Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder man versucht gar nicht erst, den Berg der Digitalisierung zu verstehen und vertraut auf eine angebotene Lösung. Dafür hat uns die Natur als Menschen zum Glück mit Instinkten ausgestattet, die uns Vertrauen und Misstrauen lassen, auch wenn wir nicht alles verstehen. Oder man gehört zu denen, die als selbsbestimmte und frei denkende Menschen agieren wollen, für die wird es immer schwerer.

Anzeige

Dirk Pappelbaum ist Geschäftsführer beim Leipziger Softwareanbieter Inveda.netwww.Inveda.netFür Verschwörungstheoretiker ein gefundenes Fressen, ist doch schnell eine Verschwörung aus Versicherungsund Softwareindustrie ausgemacht. Denn Softwarehäuser wollen alle von sich abhängig machen und Versicherer wollen den Makler klein halten. Treffend dazu die Zeilen des Liedsängers Reinhard Mey: „Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm, ich halt sie arm“? So weit so gut, doch nützt ein armer Makler der Softwarefirma wenig und Makler ohne Erfolg sind auch kein Erfolg für die Versicherungsgesellschaften.

Als Softwarehersteller versuchen wir ständig, uns in die Rolle der Versicherungsmakler zu versetzen. Dabei hilft uns sehr, dass uns Versicherungsmakler aus ihrem Alltag berichten. Mit Sorge sehen wir eine steigende Verunsicherung bei den Maklern. Wie wird das Versicherungsgeschäft in der Zukunft aussehen? Welche Versicherungsprodukte werden zukünftig über den Makler vermittelt? Was werden Kunden direkt online abschließen? Verhindert die Digitalisierung ein autarkes und selbstständiges Arbeiten der Versicherungsmakler, weil der Aufwand, alle Prozesse zu automatisieren, einfach zu groß ist?

Sicher ist, dass diejenigen Makler überleben, die mit dem technischen Fortschritt mithalten. Wer es schafft, die eigenen Prozesse zu automatisieren, um bei sinkenden Margen mehr Kunden zu betreuen, der hat eine Chance. Ein großer Hoffnungsträger ist die Brancheninitiative BiPRO, die seit ihrer Gründung 2006 die Prozesse zwischen Makler und Versicherungsgesellschaft in Normen giesst. 14 Jahre später gibt es tatsächlich Versicherungsgesellschaften und Softwareherstellern für Versicherungsmakler, die diesen Standard unterstützen. So kann die Maklerpost digital abgeholt werden und viele Gesellschaften stellen Bestandsdaten in Form des alten GDV-Standards zur Verfügung.

Anzeige

Allein am Beispiel der Maklerpost zeigt sich das Dilemma. Die Digitalisierung der Maklerpost verursacht Kosten. Und nicht nur bei den Versicherungsgesellschaften, es entstehen Kosten für den Makler, denn die notwendigen Softwarelösungen hierfür kosten Geld. Der Softwarehersteller steht vor der Herausforderung, die Maklerpost bei allen Anbindungen des Maklers einzusammeln und möglichst automatisch zuzuordnen. Der BiPRO-Standard hilft dabei enorm, jedoch divergiert die Datenlieferung bei den einzelnen Gesellschaften. Es gibt verschiedene Autorisierungen (mit Login, TGIK, VDG oder Zertifikat), es gibt verschiedene Versionen des BiPRO Standards, und die Datensätze unterscheiden sich im Inhalt. Viele Hersteller von Maklerverwaltungsprogrammen kapitulierten bereits und setzen auf Anbieter wie Zeitsprung und B-Tixs, die sich auf das Thema spezialisiert haben. Diese Angebote sind entweder bei der Auswahl an Gesellschaften beschränkt, oder sie kosten extra – und das nicht wenig. Abgerechnet wird oft pro Dokumentabruf, was bei großen Maklerbüros schnell die Kosten in die Höhe treibt. Schnell stellt sich die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, in eine eigene Infrastruktur zu investieren.

Ist die Unabhängigkeit von einzelnen Akteuren überhaupt möglich?

In anderen Branchen hat man sich längst damit arrangiert. Beim Einzelhandel ist Amazon der Platzhirsch, Ebay fast konkurrenzlos und in der Reisebranche konzentriert sich viel auf Booking.com und AirBNB. Einen Beigeschmack hat das ganze natürlich, die Partner haben hier nichts mehr zu entscheiden, es gilt nur noch „Friss oder Stirb“. Und im Maklergeschäft? Zunehmend wird hier versucht, dem Makler einen Teil des Kostenblockes "Digitalisierung" abzunehmen. Noch erscheint es harmlos, wenn immer mehr kostenlose Angebote aus dem Boden spriessen. Bisher eine Domaine der Maklerpools, den angebundenen Maklern, möglichst viel kostenlos zur Verfügung zu stellen, entdecken diesen Weg jetzt die Versicherungsgesellschaften. Die Argumente dafür sind klar, denn mit zunehmender Digitalisierung steigen die Kosten in dem Bereich. Wer diese Kosten dem Makler abnimmt, ist sein Freund.

Jüngstes Beispiel ist das Angebot MeinMVP. Ursprünglich eine Idee der VHV, hat sich im Januar daraus der Verein meinMVP e.V. gegründet. Die Mitglieder sind namhafte Versicherer, neben der VHV, der Volkswohlbund, die Itzehoer, die Haftpflichtkasse, KS Auxilia, die Gothaer und Swiss Life. Das Angebot ist verlockend, neben einem kostenlosen Maklerverwaltungsprogramm übernimmt der Verein die Lizenzkosten für die BiPRO-Lösung von Zeitsprung, die Vergleichssoftware von Franke und Bornberg und Thinksurance.

Anzeige

Das meinMVP-Universum müssen die Makler nicht mehr verlassen, die Lösung reicht bis zur Antragseinreichung, eine Lösung zur eigenen Provisionsabrechnung ist auch schon geplant. Mit dieser Lösung macht man insbesondere den Maklerpools Konkurrenz, die ebenfalls für viele Softwarelösungen die Lizenzkosten übernehmen.

Wie tragfähig dieses Modell ist, wird die Zukunft zeigen, denn der Verein hat mit dem kostenlosen Angebot nicht unerheblich Kosten zu tragen, die insbesondere dann steigen, wenn das Angebot von vielen genutzt wird. Ob sich die Vereinsmitglieder in der Frage der Finanzierung dauerhaft einig bleiben, ist offen. Wie unabhängig ist ein Makler über so eine Plattform?

Wird es sich irgendwann auf die Versicherungsangebote der Vereinsmitglieder beschränken? Und wie objektiv sind dauerhaft überhaupt die Produktvergleiche? Denn mit zunehmenden Erfolg begeben sich auch die Anbieter der Vergleichsprogramme in eine gefährliche Abhängigkeit. Und was unterscheidet zum Schluss noch Makler A von Makler B, wie weit sind die Makler dann beliebig und austauschbar?

Allround-Lösungen sind immer verlockend, besonders wenn Sie kostenlos sind. Bei den kostenlosen Angeboten von Facebook und Google haben wir alle längst verstanden, welchen Preis wir dafür zahlen.

Anzeige

Und vergessen wir nicht, um was es letztendlich geht: „Daten sind der Rohstoff der Zukunft.“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel).

Seite 1/2/

Anzeige