Diese Fehldiagnosen belasten nicht nur das Versicherungskollektiv. Die betroffenen Patienten können dadurch auch massive Nachteile erleiden, wenn sie eine private Versicherung mit Gesundheitsfragen abschließen wollen: etwa eine Berufs- oder Risikolebensversicherung. Im Antrag müssen alle Arztdiagnosen der letzten Jahre korrekt eingetragen werden. Sonst kann der Versicherer im Leistungsfall vom Vertrag zurücktreten und geltend machen, dass der Antragsteller die vorvertragliche Anzeigepflicht bewusst verletzt hat. Das kann den Versicherungsschutz kosten. Oft ist es nur schwer möglich, dem behandelnden Arzt rückwirkend eine Falschdiagnose nachzuweisen (der Versicherungsbote berichtete).

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Reform des Morbi-RSA

Die Politik ist für das Thema sensibilisiert. Erste Erfolge brachte bereits eine Reform des Heil- und Hilfsverordnungsgesetzes (HHVG) ab 2017, indem zusätzliche Vergütungen für Diagnosen in Gesamt- und Selektivverträgen verboten wurden. Tatsächlich lässt sich laut WIG-Studie danach ein Rückgang manipulativer Eingriffe beobachten.

Das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz soll nun weitere Verbesserungen bringen und das System weniger manipulationsanfällig machen. Im Dezember wurde es erstmals im Bundestag beraten: Und sieht unter anderem vor, den Risikostrukturausgleich auf alle Krankheiten auszuweiten. So soll der Fehlanreiz für falsche Diagnosen deutlich gemindert werden. Darüber hinaus ist ein Verbot jedweder Verknüpfung von Diagnose und Vergütung in Versorgungsverträgen vorgesehen.

Widerstand durch Ärzte und Ortskrankenkassen

In Sack und Tüten ist das Gesetz aber noch nicht. Widerstand kommt unter anderem von den mächtigen Ortskrankenkassen (AOKen), die bisher am meisten finanziell vom RSA-Modell profitieren. Und auch die Ärzteverbände leisten erbitterten Widerstand, wie die Ärztezeitung berichtet. Sie fürchten, ähnlich wie die AOK, dass Haus- und Facharztverträge durch die neuen Regeln massiv ausgehöhlt werden.

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Ob ein Vollmodell aller Krankheiten wirklich zu weniger Manipulationen führt, ist ebenfalls umstritten. Die TK gibt zu bedenken, dass dennoch Fehlcodierungen stattfinden werden, wenn dies einen finanziellen Vorteil verspricht: etwa, wenn der Patient in der Gesundheitsakte kranker gemacht wird, als er eigentlich ist. Diskutiert wird nun über eine sogenannte Manipulationsgrenze. Sie soll bewirken, dass bei bestimmten Auffälligkeiten gar kein Geld mehr fließt: zum Beispiel bei Krankheiten, deren Fallzahlen auffällig ansteigen.

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