Versicherungsbote: Zwei wichtige Verbände – der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) – wollen klagen, sobald es zur Einführung des Provisionsdeckels kommt. Die Motivation hinter diesem Widerstand ist deutlich: Auf Leben-Produkte spezialisierte Vermittler befürchten Einnahme-Einbußen im Neugeschäft, auch ist er möglicherweise verfassungswidrig. Sie haben sich in einer Presseerklärung ebenfalls gegen den Provisionsdeckel in der Lebensversicherung ausgesprochen. Warum sollten auch Versicherer gegen den Deckel vorgehen?

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Martin Gräfer: Wir teilen die Analyse der beiden Rechtsexperten ausdrücklich. Deshalb hat die Versicherungsgruppe die Bayerische aktiv im Vorfeld die aktuellen Rechtsgutachten zu dem Thema von den beiden renommierten Rechtsexperten Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski unterstützt und sich auch an der Finanzierung beteiligt. Ein Provisionsdeckel führt in die falsche Richtung. Er hilft weder Verbrauchern noch Versicherungsvermittlern - aber auch nicht den Versicherungsunternehmen.

Gibt es ganz konkrete Auswirkungen fürs Geschäft, die Sie bei Einführung eines Provisionsdeckels in der Lebensversicherung fürchten?

Ein gesetzlicher Provisionsdeckel wird dazu beitragen, dass sich die Anzahl der qualifizierten Berater weiter reduzieren wird und breite Bevölkerungsschichten so keinen Zugang zu einer Vorsorgeberatung erhalten. Und ob es vorteilhaft ist, Produkte online und ohne Beratung selbst einzukaufen können, wage ich zu bezweifeln.

Stattdessen wird wohl das Angebot alternativer Anlagen zur Altersvorsorge zunehmen, die bisher über keine Beschränkung der Vergütung reguliert werden oder bei denen auch die Beratung insgesamt im Prinzip nicht reguliert ist. Und dieser Punkt macht mir dann eher Sorge. Denn beispielsweise Goldsparpläne oder Immobilien für jedermann, mit überaus attraktiven Provisionen für den Vermittler, sind für die Mehrheit der Bundesbürger keine echten Alternativen.

Der Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) führt aus, die Abschlusskosten in der Lebensversicherung seien nur um rund fünf Prozent zurückgegangen. Der Gesetzgeber hatte aber eine weit stärkere Absenkung dieser Kosten im Sinn. Aus diesem Grund müssten Lebensversicherer auch weitere Anstrengungen unternehmen, um Kosten zu senken. Halten Sie die Kritik, die ja direkt die Versicherer betrifft, für berechtigt? Auch Maklerverbände gaben in ihren Presseerklärungen zu, dass es Provisionsmissbrauch geben würde.

Eine qualifizierte Beratung hat einen wesentlichen Wert und kostet daher auch Geld. Provisionen sind dabei eine wichtige Einnahmequelle für Versicherungsvermittler. Das wird von den Verbrauchern auch anerkannt, wie Studien zeigen. Allein in den letzten drei Jahren wurde die Höhe des Provisionswertes durch Reduktion der möglichen Zillmerung und der Verlängerung von Provisionshaftzeiten erheblich vermindert. In unserem Hause beispielsweise betrug die Reduktion bei Abschlussprovisionen für Altersvorsorgeprodukte rund 20 Prozent. Gleichzeitig aber ist der Aufwand für qualifizierte Beratung deutlich gestiegen.

Private Rentenversicherungen sind attraktiv, denn der Wert dieser Art von Vorsorge besteht eben nicht nur in der Rendite während der Ansparphase, sondern auch und gerade durch die damit verbundene, lebenslange Rente. Allerdings ist die Vermittlung dieser Produkte äußerst beratungsintensiv. Wird nun der zwischen Versicherer und Kunden freiwillig vereinbarte Preis von staatlicher Seite nach unten reguliert, führt das zwangsläufig zur einer Verschlechterung der Beratungsqualität. Das schadet den Verbrauchern.

Teilen Sie das Ziel, die Abschlusskosten zu senken? Wenn ja: Welche Wege haben Sie als Versicherungsunternehmen, jenseits eines gesetzlich vorgeschriebenen Provisionsdeckels auf die Höhe der Kosten Einfluss zu nehmen?

Es geht auch anders: die Bayerische etwa bietet seit Umsetzung des LVRG für Vermittler verschiedene Vergütungsmodelle an. Je nach Antrag kann sich der Berater neu entscheiden und hat damit konkreten Einfluss auf Höhe und Zufluss seiner Vergütung. Für den Kunden sind diese Modelle neutral. Im Ergebnis führt das in der Produktgruppe Altersvorsorge zu einem Rückgang der Belastung durch Abschlussprovisionen in Höhe von rund 20 Prozent.

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Die Behauptung läuft ins Leere, eine mögliche Fehlsteuerung durch angeblich zu hohe Abschlussprovisionen sei zu vermeiden. Aber vielleicht behindert mich bei der Bewertung dieser Frage, dass ich seit nun über 30 Jahren in der Branche den von außen immer wieder behaupteten Widerspruch‚ Provisionsorientierung gehe vor Kundeninteresse, tatsächlich nie persönlich erlebt habe. Das klingt vielleicht für manche erstaunlich, ist aber so. Die überragende Mehrheit der Marktteilnehmer - und damit meine ich Versicherer wie auch Versicherungsvermittler - geht sehr verantwortungsbewusst mit ihrem Auftrag und Ihrem Beruf um.

...der Kunde hat schon heute die Wahl!

Versicherungsbote: Können Sie sich eine Provisionsdeckel-Lösung vorstellen, die Kritikpunkte aus den Gutachten aufgreift – und zum Beispiel stärker zwischen Anlageprodukten oder Biometrie differenziert? Oder wäre für Sie zum Beispiel eine Lösung vorstellbar, die stärker zwischen beratungsintensiven und weniger beratungsintensiven Produkten differenziert? Oder halten Sie grundsätzlich jede Deckelung der Provisionen für den falschen Weg?

Martin Gräfer: Eine qualifizierte Beratung hat einen wesentlichen Wert und kostet daher auch Geld. Provisionen sind dabei eine wichtige Einnahmequelle für Versicherungsvermittler. Das wird von den Verbrauchern auch anerkannt, wie Studien zeigen.

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Was die Höhe der Provisionen betrifft: Umgelegt auf den Aufwand ist die Vergütung der Versicherungsvermittler niedriger als die Vergütung anderer beratender Berufe. Nach Untersuchungen verdienen viele Versicherungsvermittler weniger als 50.000 Euro im Jahr -wobei sie überdies über lange Zeiträume für die einmal ausgezahlte Vergütung haften. Zum Vergleich: Steuerberater und Rechtsanwälte verdienen im Schnitt fast 80.000 Euro. Warum sollte man also Versicherungsvermittler einseitig schlechter stellen?

Die Maklerschaft ist sich beim Thema „Provisionsdeckel“ keineswegs einig. So hält der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) an seiner Erklärung fest, man wolle gesellschaftliche Entwicklungen realistisch einschätzen und sich mit einem Provisionsdeckel arrangieren. Eine wichtige Ursache dieser Positionierung: Mehr noch als den Provisionsdeckel fürchtet der BDVM Lösungen, in denen der Staat auf anderem Wege die private Altersvorsorge an sich reißt. Als Stichwort diente der nordische Staatsfonds für die Altersvorsorge. Teilen Sie als Vorsorgeanbieter solche Sorgen? Und wie kann man den politischen Reformdruck aus Ihrer Sicht „abwehren“?

Letztlich ist es eine Scheindebatte: Schon heute hat der Verbraucher die Wahl zwischen Provisionstarifen und Honorartarifen. Wir sollten es den Kunden überlassen, selbst zu entscheiden. Eine politische Regulierung ist schlicht nicht notwendig, der Vorschlag führt zu einem unnötigen weiteren staatlichen Eingriff in die private Wirtschaft und in die verfassungsrechtlich garantierte Gewerbefreiheit.

Was werden Sie tun, wenn es zur Einführung eines Provisionsdeckels kommt? Sollten auch Versicherer den Weg der zwei Verbände gehen und gegen eine Einführung klagen? Oder gibt es andere Pläne für den Fall, dass der Gesetzgeber ernst macht?

Die Versicherungsgruppe die Bayerische bietet schon seit vielen Jahren Provisions- und Honorartarife nebeneinander an. Jüngst haben wir deshalb die Nettowelt GmbH & Co. KG in Goslar erworben, einem der führenden deutschen Dienstleister im Bereich der Honorarvermittlung und sie bietet Vertriebspartnern einen umfassenden Service sowie einen Zugang zu den besten Nettopolicen renommierter Lebensversicherer. Dabei wird die Bayerische bei dieser Beteiligung offen sein für Dritte, die das Geschäftsmodell der Honorarvermittlung ebenfalls ausbauen wollen. Damit hat sowohl der Kunde als auch der Vermittler die Wahl.

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Die Fragen stellte Sven Wenig

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