Auch im ifo-Modell ist der Grundgedanke, dass sich der Staat von den Bürgern Geld leiht, um damit dringend notwendige Investitionen anzuschieben. Die Verfasser des ifo-Papiers, darunter Instituts-Präsident Clemens Fuest, diskutieren ihre Bürgerrente ebenfalls am Beispiel des norwegischen Staatsfonds, nennen aber auch andere potentielle Vorbilder wie die SAMA Foreign Holdings in Saudi Arabien oder China Investment Corporation in China (hier als pdf herunterladbar).

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Hier sei auf ein Grundproblem eines deutschen Staatsfonds hingewiesen: Er kann sich nicht an reichen Erdölvorkommen laben wie das norwegische Vorbild. Dort fließen seit 1990 die direkten Erdöl-Einnahmen in den Topf. In Deutschland müssen andere Finanzquellen angezapft werden: etwa freiwillige Beiträge der Rentenzahler wie im Modell der Deutschlandrente oder Steuern sowie Gelder aus Bundesanleihen wie im Modell von Scope.

Government Pension Fund: 944 Milliarden Euro Vermögen

Dass sich nun auch Robert Habeck für einen staatlichen Fonds ausspricht, erhöht die Chancen, dass ein solches Modell bald für Deutschland ernsthaft diskutiert werden könnte. Eine Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene ist nicht unwahrscheinlich: in Meinungsumfragen liefert sich die Partei aktuell ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU um die stärkste politische Kraft im Lande. Hier wird sich zeigen müssen, ob der Höhenflug auch zur kommenden Bundestagswahl noch Bestand hat.

Robert Habeck erläuterte im Gespräch mit der "Süddeutschen" keine näheren Details zu dem von ihm geforderten Modell, verwendet aber wie das ifo-Institut den Begriff "Bürgerfonds". Gleichsam verweist er auf den norwegischen Government Pension Fund als potentielles Vorbild: nicht von ungefähr. Mit umgerechnet 944 Milliarden Euro Marktwert ist er der größte staatliche Fonds weltweit: und bietet Anschauungsmaterial auch für längere Analysen. Gegründet wurde der Kapitalstock im Land der Fjorde bereits 1990.

Tatsächlich verfügt der Norwegische Staatsfonds über Anlagemöglichkeiten, auf die manch Lebenversicherer dank gesetzlicher Fesseln nur neidisch blicken kann. Laut ifo-Institut haben die Norweger 66,3 Prozent ihres Fondsvermögens in Aktien investiert, 30,7 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren und 3,0 Prozent in nicht börsennotierten Immobilien. Bei vielen Versicherern sieht das Verhältnis genau umgekehrt aus: fast zwei Drittel stecken noch in festverzinslichen Wertpapieren, auch, weil es der Gesetzgeber so vorschreibt. In Zeiten niedriger Zinsen werfen diese aber kaum noch was ab.

Auch die Performance des weltgrößten Staatsfonds kann sich sehen lassen. In der Zeit von 1998 bis 2018 erzielte der norwegische Pensionsfonds eine jährliche Rendite von 5,47 Prozent, so berichtet das ifo-Institut, die jährlichen Kosten für die Verwaltung des Fonds beliefen sich in diesem Zeitraum auf lappige 0,08 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Bei manch einem Riester-Vertrag fressen Abschluss- und Verwaltungskosten beinahe jeden fünften eingezahlten Euro auf: Die hohen Kosten von Riester und Co. sind seit Jahren Zielscheibe für die Kritik von Verbraucherschützern.

Versicherungsbranche dagegen

Aber es gibt auch kritische Stimmen zu den Plänen, den Staat als mächtigen Investor an die Börsen zu schicken. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat sich wiederholt gegen den Plan eines Staatsfonds nach norwegischem Vorbild ausgesprochen. Auf den ersten Blick durchschaubar: die private Versicherungsbranche wäre bei solch einer Lösung komplett außen vor. Ihr würde ein sehr mächtiger Konkurrent entstehen, der das Altersvorsorge-Geschäft der Privatversicherer deutlich schwächen würde.

Aber der GDV-Verband nennt durchaus nachvollziehbare Kritikpunkte. Einer wäre, dass sich ein solcher Fonds in erster Linie an Arbeitnehmer mit stabilen Beschäftigungsverhältnissen wendet: zumindest, wenn er über Arbeitgeber organisiert wird wie bei der "Deutschlandrente". Geringverdiener und Menschen in prekärer Beschäftigung würden wohl auch mit den erworbenen Ansprüchen aus der Zusatzrente kaum über Grundsicherungsniveau kommen: vorausgesetzt, man macht die Renten-Ansprüche von den gezahlten Beiträgen abhängig. Hier ließe sich debattieren, ob bei einem Steuer- und Anleihefinanzierten Modell wie jenem der Ratingagentur Scope die erworbenen Ansprüche auch unabhängig von gezahlten Beiträgen organisiert werden könnten: alle erhalten dieselbe Extra-Rente.

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Ein weiteres Argument der Kritiker: Die Gelder in einem solchen Fonds sind vor dem Zugriff des Staates nicht sicher. Tatsächlich sehen die Modelle eine recht lange Vorlaufzeit vor, bis überhaupt etwas daraus fließen soll. Im Scope-Modell solle der Staat mindestens 20 Jahre sparen, bis erstmals eine Extrarente ausgezahlt wird. Mit noch mehr Zeit rechnet das ifo-Institut für sein Modell: Wer von Anfang an mit Fondsanteilen dabei ist, soll von etwa 2070 an eine jährliche Zusatzrente von inflationsbereinigt rund 1270 Euro bekommen. Was, wenn der Staat in dieser Zeit Finanzlöcher stopfen muss? Hier verwies bereits das Hessische Ministerium bei seiner Deutschlandrente 2015 darauf, dass ein Zugriff auf diese Gelder gar nicht zulässig sei. "Diese Anteile sind von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie nach Artikel 14 des Grundgesetzes vor staatlichem Zugriff genauso geschützt wie alle anderen Wertpapiere", schrieb das Ministerium in einer Stellungnahme.

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