Im Alltag verstehen wir Digitalisierung als die Veränderungen im Umgang mit Daten, die auch mit Industrie 4.0 beschrieben werden. Computer erfassen Daten, werten diese aus und steuern Prozesse, die vorher Menschen erledigt haben. Dabei liegt der Ursprung viel weiter zurück. Bereits in den 1930er Jahren legte der Ingenieur Konrad Zuse mit seiner Rechenmaschine, die alle Daten mit 0 und 1 darstellte, Grundlagen für die Digitalisierung von heute. Das Wort Digital bezieht ich auf die lateinischen und englischen Begriffe für Abzählen nach Fingern im Bereich eins bis 10, also 1 und 0.

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Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Digitalisierung und Automatisierung – kurzer historischer Exkurs

Was bei Zuse mit einer mechanischen Rechenmaschine nach dem Binärsystem begann, erhielt durch die elektronische Form der Datenverarbeitung ab Mitte der 1940er Jahre weiteren Schwung. Noch mussten Transistoren und riesige Schalteinheiten die Anfänge der elektronischen Datenverarbeitung bewältigen, die heute durch Miniaturausführungen auf kleinstem Raum und in rasender Geschwindigkeit erledigt werden können. Die kleinsten Transistoren sind heute so klein, dass selbst Blutkörperchen unter dem Mikroskop groß erscheinen. Unsere heutigen Smartphones lassen nur noch ahnen, was da im Inneren passiert.

Die Verbindung von Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung wird manchmal auch als 4. industrielle Revolution bezeichnet. Schnell ein kurzer Exkurs zur Industrie-geschichte, für den wir hier ein paar Anleihen beim WFB Bremen nehmen. Der Übergang von der Manufaktur zur industriellen Erzeugung von Produkten wird als erste industrielle Revolution beschrieben. Danach folgte die zweite Wandlung von der maschinellen Arbeit hin zu Fließbandarbeit mit einem Aufschwung der Massenproduktion. Mit der Erfindung der Mikrochips begann die dritte industrielle Revolution. In den späten 1960er Jahren konnten erstmal Computer Maschinen steuern. Denken wir dabei nur an CNC-gesteuerte Fräsmaschinen.

Nun stecken wir in der vierten industriellen Revolution, die mit Begriffen wie Big Data, Internet der Dinge oder auch künstliche Intelligenz (KI) verbunden ist. Es kommen mit Selbstorganisation und Selbstoptimierung intelligente digitale Prozesse direkt in den Arbeitsprozess. Aber nicht nur der Workflow verändert sich grundlegend, auch das Konsumverhalten selbst.

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Anschauliche Beispiele aus der Versicherungsbranche sind die Vergleichsrechner für Kunden mit der Möglichkeit des Online-Abschlusses und mit KI gesteuerten Chat-Funktionen zu einer halbautomatischen Beratung. Tarifbücher gehörten als erstes der Vergangenheit an. Wurden Tarifrechner später zunächst nur von Vermittlern bedient, kann dies heute – bei einfachen Produkten – jeder Kunde selbst. Und genau diese Spirale dreht sich schnell weiter.

Die Datenmenge wird immer größer

Die Datenspirale dreht sich immer schneller, weil immer mehr Daten erfasst und ausgewertet werden und dies wiederum selbst neue und immer größere Datenmengen verursacht. Haben früher die Aktuare der Versicherungswirtschaft auf Schadenzahlen in bestimmten Regionen oder Postleitzahlen geschaut und darauf Tarifkalkulationen aufgebaut, so gehen die Möglichkeiten gegenwärtig viel weiter. Unterstützt von künstlicher Intelligenz kann ausgewertet werden, welche Kundengruppen mit welchem Alltagsverhalten mehr Schäden und warum verursachen.

Immer schnellere Rechenmodule, Daten in der Cloud und immer kleinere Computer tragen zu immer größeren Geschwindigkeiten bei der Analyse und Auswertung bei. Das geht natürlich nur dann, wenn die technische Infrastruktur Schritt hält und laufend auf modernstem Stand gehalten wird.

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Die Finanzindustrie zählt zu den Top 3 der Datenproduzenten auf der Welt. 2.074 Exabyte hat nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IWD) die Datenmenge der Finanzdienstleistungen 2018 betragen (1 Exbyte = 1 Milliarde Gigabyte). Mobiles Bezahlen, Online-Banking und Online-Brokering treiben die Branche an und Versicherungen holen auf.

Das IWD geht davon aus, dass mit der Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G weitere Branchen aufholen werden. Darunter Gesundheitsportale, Telemedizin und auch weitere Formen der Onlineberatung. Datengetriebene Geschäftsmodelle sind auf dem Vormarsch und werden unter Einbindung künstlicher Intelligenz herkömmliche Geschäftsmodelle verändern. Robo-Advisor können Daten analysieren, Empfehlungen für Kunden entwickeln und diese voll- oder teilweise automatisiert umsetzen. Dokumentation inbegriffen.

Die „Robos“ sind bei Versicherungen schon da

Robo-Advisor starteten vor einigen Jahren bei Finanzdienstleistungen und der Portfolioverwaltung. Die Testphase im Bereich Versicherungen ist auch schon überschritten. Der „Robo“ – um den vermenschlichten Begriff hier zu nutzen – überprüft mit seinen Rechenalgorithmen den Versorgungsgrad und/oder den Risiko-Status der Kunden, vergleicht automatisch mit vorhandenen oder am Markt verfügbaren Produkten und unterbreitet Vorschläge für Policen mit mehr Leistungen oder zu günstigerem Preis. Diese Overten erhält der moderne Kunde natürlich auf sein Smartphone und kann mit einem Klick das bessere oder günstigere Produkt buchen.

Google geht davon aus, dass 2025 mehr als 60 Prozent aller Versicherungen online abgeschlossen werden. Dabei soll es nach entsprechenden Befragungsergebnissen kaum Unterschiede zwischen den Altersgruppen geben. Auf die Frage, ob man sich vorstellen könne, dass eine Versicherung komplett online abgeschlossen würde, antwortetet in der Gruppe der 18- bis 34jährigen 53 Prozent mit „Ja“. In der Gruppe von 35 bis 55 Jahren waren es 57 Prozent und in der Altersgruppe ab 55+ sogar 59 Prozent. Online ist also in allen Generationen angekommen und sind Allgemeingut.

Versicherungsmaklern ist zu empfehlen sich je nach Art des Robo-Advisors, beispielsweise vom jeweiligen Partnerpool, über die Konsequenzen hinsichtlich der Vereinbarungen aus dem Maklervertrag klar zu werden. Bleibt die letzte Entscheidung für einen Vorschlag im Auftrag des Maklers beim Kunden, dann hat man eine andere Situation, als wenn der „Robo“ sofort Verträge umswitcht oder erkannte Versicherungslücken schließt, ohne dass die Kunden und Makler davon etwas wissen. Hier gilt es explizite Klarheit in Maklerverträgen zu schaffen.

Der Versicherungsvermittler muss nicht „Außen vor“ bleiben

Immer wieder schreibe ich von der Situation, dass selbst Versicherungsmakler, als Sachwalter der Kunden, zu wenig im Kundenbestand arbeiten und die Durchdringung mit notwendigen (!) Produkten zum Risikoschutz oft zu gering ist. Die Mehrzahl aller Vermittler schafft es im Laufe eines Jahres nicht, alle Kunden mit allen Verträgen zu prüfen und gar zu überprüfen, ob es nicht etwas Besseres gibt. Und wer das erkennt, der wird auch die Chancen und Möglichkeiten aus Digitalisierung und Automatisierung erkennen.

Machen wir es konkret: Kunde Müller sucht wegen Neuanschaffung eines Pferdes eine entsprechende Versicherung. Allein die Eingabe des Suchbegriffs führt zu entsprechenden Plattformen und Vergleichen. Ist der persönliche Makler im Internet präsent und bietet dazu Informationen oder Angebote an – vielleicht noch mit Adwords-Werbung unterstützt –, dann kommt dieser Kunden auch auf dessen Homepage oder eine spezielle Landingpage. Wünscht der Kunden dann Informationen oder einen Vergleich, dann kann er diese ebenso angeboten bekommen wie einen Vorschlag zur Chat-Anfrage oder einem persönlichen Beratungstermin. Und schon haben digitale Informationsbeschaffung und individuelle Beratungsansätze zusammengefunden. Genauso ist die auch bei automatisierter Bestandsarbeit möglich.

Robo-Advisor für bestimmte Versicherungssparten führen ebenso wie Angebote zum Kampagnenmanagement zu einem verbesserten Kundenservice, besserer Betreuung und neuen Ansätzen für die persönliche Beratung von Kunden, die oftmals sonst nie stattfinden würden. Wenn Versicherungsvermittler so eine Betrachtung kritisch sehen, dann sei darauf verwiesen, dass jeder von Ihnen nur zirka 200 Arbeitstage für seinen Kunden zur Verfügung hat. Wird die Anzahl von Kunden größer als 200, dann dürfte das persönliche Zeitbudget schon nicht mehr ausreichen, um für jeden Kunden ausreichend da zu sein. Technische Hilfe tut Not. Und vor dieser Herausforderung stehen nicht nur Versicherungsvermittler.

Praktische Beispiele für den Einsatz von Robo-Advising gibt es bei Dienstleistern für Makler inzwischen immer mehr. So unterstützt die BCA-AG aus Oberursel seine Kapitalanlage-Vermittler mit implementierbaren Robo-Advisor-Lösungen auf ETF-Basis. Blau direkt bietet den Kunden seiner Maklerpartner die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Versicherungsverträgen und die Optimierung dieser über Robo-Save-Technologie an. Nach einer Testphase für die Optimierung von Privaten Haftpflichtversicherungen wurde Ende 2019 Robo-Save für KFZ bei den Lübeckern gestartet.

Auch der FinanzLotse vom Münchner Maklerpool FondsFinanz GmbH bietet die Funktionen eines Robo-Advisors. Nach einer anfänglichen Verfügbarkeit für Versicherer und Versicherungsmakler wurde das System vor einiger Zeit auch den Maklerkunden geöffnet. Auch der FONDSPILOT eines süddeutschen Versicherers hat die Aufmerksamkeit der Makler gefunden.

Neue Tools verdienen Aufmerksamkeit

Die Versicherer selbst stehen vor grundsätzlichen Fragen: Welche Daten werden im Unternehmen erfasst, ausgewertet und selbst generiert? Welche Daten sind von Bedeutung und wie werden diese genutzt? Wie werden die Datenergebnisse in Produkte überführt und wie kommen diese an Vermittler? Sind die eigenen Produkte kompatibel mit Systemen von Vergleichern, CRM-Systemen oder eben auch von Robo-Advisors?

Bereits jetzt haben InsurTechs, als neue Marktteilnehmer, den Versicherern und auch Vermittlern soviel Druck gemacht, dass eine nachhaltige Strategie ohne Digitalisierung und Automatisierung nicht mehr erreichbar ist. Versicherungsmakler sollten sich aufmerksam den neuen digitalen Tools öffnen und diese in den eigenen Informationskanal zu den Kunden einbauen.

Gestalten Sie den Geschäfts- und Kommunikationsprozess so, dass Sie Kunden die Wahlmöglichkeit zwischen Kommunikations-, Beratungs- und Abschlussmöglichkeiten einräumen. Ein so aufgestelltes Geschäftsmodell hat eine größere Werthaltigkeit als das Beharren in alten Beratungsmustern. Gehen Sie als Makler diesen Weg Schritt für Schritt mit, dann besteht auch keine Gefahr, selbst zum Auslaufmodell zu werden.

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Für diese strategischen Richtungsentscheidungen wünscht Ihnen Ihr AssekuranzDoc viel Erfolg. Kommen Sie gerne mit Dr. Peter Schmidt vor Ort zu den Maklerforen2020 oder persönlich ins Gespräch.

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