Am gestrigen Donnerstag erging vor dem Landgericht München I ein erstes Urteil im Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung. So wies das Gericht die Klage einer Kindertagesstätte gegen ihren Versicherer, die Haftpflichtkasse, ab (Az. 12 O 7208/20). Begründung: Die Versicherungsbedingungen setzten eine vollständige Schließung der Einrichtung voraus. Die war nicht gegeben, weil die KiTa eine Notfallbetreuung für Kinder systemrelevanter Eltern aufrecht erhalten musste. Folge: Der Versicherer bleibt leistungsfrei. Diese Entscheidung deutete sich bereits in der mündlichen Verhandlung an. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und dem Vernehmen nach will der Rechtsbeistand der KiTA-Betreiber in Berufung gehen.

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In den anderen Verfahren gab es am Donnerstag noch keine Urteile. Allerdings deutet sich im Gegensatz zur KiTa-Entscheidung ein Urteil gegen den Versicherer an. In den beiden ausstehenden Verfahren wollen Gastronomen bzw. Hoteliers Leistungen aus ihrer BSV einklagen. Antragsgegner ist in diesen Fällen die Allianz.

Im Kern geht es bei diesem Streit darum, ob die Allianz auch dann zahlen muss, wenn Covid-19 nicht explizit in den Versicherungsbedingungen genannt ist. Bereits in der Vorverhandlung warf die vorsitzende Richterin Laufenberg dem Versicherer Intransparenz vor (Versicherungsbote berichtete).

Am Donnerstag wurde die Richterin noch deutlicher: „Wir sehen im vorliegenden Fall nichts, was dem Anspruch der Klägerin entgegensteht“, sagte Laufenberg laut Handelsblatt wörtlich. Als Verkündigungstermine nannte das Gericht den 01.10.2020 (Az. 12 O 5895/20) und den 22.10.2020 (Az. 12 O 5868/20). Es könnten noch einige solcher Termine folgen, denn inzwischen liegen dem LG München 72 ähnliche Klagen betroffener Betriebe vor.

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Dr. Hans-Georg Jenssen, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM), der im März einen Solidaritätsfonds der Versicherer gefordert hatte, ordnete gegenüber dem VersicherungsJournal das KiTa-Urteil ein: „Ich rechne damit, dass das Urteil nun von der Versicherungswirtschaft groß ausgeschlachtet wird.“ Beklagte Versicherer könnten sich jene Klagen heraussuchen, bei denen sie gute Aussichten auf Erfolg haben und versuchen, die übrigen zu verzögern. Mit den Urteilen, die im Sinne der Beklagten gefällt wurden, gehe man dann an die Öffentlichkeit, um zu zeigen, dass weitere rechtliche Schritte zwecklos seien oder andere Kläger zur Aufgabe zu bewegen. Ein Verhalten, das Jenssen an Strategien bei Klagen im Kapitalanlagebereich oder dem VW-Dieselskandal erinnert.

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