Dieses Detail lässt aufhorchen. Nicht nur wissen die Verantwortlichen für den Gesetzentwurfs nicht, was die Zahlen bedeuten – was schon beängstigend genug wäre bei einem Gesetz, das tief in den Markt eingreift. Weit schlimmer: Da nicht verstanden wird, wie die Zahlen überhaupt zustande kommen, kann auch nicht vernünftig gefragt werden, wie sich die Zahlen überhaupt errechnen.

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Spiegelt sich in diesem Problem ein grundlegender methodischer Mangel der gesamten Evaluierung wider? Laut Branchendienst muss davon ausgegangen werden. So ergab eine Anfrage bei der BaFin, dass die Versicherer für die Evaluierung des Lebensversicherungsreformgesetzes zwar angeben mussten, “welche Abschlussprovisionen gemessen an den Bruttobeitragssummen an Versicherungsvermittler aus dem Neugeschäft des Jahres 2017 gezahlt bzw. in Aussicht gestellt wurden“. In die Zahlen flossen allerdings auch die Provisionen für die Restschuldversicherung komplett ein. Wie (und ob überhaupt) jedoch die BaFin das daraus entstehende Problem fehlender Aussagekraft für viele Produkte der Lebensversicherung bedachte, lässt sich nach jetzigem Stand nicht klären. Ebenso wenig lässt sich klären, wie die Abstimmung zwischen BaFin und Bundesministerium der Finanzen (BMF) beim Austausch der Daten erfolgte.

BaFin widerspricht eigener Angabe

Mehr noch: Die stets Transparenz einfordernde BaFin wird selbst nebulös, wenn Sie zur Erhebung ihrer Daten Angaben liefern soll. Zwar hätte man „bei Zusammenstellung der Daten“ berücksichtigt, „welche Versicherer Restschuldversicherungen in einem wesentlichen Umfang vertreiben“, erwiderte die Behörde auf Nachfrage des Branchendienstes. Wie jedoch diese Berücksichtigung konkret erfolgt ist, dazu will sich die BaFin laut Branchendienst nicht weiter äußern.

Hinzu kommt: Eine Fußnote im Evaluierungspapier widerspricht direkt der Darstellung der BaFin. Denn just jener Teil des Evaluierungsberichts, der Vergütungen vor und nach dem LVRG vergleicht, erwähnt anhand einer Fußnote: „Die Angaben im Text beziehen sich auf die im Jahr 2017 geleisteten Zahlungen an Vermittler insgesamt.“ Hingegen findet sich nicht eine Angabe, die darlegt, man wäre methodisch auf die Unterschiede zwischen der Vergütung der Restschuldversicherung und der Vergütung anderer Produkte eingegangen. Das Fehlen solcher Hinweise trifft nicht nur für den Evaluierungsbericht, sondern auch für weitere Schriftstücke zu – genannt sei eine Antwort der Bundesregierung vom 10. Mai (Drucksache 19/10059) auf eine kleine Anfrage der FDP – die erstmals jene maßgebenden Zahlen der BaFin für den Evaluierungsbericht präsentierte, die nun so grundlegend fehlgedeutet wurden.

Steckt aber hinter solchen methodischen Ungenauigkeiten auch Methode? Zumindest in der Möglichkeitsform äußert der Branchendienst auf seiner Webseite nun den Verdacht: „Wenn das SPD-geführte BMF" die Daten „wissentlich falsch interpretiert“ hätte, „um die Notwendigkeit eines LV-Provisionsdeckels vorzugaukeln“, dann wäre das "ein politischer Skandal“.

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Denn eine Erhebung, die besser zwischen verschiedenen Produktgruppen differenzieren würde, ergibt eventuell einen ganz anderen Befund als den aktuellen: Zwar bestätigt sich mit großer Wahrscheinlichkeit der Handlungsbedarf für die Restschuldversicherung. Jedoch: Ob mit gleicher Wahrscheinlichkeit ein Regulierungsbedarf bei Lebensversicherungsprodukten mit Sparanteil geboten wäre, muss nach jetzigem Stand zum Teil als unbeantwortet gelten.

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