Paragraph 779 BGB definiert nämlich für einen Vergleich auch: Sobald er „bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde“, ist er unwirksam. Das Gesetz schützt also Menschen vor Auswirkungen eines Vergleichs, der nur aufgrund fehlender Rechtskenntnis eingegangen wurde – zum Beispiel, weil die Gegen-Partei über eine höhere Rechtskenntnis verfügte.

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Versicherungsrecht: Überlegene Rechtskenntnis darf sich nicht zum Nachteil der Kunden auswirken

Ein Problem, das besonders anhand der Versicherungswirtschaft deutlich wird: Auf dem komplexen Gebiet des Versicherungsrechts verfügen Versicherer über eine überlegene Sach- und Rechtskenntnis. Diese aber darf nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers ausgenutzt werden, wie aktuell auch Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte deutlich macht. Der Rechtsexperte hält viele bereits geschlossenen Vergleiche nach dem „bayerischen Kompromiss“ aus diesem Grund für angreifbar – sie seien „treuwidrig und damit unwirksam“.

Nicht ausgenutzt wird die überlegene Rechtskenntnis nur, wenn der Kunde genügend informiert wurde, um seine Situation vor dem Vergleich einzuschätzen. Besonders anschaulich werden die vernachlässigten Informationspflichten der Betriebsschließungsversicherer anhand eines Beschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser zeigt mit Datum vom 15. Februar 2017 beispielhaft, unter welchen Bedingungen individuelle Vereinbarungen entgegen dem Vertragstext zwischen einem Versicherer und einem Versicherungsnehmer überhaupt möglich sind (Az. IV ZR 280/15).

Laut den Beschlussgründen ist nämlich stets Obacht angebracht, sobald ein Versicherer versucht, die "nach dem Vertrag bestehende Rechtslage durch die Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers" zu ändern und dessen Rechtsposition dadurch "ins Gewicht fallend“ zu verschlechtern. Stets nämlich wäre dies ein "starkes Indiz" einer "Handlung gegen Treu und Glauben".

Und will sich der Versicherer nicht dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aussetzen, muss er die engen Grenzen beachten, unter denen ein solches Angebot überhaupt unterbreitet werden darf. Das nämlich ist nur möglich, wenn der Versicherer zugleich „klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise darauf“ gibt, „wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird“.

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Dies gilt auch bei Annahme einer unklare Sach- und Rechtslage. So geht Fachanwalt Strübing davon aus, dass der Versicherer verpflichtend darüber informieren muss, dass "bestenfalls Zweifel über den Leistungsanspruch bestehen". Nur dann hat er den Versicherungsnehmer genügend über die Bedingungen im Vorfeld des Vergleichs aufgeklärt.

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