Wer aktuell im Netz unterwegs ist oder es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht hat, wird merken, dass die Wechselsaison in der Kfz-Versicherung schon begonnen hat. Die Schlagzahl, mit der Versicherer und Vergleichsportale für ihre Autopolicen werben, hat sich deutlich erhöht.

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Die Allianz Direct wirbt mit Sprintstar Usain Bolt, der auf dem Beifahrersitz eines roten Mini daran verzweifelt, dass seine Mutter langsam die Straßen langtuckert - nur, um dann bei einem Autohändler das Gefährt gegen einen schicken Sportwagen einzutauschen und sich selbst ans Lenkrad zu setzen, um schneidig davonzufahren. Die Kfz-Versicherung schließt er vor Ort beim Autohändler ab - per Smartphone-App mit wenigen Klicks. Schnell und einfach, so ist die Botschaft.

Doch auch die HUK-Coburg, Marktführer und größter Konkurrent der Münchener, hat bereits im Frühjahr ihrer Werbekampagne eine Frischzellenkur verpasst. Testimonial Herr Möller bewegt sich in einer digitalen, futuristischen Welt, um zu verdeutlichen, dass sich die Ansprüche an eine Kfz-Police wandeln. Doch immer dabei ist das HUK-Schild als Markenkern: und die Hoffnung, auch über den Preis der Policen zu punkten. „Unglaubliche Leistungen zu unglaublichen Preisen“, so spricht Möller in die Kamera. Auffallend bei den Spots der HUK ist, dass sie sehr kurz und einfach gehalten sind, beinahe plakative Botschaften transportieren: Hierin heben sie sich von der Konkurrenz ab, die ihre Markenbotschaft eher in kleine Geschichten packt.

Harter Preiskampf

Die Huk-Coburg und die Allianz sind unangefochtene Marktführer in der Autoversicherung: zumindest, wenn es um die Zahl der versicherten Fahrzeuge geht. 12,4 Millionen versicherte Fahrzeuge zählten die Franken zum Ende des letzten Jahres, seit Jahren wachsen sie stärker als der Markt: auch 2019 konnten sie in Stückzahlen das Zweieinhalbfache des Branchenschnittes erzielen (+3,9 Prozent). Doch die Allianz will sich mit der Rolle als zweitgrößter Autoversicherer nicht zufrieden geben. Rund 8,7 Millionen versicherte Fahrzeuge zählten sie zum Ende des letzten Jahres: und konnten einen Coup vermelden, als man die Kfz-Policen des ADAC als Partner übernahm, Europas größtem Automobilclub. Allein dadurch konnten die Münchener 650.000 Fahrzeuge hinzugewinnen.

Auch in der laufenden Wechselsaison rechnen die Kfz-Versicherer mit einem harten Preis- und Markenkampf, wie das „Handelsblatt“ am Dienstag berichtet. „Der Wettbewerb verschärft sich“, wird Jörg Rheinländer zitiert, Chef der HUK. Er stelle sich bei den Tarifen -wie jedes Jahr- auf einige Überraschungen ein: Der Herbst 2020 werde „sehr spannend“.

Dabei ist die Kfz-Versicherung ein Bereich, in dem die Assekuranzen sogar riskieren, mehr für Schäden und Verwaltung auszugeben, als sie an Prämien einnehmen. Die Schaden-Kosten-Quote sank zwar von 104,4 Prozent in 2013 auf 98,4 Prozent in 2019, wie das „Handelsblatt“ anhand von GDV-Zahlen berichtet. Hier gilt der Grundsatz: Je niedriger, desto besser. Bei mehr als 100 Prozent zahlen die Versicherer drauf.

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In diesem Jahr half den Versicherern indirekt auch die Coronakrise, um die Schadenkosten niedriger zu halten. Während des teilweisen Shutdowns wurde weniger Auto gefahren, weil viele Menschen im Homeoffice arbeiteten, viele Läden und Restaurants geschlossen waren. Deshalb ereigneten sich auch weniger Unfälle. Doch dieser Effekt sei mittlerweile wieder verpufft, der Pendelverkehr liege knapp unter Normalniveau. Und Corona bescherte den Autowerkstätten steigende Kosten pro Reparatur: nicht nur kamen weniger Autos und mussten strenge Hygiene-Maßnahmen vor Ort eingehalten werden. Zusätzlich werden die Fahrzeuge auch mehrfach desinfiziert und gereinigt, was ebenfalls Mehrkosten erzeugt.

Corona: Versicherer zahlen Beitrag zurück

Weil zu Corona-Zeiten weniger gefahren wurde, wollen viele Kfz-Versicherer nun auch ihre Kundinnen und Kunden an den Ersparnissen Anteil haben lassen: Sie können auf Prämien-Rückzahlungen hoffen. „Wir gehen davon aus, dass wir aus Unternehmenssicht eine signifikante Summe an die Kunden zurückgeben werden“, sagte HUK-Chef Rheinländer dem „Handelsblatt“. Das Portal „Finanztip“ rät, sich hierbei aktiv an den eigenen Versicherer zu wenden - viele Versicherer würden erst ab dem Zeitpunkt den Beitrag senken, wenn man sich melde.

Weniger Reparaturen, weniger Neuzulassungen

Doch diese Corona-Rückzahlungen setzen die Versicherer zusätzlich unter Druck: Zumal sich bereits ankündigt, dass die Pandemie Nebenwirkungen mit sich bringt, die sich als zusätzliche Kostenfallen entpuppen könnten. So wurden in Lockdown-Zeiten weniger Autos gekauft: Die Zahl der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland ging in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 drastisch zurück, das Minus beträgt nach Angaben des Branchenverbandes VDA knapp 35 Prozent. Das wirkt sich auch auf die Versicherer negativ aus, die weniger Neuabschlüsse haben. Hier hängt es auch davon ab, wie sich die Coronakrise weiter entwickelt, ob sich die Zahlen wieder normalisieren.

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Und nicht nur das: Viele Autowerkstätten darben, manche bangen gar um ihre Existenz. Das könnte die Preise für Reparaturen pro Auto verteuern: und so die Schadenkosten hochtreiben. "In diesem Jahr müssen wir mit rund 20 Prozent weniger Neuzulassungen, etwa sieben Prozent weniger Gebrauchtwagen sowie einer um vier Prozentpunkte geringeren Werkstattauslastungsquote rechnen", sagt Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), laut "Handwerkszeitung". Den Betrieben seien durch den Lockdown Umsätze weggebrochen, die nicht mehr aufzuholen seien.

Der Ausblick der Branche für das Jahr 2021 ist folglich nicht nur positiv. Werde das Jahr 2020 noch ein gutes für die Kfz-Versicherer sein, dürfte sie "im kommenden Jahr deutlich Federn lassen", sagte Jan Wicke, Finanzchef von Talanx, dem "Handelsblatt".

Preiskampf: Kunden profitieren nicht in jedem Fall

Ob der aggressive Preis- und Werbekampf der Versicherer dabei immer den Kundinnen und Kunden nützt, dazu gibt es auch gegenteilige Meinungen. Zwar verbilligt es die Tarife, dass vermehrt Kfz-Policen im Netz abgeschlossen werden - und die Versicherer auf Sparpotentiale achten, zum Beispiel, indem sie mit Werkstätten und anderen Dienstleistern kooperieren. Aber es gibt einen ungünstigen Nebeneffekt des Preiskampfes:

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Denn jedes Mal, wenn ein Fahrer seinen Anbieter wechselt, werden auch neue Provisionen für den Abschluss fällig: Die großen Vergleichsportale, viele als Versicherungsmakler registriert, erzielen laut Bundesnetzagentur bis zu 98 Prozent ihrer Einnahmen durch Provisionen. Durch die vielen Wechsel werde „eine Preisspirale befeuert, die den Versicherungsschutz am Ende für alle Kunden teurer macht“, hatte Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandssprecher der HUK, bereits vor Jahren gewarnt.

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