In Deutschland müssen immer mehr Privat- und Geschäftskunden einen Negativzins zahlen, wenn sie ihr Geld bei der Bank parken. Das zeigt eine Umfrage des Verbraucherportals biallo.de im Auftrag der „Süddeutschen Zeitung“. Demnach müssen vor allem Geschäftskunden einen „Strafzins“ zahlen. Aber auch vermögende Privatkunden werden zur Kasse gebeten: in der Regel, wenn sie höhere Summen auf einem Tagesgeld- oder Girokonto anlegen.

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Viele Sparkassen und Raiffeisenbanken

Komkret hatte biallo.de im Auftrag der „Süddeutschen“ 1.200 Geldinstitute angefragt. Hier gilt es bereits zu relativieren, denn nur 160 Banken haben überhaupt geantwortet: Ihnen ist also bereits anzurechnen, dass sie transparent Auskunft gaben. Von diesen haben 107 Banken und Sparkassen angegeben, dass sie Negativzinsen berechnen. Oder wie es auch heißt: ein „Verwahrentgelt“.

Sind nun überproportional viele öffentliche Banken und Genossenschafts-Banken unter jenen, die Zinsen erheben, so kann dies das Bild verzerren: eben dadurch, dass sie überhaupt die Anfrage beantwortet haben. Insgesamt 30 Geldhäuser erheben demnach von Privatkunden einen Strafzins. In der Regel sind das 0,4 Prozent, wenn die Kunden höhere Anlagesummen bei der Bank haben. Darunter sind mehrheitlich Sparkassen und Raiffeisenbanken.

Einige Beispiele: Die Berliner Sparkasse berechnet 0,4 Prozent ab einem Anlagevermögen von einer Million Euro auf das Tagesgeld- und Girokonto. Die Ethikbank und Frankfurter Volksbank berechnet diesen Satz nach individueller Vereinbarung, aber in der Regel auch für höhere Beträge.

Die Hamburger Sparkasse (Haspa) greift ab einem Guthaben von 500.000 Euro auf Tagesgeld- und Girokonto zu. Auch die Nassauische Sparkasse, zehntgrößtes Institut nach Bilanzsumme, hat zum 1. Juli Negativzinsen für Privatkunden eingeführt: ebenfalls ab 500.000 Euro. Ebenfalls Strafzins erhebt der Online-Broker Flatex. Die komplette Liste mit den einzelnen Details ist auf der Webseite von Biallo einzusehen.

Mittelstand muss zahlen

Noch größer ist die Zahl der Banken und Sparkassen, die von ihren institutionellen Kunden und Geschäftskunden einen Strafzins erheben: insgesamt 103 der 160 befragten Banken stellen einen solchen in Rechnung. Auch hier sind es mehrheitlich 0,4 Prozent Zins, die in Rechnung gestellt werden: Der Wert, ab dem das gilt, variiert hier je nach Institut stark zwischen 100.000 Euro und 2,5 Millionen Euro Anlagebetrag. Auch diese Institute finden sich auf der Webseite von Biallo.

Bedenklich ist das deshalb, weil nun gerade kleine und mittelständische Firmen zur Kasse gebeten werden, wenn sie Geld bei Banken zurücklegen wollen: Sie haben oft ihr Geld bei regionalen Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Und ein Ende des Niedrigzinses in Europa ist nicht in Sicht. Laut EZB werden die Zinsen voraussichtlich bis Mitte 2020 auf dem aktuellen Niveau oder darunter verbleiben: mindestens.

Laut einer Umfrage des ifo-Institutes aus dem Jahr 2017 ist schon jede fünfte deutsche Firma von Strafzinsen betroffen: Der Wert dürfte seitdem sogar leicht angestiegen sein. Bei den mittleren Unternehmen (50 bis 250 Mitarbeiter) lag dieser Wert sogar bei 26 Prozent und bei großen Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern klagen 29 Prozent über Strafzinsen (der Versicherungsbote berichtete).

Dass der Negativzins das Geschäft einer Firma belasten kann, zeigt die ifo-Studie ebenfalls. So gab fast jedes zehnte Unternehmen (8 Prozent) zu Protokoll, die Negativzinsen hätten die Ertragslage „stark beeinflusst“. Bei 39 Prozent sei der Einfluss auf die Gewinne weniger groß gewesen, berichtet das Institut – aber immer noch spürbar. Nur 53 Prozent der Firmen sagten, sie merken keine Auswirkungen auf ihren Ertrag. Für die Studie hat das Münchener Institut insgesamt 4.000 Firmen befragt.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken bieten immer noch Anlaufstellen

Die Strafzinsen bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken könnten auch daher rühren, dass sie noch immer ein großes Netz an Zweigstellen und Filialen unterhalten. Nicht nur zum Nachteil: gerade in ländlichen Regionen haben die Bewohner oft keine Anlaufstelle mehr, um Bargeld abzuheben oder sich zur Geldanlage beraten zu lassen. Hier füllen die öffentlichen und Genossenschaftsbanken auch eine Lücke, die private Anbieter hinterlassen haben.

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Genauer: Laut Bundesbank bezifferte sich die Zahl der Bank-Zweigstellen in Deutschland zum Jahresende 2017 auf 30.126 Filialen. Davon entfielen 10.174 Adressen allein auf die Sparkassen und Landesbanken. Das zweitgrößte Filialnetz unterhielten die genossenschaftlichen Banken mit 9.455 Adressen. Alle Privatbanken zusammengenommen: "nur" 9042 Anlaufstellen.

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