Das neue Rentenpaket: Fertig geschnürt zum Auspacken

Erst im letzten Monat stimmte der Bundesrat für die Rentenreform der großen Koalition und ermöglichte so, ein neues Rentenpaket zu schnüren. Und was steckt nicht alles drin: So werden ab 2019 Erziehungsleistungen von Müttern und Vätern stärker gewürdigt. Zweieinhalb Jahre können nun Mütter und Väter als Erziehungszeit geltend machen für ihre vor 1992 geborenen Kinder, erhalten demnach nun insgesamt 2,5 Entgeltpunkte pro Kind bei der Rente gutgeschrieben. Bisher waren es nur zwei Jahre Erziehungszeit, die für spätere Rentenzahlungen angerechnet wurden, vor 2014 wurde sogar nur ein einziges Jahr angerechnet.

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Ein weiteres "Geschenk" aus dem Paket: Bis zum Jahr 2025 sichert der Gesetzgeber eine „doppelte Haltelinie für den Rentenbeitrag und das Rentenniveau“. Der Brutto-Beitrag, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zur Rentenversicherung zahlen müssen, wird garantiert bei maximal 20 Prozent des Bruttoeinkommens. Das Rentenniveau und damit das Verhältnis einer durchschnittlich verfügbaren Rente zum Durchschnittslohn wird zudem stabilisiert bzw. eingefroren bei 48 Prozent.

Alles solide berechnet ... bis 2025

Wie aber denkt die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung über solche Pakete, die doch in Zeiten des demographischen Wandels die Rentenkasse zusätzlich belasten? Und ist auch alles durchgerechnet? Für solche Fragen stand DRV-Chefin Gundula Roßbach der Berliner Morgenpost nun Rede und Antwort. So sei alles solide berechnet, wie die Diplom-Verwaltungswirtin beteuert, jedoch schränkt sie zugleich ein, dies gelte bis 2025. Auswirkungen des demographischen Wandels lassen aber schon „ab Anfang des kommenden Jahrzehnts“ die Finanzbelastung „deutlich“ steigen, da es ab dann deutlich mehr Rentner gebe.

Abgefedert wird der demographische Trend laut Roßbach über Finanzreserven aus der Rentenkasse. Im Jahr 2025 greife dann nach jetzigem Stand erstmals die Beitragssatzgarantie, so dass zusätzliche Mittel in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro notwendig wären. Die Mittel sind in der Planung aber vorgesehen: Beinhaltet das Rentenpaket doch die Einrichtung eines Fonds aus Steuermitteln, um die zwei gesetzlich verankerten Haltelinien bis Ende 2025 zu sichern.

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Wie es aber nach 2025 weitergeht, steht noch in den Sternen beziehungsweise liegt in den Händen einer Kommission, die zur Sicherung der Rente von der großen Koalition eingerichtet wurde. Selbst der DRV-Chefin kann im Interview mit dem Berliner Blatt nur auf diese Kommission verweisen. Ergebnisse sind erst im März 2020 zu erwarten, so will es zumindest die Bundesregierung. Bert Rürup, ehemaliger Vorsitzender der „Wirtschaftsweisen“ und Namensgeber der sogenannten „Rürup-Kommission“, nutzte den Zeitplan der Regierung zu beißender Kritik: Man erkaufe sich mit solchen Plänen Zeit, um nichts tun zu müssen (der Versicherungsbote berichtete).

Gundula Roßbach mit kritischen Worten zur „nicht sachgerechte Zahlung“ der Mütterrente

Dass auch Gundula Roßbach den Status Quo kritisch betrachtet, bewies sie schon mehrfach durch Warnungen vor höheren Beiträgen (der Versicherungsbote berichtete) und beweist sie erneut im Interview. So bemängelt sie eine „nicht sachgerechte Zahlung“ der neuen Mütterrente aus Beiträgen an die Rentenversicherung. Werden doch für die Ansprüche der neuen Mütterrente keine regulären Beiträge vom Bund an die Rentenversicherung gezahlt – anders als für Erziehungszeiten für Kinder, die seit 1992 geboren wurden. Das zusätzliche Geld muss aus laufenden Einnahmen der Rentenversicherung eingebracht werden, weswegen die Rentenkasse laut Roßbach ab 2019 insgesamt rund 11 Milliarden Euro weniger zur Verfügung habe.

Grundsicherung bitte aus Steuermitteln

Zu den Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), eine „Grundrente“ einzuführen, äußerste sich Roßbach skeptisch. Der Vorschlag beinhaltet: Wer 35 Beitragsjahre vorweisen kann, soll ein Ruhestandsgeld von mindestens zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten. Die Grundrente soll jene belohnen, die zwar eine lange Zeit in die Rentenkasse einzahlten, jedoch nicht 45 volle Beitragsjahre auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens erreichten (der Versicherungsbote berichtete).

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Roßbach sieht aber eine solche Verknüpfung von Grundsicherung und Einzahlung in die Rentenkasse kritisch. Berücksichtige die Rentenversicherung doch vor allem, was eingezahlt wird. Grundsichernde Leistungen hingegen müssten „systemgerecht aus Steuermitteln und nicht aus Beitragsmitteln“ erbracht werden. Ein Plädoyer für eine strengere Trennung von steuerfinanzierten Sozialleistungen gegenüber dem Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung ... und ein Plädoyer, sich für Sozialleistungen nicht bei der arg gebeutelten Rentenkasse zu bedienen.

Damit aber auch jene belohnt werden, die lange in die Rentenkasse eingezahlt haben, hat Roßbach einen besonderen Vorschlag. So könne ein Freibetrag für die Rente hilfreich sein, den Rentnerinnen und Rentner auch dann behalten, wenn sie Grundsicherung beziehen. Ein solcher Freibetrag, der nicht oder nicht voll für die Grundsicherungsleistungen angerechnet wird, existiert bereits für Riester-Renten: Ein Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich wird den Beziehern von Grundsicherung gewährt, die "riesterten", bei höheren Leistungen aus der Riester-Rente ist der übersteigende Betrag zu 30 Prozent anrechnungsfrei.

Altersarmut "nehme man sehr ernst"

Auch zum Thema Altersarmut äußerte sich Roßbach. Man nehme das Thema sehr ernst. Zunächst aber sollte man sehen: Rund 97 Prozent aller über 65-Jährigen bräuchten momentan neben ihrer Rente keine staatliche Unterstützung. Auch dürfe man nicht automatisch bei jeder Person, die geringe Zahlungen aus der gesetzlichen Rente bezieht, ein Angewiesen-Sein auf Grundsicherung unterstellen. Denn viele Menschen mit kleiner Rente würden in einer Ehe oder Partnerschaft leben oder würden über zusätzliche Alterseinkünfte und Vermögen verfügen.

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Zwei Risikofaktoren für Altersarmut aber bedürfen laut DRV-Präsidentin besonderer Aufmerksamkeit. So wären hohe Wohnkosten einer der Hauptgründe, warum alte Menschen Grundsicherung beziehen müssen – ein Problem, das sich in Ballungsräumen noch verschärft. Deswegen schlägt Roßbach vor, über ein besonderes Wohngeld für diese Menschen nachzudenken. Ein weiteres Problem stellen die Erwerbsbiographien vieler geschiedener Frauen dar. Da früher der Mann oft Hauptverdiener war, sind geschiedene Frauen derzeit besonders von Altersarmut betroffen.

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