“Versicherungen – fast jeder dritte würde bei Amazon, Facebook etc. kaufen“;“ Chatbots übernehmen die Beratung“; „Künstliche Intelligenz ersetzt Vermittler“. Das ist nur ein kleiner Teil von Aussagen, die in den letzten zwölf Monaten in diversen Publikationen erschienen sind. Die Generation Y „kauft“ Versicherungen digital und hierfür müssen die Versicherer die entsprechenden digitalen Tools und auch Produkte bieten. Und genau hier wird ein entscheidendes Detail übersehen, wenn der „Versicherungskauf“ mit Portalen wie Amazon, Google, usw. in Verbindung gebracht wird.

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Wer weckt den Bedarf?

Der Kunde, der über Amazon ein Produkt kauft, hat entweder den Bedarf nach dem Produkt oder einfach Lust, sich das Objekt seiner Begierde zu kaufen. Die Frage, die sich stellt; Wann aber hat der Versicherungskunde die Absicht, sich einen Versicherungsschutz zu kaufen? Nur dann, wenn er einen Bedarf erkannt hat. Lust auf eine Versicherung spielt als Kaufargument sicherlich keine Rolle.

Tragischerweise erkennen Kunden den Bedarf an einer Versicherung entweder erst, wenn:

  • 1. die „Einschläge“ näherkommen oder es
  • 2. die logische Absicherung von Werten geht.

Im ersten Fall hat der Kunde eventuell bereits eine Zahnmaßnahme hinter sich, bei der er relativ viel selbst aufzahlen musste. Für die Zukunft hat er also erkannt, dass es Sinn macht einen Zahnzusatztarif zu kaufen. Im zweiten Fall schließt der Kunde, der gerade ein Haus gebaut hat, selbstverständlich eine Gebäudeversicherung ab.

Allerdings gibt es im Versicherungsbereich eben auch Produkte, die in aller Regel „verkauft“ werden müssen bzw. dem Kunden im Rahmen einer Beratung sein Bedarf an einer Absicherung erst aufgezeigt werden muss. Egal, was die Digitalisierung in der Versicherungsbranche alles noch bringt; an den urältesten verkaufspsychologischen Grundsätzen hat sich nichts geändert. Bedarf aufzeigen, Lösungen erarbeiten, Einwände behandeln etc. bleiben wichtige Aufgaben des Vertriebs. Wenn sich die Versicherer auf Produkte konzentrieren, die der Kunde von selbst „kauft“, werden Produkte wie die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), ein Krankentagegeld, eine PKV oder auch eine Pflegeversicherung einen schweren Stand haben.

Kann das Alexa?

Der Berater im direkten Kundengespräch spricht bei einem Jahresgespräch zum Beispiel das Thema BU noch beim Kunden an. Und wenn dieser erwähnt, dass er schon „eine BU“ hat, hakt der Berater nach. Er fragt nach der Höhe der Absicherung, zeigt dem Kunden anhand seiner Renteninformation, wie hoch bzw. niedrig seine gesetzliche Absicherung ist und stellt beim Blick in die Unterlagen beim Kunden fest, dass sich die vermeintliche BU-Absicherung als Unfallrente entpuppt. Der Berater überzeugt den Kunden dann vom Produkt durch Empathie, durch die Fähigkeit, Vorwände von wirklichen Einwänden zu unterscheiden und das Gespür für den richtigen Moment für den Verkaufsabschluss.

Schwer zu glauben, dass Alexa einen Berater für solche Szenarien gleichwertig ersetzen kann.

Bedenklich wird das Ganze zusätzlich durch den enormen Vermittlerschwund, der sich in den letzten Jahren zeigt. Anfang 2011 gab es noch rund 263.000 registrierte Vermittler, im Januar 2019 nur noch 201.600. Und der Trend setzt sich fort.

Die Versicherer sind also gut beraten, nicht nur massiv in digitale „Servicetools“ wie zum Beispiel digitale Krankenakte, Serviceapps usw. zu investieren. Diese kommen nämlich nur bereits bestehenden Kunden zu Gute. Die entsprechenden Versicherungen müssen aber erst verkauft werden, damit der Kunde dann in den Genuss der digitalen Services kommen kann.

Die hybride Beratung ist gefragt

Wenn also auch in der digitalen Zukunft den Kunden Versicherungsprodukte „verkauft“ werden sollen, die Lösungen für einen Bedarf des Kunden bieten, von dem er ohne fachliche Beratung gar nichts weiss, müssen dringendst Lösungen gefunden werden. Zum einen mit Tools für eine „hybride Beratung“. Sie sollen die Vermittler unterstützen, zu beratungsintensiven Versicherungsprodukten zu beraten, die der Kunde in der Regel nicht von selbst kauft. Und zum anderen in digitale Beratungstools, die es schaffen, unter Berücksichtigung verkaufspsychologischer Ansätze dem Kunden dessen existenzielle Versicherungslücken aufzuzeigen und eventuell sogar anhand eines geführten Beratungsprozesses den Kunden bis zum Onlineabschluß zu führen.

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Sich auf Produkte zu konzentrieren, die der Kunde von selbst „kauft“ war im Versicherungsbereich noch nie hilfreich und wird es auch nie sein. Weder für den Kunden noch für den Versicherer. Weder in den 80ern noch im Jahr 2030.

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