Fakt ist: Private Zusatzpolicen haben ihren Nutzen und können hohe Kosten im Pflegefall auffangen oder zumindest schmälern. Dennoch gelten sie aktuell als Nischenprodukt mit begrenzter Reichweite. Gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung haben einen solchen Schutz abgeschlossen. Demnach ist es durchaus sinnvoll, an ein „Mehr“ bei der privaten Vorsorge zu appellieren, besonders aus Sicht der Vorsorgenden. Auch diese recht teuren Policen sorgen freilich dafür, dass die Bürger am Ende weniger vom Lohn übrig haben: wenn auch privatwirtschaftlich organisiert.

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Beihilfe-System: Staat zahlt für Beamte und Pensionäre in der PKV

Eine andere Frage jedoch ist, in welchem Maße das System der privaten Kranken- und Pflegeversicherung bei Problemen des demografischen Wandels Alternativen bietet. Und für diese Frage sind mehrere Hinweise nötig, die eher zu Skepsis führen. So wäre zum Beispiel eine Vorstellung verfehlt, die den Staat in die demografische Falle verortet, die private Versicherungswirtschaft jedoch in den Bereich einer ausgleichenden Eigenverantwortung. Keineswegs nämlich sind private Versicherer unabhängig von Ausgaben des Staates.

Über die sogenannte Beihilfe übernehmen Bund und Länder bei privatversicherten Beamten nämlich die Hälfte der Arzt- oder Krankenhauskosten, bei Pensionären sind es sogar 70 Prozent - je nach Familiensituation sowie Bundes- und Landesrecht. Gezahlt werden die Beihilfen aus Steuergeldern. Und diese Ausgaben könnten in den kommenden Jahren deutlich zulegen. Schon jetzt zahlen Bund und Länder zusammen 12 Milliarden Euro an Beihilfen - laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung könnten sich diese Ausgaben bis 2030 auf über 20,2 Milliarden Euro erhöhen.

Für solche Zahlen muss bedacht werden: Mit 42,2 Prozent aller Vollversicherten stellen Beamte die größte Gruppe unter den privat Vollversicherten. Zweitgrößte Gruppe, mit 17,5 Prozent: die Pensionäre. Der SPD-Gesundheitsökonom Karl Lauterbach nannte die private Krankenversicherung daher schon "Beamtenversicherung" und vertritt mit anderen Kritikern des Systems die These: Ohne staatliche Beihilfen wäre die PKV nicht überlebensfähig (der Versicherungsbote berichtete). Und mehr alternde Beamte und mehr Pensionäre in der PKV lassen den gleichen Effekt erwarten, der dem Staat auch bei gesetzlich Versicherten zum Problem wird: Zunehmendes Alter führt zu zunehmenden Behandlungs- und auch Pflegekosten.

Solche Kosten lasten auch bei privat versicherten Beamten und Pensionären zu einem nicht geringen Teil auf den Schultern des Steuerzahlers, zumal Beamte und Pensionäre auch Anspruch auf Beihilfe für Pflegeleistungen haben. Doch Kritik oder Reformvorschläge zum Beihilfe-System hört man aus Reihen der privaten Krankenversicherer kaum. Deshalb, weil die Gesellschaften selbst davon profitieren?

Pflegenotstand: Es fehlen Antworten

Ein weiteres Problem kommt hinzu zu dem Umstand, dass auch private Anbieter zu einem nicht geringen Teil am Tropf des Staates hängen. Denn wer nur auf selbst heilende Kräfte des Marktes vertraut, hat noch keine Antworten auf den immer wieder prognostizierten Pflegenotstand gefunden (der Versicherungsbote berichtete). Es gibt schlicht zu wenige Pflegekräfte in Deutschland, dennoch wollen gerade private Pflegedienste ihnen nicht einmal einen einheitlichen Flächentariflohn zahlen. Auffallend auch an der WIP-Studie ist: Reformen wie jene des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes werden einzig als "unnötiger" Kostenfaktor betrachtet. Die Notwendigkeit für solche Reformen aber wird kaum thematisiert.

Jedoch: Schon jetzt herrschen in der Pflege häufig prekäre Zustände. Schlecht bezahlt, überfordert und mit unzähligen Überstunden arbeiten viele Pfleger am Limit, ergab eine Studie im Auftrag von ver.di aus dem Jahr 2018 (der Versicherungsbote berichtete). Bundesweit fehlen den Kliniken demnach bereits 80.000 Pflegekräfte. Die Krankenhäuser müssten ihr Personal um 22 Prozent aufstocken, um den Bedarf zu decken. Eine alarmierende Prognose in diesem Kontext präsentiert die Bertelsmann-Stiftung: Demnach könnte die Zahl der Pflegebedürftigen schon bis 2030 auf 3,4 Millionen anwachsen und könnten dann 500.000 Pflegekräfte fehlen. Hier sei dringendes Gegensteuern notwendig, mahnt die Stiftung, und zwar sofort. Am Status Quo festhalten und an Eigenverantwortung appellieren hilft angesichts solcher Szenarien wenig.

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Somit gilt: Zwar ist die Studie aus dem Hause der privaten Versicherer ein wichtiger Debattenbeitrag, der auf die drohende Entwicklung der Beiträge zur Pflegeversicherung, nach jetzigem Stand, hinweist. Ein Patentrezept jedoch, wie in Zukunft steigende Pflegekosten gestemmt werden können und wie zugleich eine gewisse Beitragsstabilität garantiert werden kann, legt auch die private Versicherungswirtschaft nicht vor. Im Gegenteil: Bei den Schwächen des eigenen PKV-Systems zeigen sich die Studienmacher blind. Letztendlich werden Lösungen nötig sein, die auch systemübergreifend nach Auswegen aus der demografischen Misere suchen. Diese Antworten stehen jedoch noch aus.

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