch, der uns allen aktuell so schmerzlich fehlt, nicht obsolet werden. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.

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