Es war ein Aufregerthema der letzten Wochen: Wenn Riester-Sparer zulagenbedingt ihre Beiträge senken oder erhöhen, müssen sie bei vier von zehn Versicherern erneut Abschluss- und Vertriebskosten zahlen. Der Versicherer rechnet einfach so, als hätte der Kunde den Vertrag von Beiträgen freigestellt bzw. einen neuen Vertrag abgeschlossen.

Anzeige

Festgestellt hatte diese fragwürdige Praxis die Verbraucherzentrale Hamburg in einer Umfrage. Sie wertete das Gebaren der Versicherer sogar als einen Beleg dafür, dass die Riester-Rente gescheitert sei. Ein Armutszeugnis für eine Branche, die um das Vertrauen ihrer Kunden ringt. Zum wiederholten Male mussten sich die Versicherer den Vorwurf der Abzockerei gefallen lassen (der Versicherungsbote berichtete).

Doch damit ist nun Schluss. Das Bundesfinanzministerium und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistiungsaufsicht (BaFin) als oberste Aufsichtsbehörde sind gemeinsam eingeschritten und haben den Versicherern untersagt, doppelt die Hand aufzuhalten. Das berichten übereinstimmend mehrere Medien.

Besonders Eltern betroffen

Konkret ging es um Mehrbelastungen, von denen vor allem Eltern betroffen waren. Der Hintergrund: Um die volle Riester-Förderung zu erhalten, müssen die Sparer mindestens vier Prozent ihres Bruttolohnes in den Vertrag einzahlen. Bei der Geburt eines Kindes wird Eltern aber eine Kinderzulage angerechnet, die jährlich zur Grundzulage obendrauf kommt: aktuell 185 Euro für Kinder, die vor 2008 geboren wurden, und 300 Euro für Kinder, die 2008 oder später zur Welt kamen. Weil die Zulagen als Beitrag gewertet werden, müssen Eltern nach der Geburt eines Kindes oft weniger in ihren Vertrag einzahlen, um voll förderfähig zu sein.

Das machten sich viele Versicherer bisher zu Nutze. Ist das Kind nämlich volljährig und erhält keine Zulage mehr, müssen die Eltern folglich den Beitrag wieder anheben, um die Vier-Prozent-Regel zu erfüllen. Eigentlich kein großer Akt, der kaum Kosten erzeugen sollte: der Beitrag muss zum Beispiel auch angepasst werden, wenn sich der Lohn eines Versicherten erhöht. Die Versicherer aber beriefen sich auf § 165 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und argumentierten, dass das Senken des Eigenbeitrags durch den Kunden wie eine Teilbeitragsfreistellung zu behandeln ist. Eine solche würde es tatsächlich erlauben, beim Raufsetzen der Versicherungsprämie erneut Provision zu kassieren.

Die Konsequenzen waren für die Betroffenen bitter. Riester-Sparer, deren Einkünfte stark schwankten und deshalb ihren Beitrag oft korrigieren mussten, wurden ebenso doppelt mit Provisionen belastet wie Eltern, die aufgrund der Kinderzulage die Prämie senkten und anhoben. Weil die Kosten nach wie vor in den Verträgen intransparent ausgewiesen werden, bemerkten viele Kunden das Prozedere nicht.

Das war nicht im Sinn des Gesetzgebers, der die Riester-Verträge jährlich mit Milliardensummen aus Steuergeldern fördert. Und so zeigt er nun den betroffenen Versicherern die rote Karte.

BaFin hat Versicherer angeschrieben, dass Praxis unwirksam ist

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) berichtet in ihrem Magazin von Oktober 2019, dass doppelte Riester-Provisionen künftig nicht mehr gestattet sind. Sie schreibt:

“Die BaFin hat festgestellt, dass eine Vielzahl von Lebensversicherern bei Riester-Rentenversicherungsverträgen Doppelprovisionen erhebt. Bei den Verträgen handelt es sich um private Altersvorsorgeverträge nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG). Wenn sich die staatliche Zulage in der Ansparphase ändert und infolgedessen der Eigenbeitrag des Kunden steigt oder sinkt, berechnen viele Unternehmen ihren Kunden erneute Abschluss- und Vertriebskosten.“

Die Aufsichtsbehörde berichtet weiter: Bereits mit einem Schreiben vom 14. März 2019 habe das Bundesfinanzministerium Unternehmen, die doppelte Provisionen berechnen, darauf hingewiesen, dass diese Praxis unwirksam sei. So hat das Ministerium die zugrundeliegende Altersvorsorge-Produktinformationsblatt-Verordnung (AltvPIBV) um eine Randziffer 29 ergänzt. Dort heißt es:

„Ändert sich die Beitragssumme während der Laufzeit, dürfen zusätzliche Kosten nur auf die positive Differenz zwischen neuer und ursprünglicher Beitragssumme erhoben werden, maximal in Höhe des Prozentsatzes, welcher auf dem individuellen Produktinformationsblatt ausgewiesen ist. Eine positive Differenz zwischen neuer und ursprünglicher Beitragssumme liegt nicht vor, wenn beispielsweise erhöhte Eigenbeiträge wegfallende Zulagen ersetzen. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass reduzierte Eigenbeiträge durch höhere Zulagen ersetzt werden.“

“Kundenbeschwerden im Sinne der Verbraucher behandeln“

Dass die Versicherer tatsächlich doppelt abkassieren, hat die BaFin noch einmal in einer Stichprobe unter 20 Lebensversicherern untersucht — und die Praxis bestätigt gefunden. Diese Anbieter wurden nun bereits angeschrieben. Die Verbraucherschutzabteilung der BaFin „hat sich von allen betroffenen Unternehmen schriftlich bestätigen lassen, dass sie künftig keine Doppelprovisionen mehr erheben und Kundenbeschwerden zu bereits erhobenen erneuten Abschluss- und Vertriebskosten im Sinne der Verbraucher behandeln werden“, heißt es im aktuellen Journal der Aufsichtsbehörde.

Ob das freilich heißt, die Kunden können doppelte Kosten nun auch rückwirkend zurückfordern, geht aus dem BaFin-Text nicht hervor. Der Versicherungsbote bemüht sich um Klärung. Fakt ist, dass die betroffenen Versicherer mit ihrem Vorgehen der Branche einen Bärendienst erwiesen haben: auch jenen, die diese doppelten Provisionen nicht berechnen. Ob die Versicherer verlässliche Partner für die Altersvorsorge der Deutschen sind, wird auch wegen derart zwielichtiger Methoden immer wieder debattiert.

Mittlerweile mehren sich auch in der Bundesregierung kritische Stimmen, die am Modell Riester zweifeln. So hat jüngst Ralf Kapschack, Rentenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, die Riester-Anbieter scharf kritisiert:

Anzeige

„Das Vertrauen in Riester ist ramponiert, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten, Provisionen und der Unübersichtlichkeit der Produkte. Aber auch wegen der Kapitalmarktentwicklung“, sagte Kapschack dem Versicherungsboten. Und weiter: "Ich glaube, dass die private Altersvorsorge nur über ein staatlich bzw. öffentlich-rechtliches Standard-Produkt wieder an Schwung gewinnt. Die Versicherungswirtschaft befürchtet das und kommt jetzt allmählich mit eigenen Vorschlägen. Vielleicht etwas spät.“

Anzeige