Sachbearbeiter 4.0: 60 Prozent Fach-, 40 Prozent IT-Arbeit

Den größten Veränderungsprozess muss der Mensch durchlaufen. Die Job-Anforderungen werden sich massiv verändern. Die Stellenbeschreibungen für einen Sachbearbeiter, Kundenbetreuer oder Produktentwickler enthalten neben fachlicher Expertise deutlich mehr IT-Kenntnisse. Ein Fachexperte muss künftig einige bis viele IT-Arbeiten in Kooperation mit einem IT-Spezialisten oder Data Scientist selbst erledigen können. Ein Beispiel ist der Einsatz von Robotic Process Automation, die Automatisierung von Standardabläufen durch eine Software. Die Befehlsabfolgen kann ein geschulter Sachbearbeiter ebenfalls programmieren und dabei seine fachlichen Anforderungen berücksichtigen. In einem fortgeschrittenen Unternehmen reduziert sich die Arbeit der Sachbearbeiter auf 60 Prozent rein fachliche Arbeit, in der übrigen Zeit bringen sie ihr Know-how in IT-Tätigkeiten ein.

Anzeige

Business IT Alignment der kleinen Schritte

Klassische Startgebiete für den Umbruch sind das IT-Testing sowie die fachliche Beratung der IT-Entwickler. Berater oder Sachbearbeiter können besser bewerten, wie geschäftskritisch Abläufe sind, welche IT-Systeme und weiteren Prozesse betroffen sind und wie schwer sich IT-Fehler einer neuen Software beim Kunden auswirken. Ihr Know-how ist damit Gold wert, und das Management freut sich über schnelle Fortschritte.

Dabei darf es allerdings nicht bleiben. Im Ergebnis werden Management und HR nicht umhinkommen, komplett neue Berufsbilder zu entwickeln. Mitarbeiter müssen rekrutiert, überzeugt und qualifiziert werden. Nicht immer werden die eigenen Mitarbeiter diesen Schritt akzeptieren, einige werden kündigen. Diese Lücke müssen die Unternehmen schließen, auch indem sie Allrounder ausbilden und Zwitterpositionen für die Schnittstellen schaffen.

Einige Versicherer haben aus Negativerfahrungen Konsequenzen gezogen, indem sie zunächst punktuell die strategische Entscheidung trafen, Fach- und IT-Seite näher zusammenzubringen. Als konkrete operative Maßnahmen haben sie Sachbearbeiter zunächst für einfache IT-Tests weitergebildet. Zudem werden reine Produktspezialisten mit IT-Wissen „aufgeschlaut“. Sie erlernen, wie sie zum Beispiel Analyse- und Business-Intelligence-Tools selbst bedienen und einsetzen können, um Daten in Erkenntnisse und Anwendungsfälle zu verwandeln.

Dieser Prozess befindet sich auch bei diesen Unternehmen noch am Anfang, allerdings haben sie den Handlungsbedarf erkannt und Veränderungen eingeleitet. Denn das Testen von Software kann nur der Einstieg für ein umfassenderes Verschmelzen von Fach- und IT-Seite sein. Der Transformationsprozess ist einschneidend, mühsam und langwierig. Die Beispiele zeigen aber, dass sich der Schritt bei ausreichender Konsequenz auszahlt: zunächst in Form von schnelleren Entwicklungszeiten, weniger Fehlern und weniger Ausschuss bei den digitalen Endprodukten, später mit einer agilen, datengetriebenen Organisation, die es mit Start-ups und Amazon aufnehmen kann.

Informationen zum Autor:

Anzeige

Christoph Jimenez Ramos ist Manager im Geschäftsbereich Insurance bei Sopra Steria Consulting. Der Praktiker besitzt 20 Jahre Berufs- und Beratungserfahrung in der Versicherungsbranche. Sein Themen- und Beratungsschwerpunkt ist das Testmanagement bei Versicherungen.

vorherige Seite
Seite 1/2/

Anzeige