Eigentlich hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Aufgabe, deutschen Versicherern auf die Finger zu schauen: auch mit Blick auf deren Stabilität und Krisenfestigkeit. Umso bemerkenswerter ist nun ein Statement von Frank Grund auf einer Tagung der Behörde in Bonn. Denn wie das Handelsblatt berichtet, ruft Grund die Versicherer dazu auf, gegen die aktuelle Niedrigzinspolitik der EZB zu protestieren.

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Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFinBernd Roselieb / BaFin „Es ist ein Punkt erreicht, an dem die Marktteilnehmer sehr deutlich machen sollten, wie stark die niedrigen Zinsen mittlerweile ihr Geschäftsmodell und damit ihren Beitrag zur kapitalgedeckten Altersversorgung gefährden“, sagte Frank Grund laut „Handelsblatt“ auf der Veranstaltung am Dienstag. Damit nimmt er Bezug darauf, dass die Zentralbank den Einlagezins erneut nach unten korrigiert hat. Wollen die Banken und Investoren Einlagen bei der EZB parken, müssen sie künftig minus 0,5 Prozent „Strafzins“ zahlen statt wie bisher 0,4 Prozent.

15 Lebensversicherer in Manndeckung der BaFin

Der nun verschärfte Kurs setze vor allem Lebensversicherer und Pensionskassen weiter unter Druck, wie Grund beklagt. Bisher habe er die Gesellschaften immer angehalten, sie sollten "nicht lamentieren, sondern die Realität zu akzeptieren und sich auf die aktuelle Zinssituation bestmöglich einzustellen.“ Das hätten sie auch weitgehend getan, lobte der promovierte Jurist die Branche: Viele Versicherer hätten ihre Eigenmittel gestärkt, die Kosten gesenkt und die Überschussbeteiligung der Kunden reduziert. Hier seien weitere Anstrengungen nötig.

Wie Grund auf der Veranstaltung weiter berichtete, haben sich die existentiellen Nöte einiger Branchenteilnehmer dennoch nicht verflüchtigt, im Gegenteil. 15 der knapp 90 Lebensversicherer seien derzeit unter verschärfter Beobachtung der BaFin, zudem 31 von rund 135 Pensionskassen, berichtete Grund. Bei diesen Gesellschaften besteht der Verdacht, dass sie ihre Pflichten gegenüber den Kundinnen und Kunden innerhalb der nächsten 15 Jahre nicht erfüllen können. Die Versicherer müssen der BaFin einen Krisenplan vorlegen und Maßnahmen, wie sie ihr Kapital aufstocken können.

Wiederanlagerendite: 0,5 Prozent

Was der Niedrigzins bewirkt, verdeutlichte BaFin-Abteilungsleiter Kay-Uwe Schaumlöffel, bei der BaFin für Lebensversicherer und Kapitalanlagen zuständig. Die Finanzaufsicht gehe mittlerweile in ihren langfristigen Prognoserechnungen von einer Wiederanlagerendite von 0,5 Prozent aus. Damit dürfte es den Vorsorgeanbietern zunehmend schwer fallen, speziell die Zusagen an die Kundinnen und Kunden aus hochverzinsten Garantieverträgen zu erwirtschaften.

Die Versicherer setzen nun verstärkt auf Immobiliendarlehen und Anleihen für Unternehmen, da Staatsanleihen kaum noch was abwerfen. Wie sich dies auf die Stabilität der Versicherer auswirke, wolle die BaFin laut Grund nun verstärkt unter die Lupe nehmen.

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Aktuell werden die Kapitalanforderungen an Lebensversicherer neu diskutiert. Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA startete im Oktober den Konsultationsprozess, um mögliche Korrekturen am aktuellen Aufsichtsregime Solvency II vorzunehmen. Die Frist für Konsultationen endet am 15. Januar 2020.

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