Tatsächlich nähren die bereits bestehenden Lehrpläne in Baden-Württemberg und Bayern den Verdacht, ein Unterrichtsfach "Wirtschaft" könnte einseitig die positiven Aspekte kapitalistischen Unternehmertums hervorkehren. “Da findet im Fach Wirtschaft kaum politische Bildung statt, etwa zu Arbeitnehmerrechten. Im Mittelpunkt steht fast ausschließlich Wissen zu Unternehmensgründungen und eigenem unternehmerischem Handeln“, sagte Moritz Peter Haarmann, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB), im letzten Jahr dem „Spiegel“.

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Unternehmen drängen in Schulen

Ähnlich hatte sich zuvor schon die Lehrergewerkschaft GEW positioniert: Sie wünscht sich eine stärkere Differenzierung. Wichtige Themen würden bisher im Unterricht ausgeblendet: etwa, wie Konzerne dazu beitragen, die Umwelt in Dritte-Welt-Staaten zu zerstören - und damit die Menschen zur Flucht zwingen. Oder wie die Prekarisierung der Arbeit voranschreitet - und vielen Menschen hierzulande das Leben erschwere, weil unsichere und schlecht bezahlte Jobs zum Beispiel die Familiengründung behindern.

Die Unternehmen drängen verstärkt in die Schulen, so warnen einflussreiche Bildungs-Gewerkschaften: Sei es, dass sie in Zeiten knapper Kassen Unterrichtsmaterialien sponsern oder wie die Sparkassen das "Planspiel Börse" unterstützen. Am Lehrplan des Unterrichtsfaches "Wirtschaft" wirkten in Baden-Württemberg auch private Stiftungen in beratender Funktion mit. Ein Einfluss, der vielen Pädagogen nicht geheuer ist.

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Doch auch die Arbeitgeber haben Sorge, es könnte ein zu einseitiges Bild im Wirtschafts-Unterricht vermittelt werden: zu ihren Ungunsten. Als im Herbst 2015 die Bundeszentrale für politische Bildung eine Broschüre an Schulen verschickte, die aus Sicht der Arbeitgeber einseitig die Firmen in ein schlechtes Licht rückte, intervenierte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) beim damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Die Arbeitgeber erwirkten kurzzeitig ein Vertriebsverbot. Auch dieser Vorgang zeigt: das Thema Wirtschaft ist ohne ethische und politische Fragen kaum zu verhandeln.

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