Tesla sieht in Deutschland einen wichtigen Standort, um auch in Europa zu einem führenden Autobauer zu werden: So viel ist klar, seit Firmenchef Elon Musk (48) angekündigt hat, in Grünheide bei Brandenburg eine Multifactory für E-Autos bauen zu wollen. Doch nicht nur mit Elektroautos könnte der Konzern den deutschen und europäischen Markt ordentlich durcheinander wirbeln. Eine Stellenausschreibung zeigt nun, dass die Kalifornier auch Versicherungen anbieten wollen.

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“Neue Generation von Versicherungsprodukten“

Auf der deutschen Webseite von Tesla findet sich seit Ende Mai eine englischsprachige Stellenanzeige, die viel über die Ambitionen des Konzerns verrät. Und die sind - wie gewohnt - keineswegs bescheiden. Zwei Vollzeitstellen werden für die Region Berlin-Brandenburg ausgeschrieben: für den Beruf als „Program Manager, Insurance Product & Underwriting (Europe)“.

Was sich dahinter verbirgt, zeigt das geforderte Profil für die Stelle. Ein „außergewöhnlicher und erfahrener Underwriter für die Entwicklung von Kfz-Versicherungsprodukten in unseren europäischen Märkten“ werde laut Ausschreibung gesucht. Und weiter heißt es im Text: „Wir sind dabei, die nächste Generation von Versicherungsprodukten zu entwickeln, um die Tesla-Besitzer zu schützen, ihre Eigentumserfahrung zu verbessern und die Gesamtbetriebskosten zu senken.“

Auto und Versicherung als Gesamtpaket

Zunächst ist also angedacht, vor allem den eigenen Kundinnen und Kunden eine Versicherung anzubieten: den Tesla-Fahrer*innen. Wie das funktioniert, lässt sich aktuell schon in Kalifornien beobachten. Dort gibt es die Autoversicherung direkt vom Hersteller beim Kauf eines Neuwagens dazu. 30 Prozent billiger als andere Kfz-Versicherungen für E-Autos, wie die Kalifornier behaupten. Für andere Bundesstaaten der USA gilt das Angebot bisher nicht. Es läuft in einer Art Testphase. In den USA bastelt Tesla bereits seit 2017 an einem Versicherungsprodukt, wie der frühere Vertriebschef John McNeill zu dieser Zeit in einem Interview mit Investoren berichtet hat.

Warum der Autobauer auch Ambitionen als Versicherer zeigt, hat wiederum Konzernchef Elon Musk in einer Telefonkonferenz mit Geldgebern offenbart: Man habe schlicht einen Informationsvorsprung gegenüber den etablierten Autoversicherern. Tesla verfüge über ausreichend Daten seiner Fahrzeuge und müsse schon "detailliertere Informationen" zu Sicherheitsfragen an Versicherer weitergeben, um ihnen bei der Berechnung von Monatsraten für die Autos zu helfen, so führte Musk im Mai 2019 laut "Manager Magazin" aus. Nun wolle man die Informationen selbst monetarisieren.

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Die gesammelten Informationen der Kundinnen und Kunden bieten Tesla einen weiteren Vorteil: als Rundum-Dienstleister in Erscheinung zu treten. Die Autos lassen sich nach einem Unfall in Partner-Werkstätten beordern, zusätzliche Carsharing-Angebote per App versichern, Garantieleistungen für das gekaufte Auto über die Versicherung abwickeln. Und so werden auch die etablierten Versicherer mit Interesse darauf schauen, was Tesla in seiner Produkt- und Ideenschmiede entwickelt. Die Ansprüche sind groß. Eine eigene Versicherung werde "überwältigender sein als alles, was es sonst so draußen gibt“, versprach Musk.

E-Autos billiger versichern

Es gibt einen weiteren Grund für das eigene Versicherungsangebot von Tesla: Laut "Manager Magazin" hat Musk im Mai 2019 beklagt, dass Kfz-Versicherungen für Elektro-Autos zu teuer seien. Kosten, die im Zweifel potentielle Kundinnen und Kunden davon abhalten könnten, sich einen Tesla zuzulegen.

Bei Unfall oft Totalschaden

Für die teils recht hohen Prämien bei E-Autos gibt es Gründe. Nicht nur mangelt es den Versicherern an Erfahrungen zu Schäden und Kosten. Auch kann die Reparatur eines einzelnen Autos teuer werden: Ist die Batterie geschädigt, handelt es sich häufig um einen Totalschaden, weil die Restspeicherkapazität nicht sicher berechnet werden kann. Die Reparatur eines E-Autos koste 25 Prozent mehr als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, hat Allianz-Vorstand Joachim Müller vor drei Jahren der "Süddeutschen Zeitung" vorgerechnet.

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Gleichwohl meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aktuell auf seiner Seite: "Die Schadensverläufe des GDV zeigen, dass es bei Elektrofahrzeugen im Vergleich zu Fahrzeugen mit herkömmlichem Antrieb keine großen Unterschiede gibt. Bislang können die Kfz-Versicherer keine Auffälligkeiten wie beispielsweise häufige Batteriebrände statistisch feststellen."

Der Tesla-Konzern will bei den Prämien zusätzlich berücksichtigen, ob und in welchem Umfang ein Fahrer bzw. eine Fahrerin den Autopiloten nutzt. Auch dies senke die Unfallwahrscheinlichkeit, so ein Kalkül der Kalifornier - und damit die Kosten.

"Vergessen Sie Standardprodukte!"

Das Selbstbewusstsein von Tesla als Technik- und Service-Pionier zeigt sich nun auch im aktuellen Stellengesuch. "Vergessen Sie die Standardprodukte, die der Markt seit Jahrhunderten anbietet, und helfen Sie mit, eine Autoversicherung für das 21. Jahrhundert zu entwickeln, die auf Tesla-Besitzer zugeschnitten ist und die führende Technologie unserer Fahrzeuge voll ausschöpft", heißt es in der Ausschreibung.

Ein Problem stellt sich den ehrgeizigen Kaliforniern: Die regulatorischen Anforderungen an europäische Versicherer sind teils höher als auf dem amerikanischen Markt. Und so sind die Ansprüche an die neuen Mitarbeiter*innen auch in dieser Hinsicht hoch. Sie sollen Formulierungen von Richtlinien entwerfen und überprüfen sowie die vollständige Einhaltung aller gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen sicherstellen. Auch sollen sich die Produkte in einer kundenorientierten Sprache präsentieren. Das Ziel: eine "One-Click-Insurance". Die Versicherung für den schnellstmöglichen Online-Abschluss.

Dass die Unternehmensphilosophie des Tech-Konzerns von unbändigem Fortschrittsoptimismus geprägt ist, lässt sich ebenfalls dem Stellenangebot entnehmen. An potentielle Bewerber adressiert, heißt es dort: "Hören Sie nicht auf, nachdem Sie ein Versicherungsprodukt auf den Markt gebracht haben! Sobald es die kleinste Verbesserung erlaubt, den Schutz, das Erlebnis und die Prämien im Sinne des Kunden zu verbessern, werden wir diese Verbesserungen etablieren, ebenso wie bei unseren Elektro-Autos!"

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Dass dabei nicht immer alles glatt läuft, musste Tesla ausgerechnet beim Start seines Versicherungsangebotes in Kalifornien bemerken. Wie US-amerikanische Medien berichteten, war die entsprechende Webseite für den Abschluss der Versicherung tagelang nicht erreichbar: Wer darauf klickte, fand nur eine Fehlermeldung.

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