Versicherungsbote: Mit Blick auf den Niedrigzins: Macht Bausparen noch Sinn?

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Jörg Koschate: Ja, auf jeden Fall. Und dafür gibt es wichtige Gründe. Der wichtigste: Ein Bausparvertrag ist die seit Jahrzehnten bewährte Option auf einen dauerhaft niedrigen Zins in der Darlehensphase. Wer sich heute einen Vertrag mit den aktuell noch historisch niedrigen Zinsen sichert, kann für die nächsten Jahre mit den fest vereinbarten Zinskonditionen planen. Das ist gerade jetzt wichtig, da die Zinsen langsam, aber stetig steigen. Dies erkennen immer mehr Kunden und nutzen ihren Bausparvertrag als Zinssicherungsinstrument. Hier zeigt sich die besondere Flexibilität eines Bausparvertrages. Denn in der Sparphase dient ein Bausparvertrag dem Vermögensaufbau – oft auch mit staatlicher Förderung – und schafft so das nötige Eigenkapital für eine solide und nachhaltige Finanzierung der eigenen vier Wände. In der Darlehensphase bietet er Zinssicherheit und kann flexibel getilgt werden.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Zinslage auf das Bausparen?

Jörg Koschate, ist Mitglied des Vorstandes der BHW-Bausparkasse.(c) Postbank Zentrale / BHW Bausparkasse AGNatürlich war und ist die Niedrigzinspolitik der EZB eine Herausforderung für die Bausparkassen. Einlagenstarke Finanzinstitute spüren das vor allem im Rückgang ihres Zinsertrags. Sie müssen sich diesem schwierigen Marktumfeld stellen und durch strategische Maßnahmen in eine Stabilisierung der Erträge und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens investieren. Diese Herausforderung haben wir angenommen und neue Produkte entwickelt, Prozesse optimiert und in die Zukunft investiert. Doch jede Medaille hat zwei Seiten: Für die Darlehenskunden ist die Niedrigzinsphase natürlich durchaus attraktiv. Angesichts immer weiter steigender Mieten steigt die Nachfrage nach Wohneigentum. Gerade Familien mit Kindern möchten sich ihren Traum vom Eigenheim erfüllen. Niedrige Zinsen, gestiegene Einkommen, sichere Arbeitsplätze und oft auch eine Erbschaft oder staatliche Förderung machen dies möglich. Immobilienfinanzierungen mit langfristig niedrigen Zinsen erfreuen sich daher großer Nachfrage. Gleichzeitig nimmt auch der Bedarf, vorhandenen Wohnraum zu modernisieren und energetisch zu sanieren, weiter zu. Viele Kunden nutzen die niedrigen Zinsen, um ihren Traum von den eigenen vier Wänden umzusetzen. Dies gilt sowohl für den Bau oder Kauf als auch für den Werterhalt einer Immobilie.

Wie sieht der typische Bausparkunde aus?

Da rund 30 Prozent aller Deutschen einen Bausparvertrag besitzen, gibt es den typischen Bausparkunden nicht. Das Image vom spießigen Bausparer ist schon lange Geschichte – und das ist gut so. Die Kunden kommen aus allen Altersgruppen und Einkommensschichten. Das sind sicherheitsorientierte Kunden, die keine Schwankungen am Darlehenszins riskieren wollen, da über die gesamte Laufzeit die gleiche Rate fällig wird. Das sind Familien mit Kindern, die von der Wohn-Riester-Zulage profitieren. Das sind Kunden, die die Wohnungsbauprämie erhalten oder in der Darlehensphase flexible Rückzahlungsmöglichkeiten wünschen – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Palette an „Kunden-Typen“ ist also genauso breit gefächert, wie die Optionen, die ein Bausparvertrag bietet. Interessant ist aber: Nur etwa ein Drittel der Bausparer wohnt noch zur Miete, alle anderen genießen bereits die Vorteile der eigenen Immobilie: Sie bietet mehr Lebensqualität, ist inflationssicher, unabhängig vom Auf und Ab der Kapitalmärkte und schützt vor Kündigung oder Mieterhöhungen. Im Vergleich zu Nicht-Bausparern schaffen sie es, die eigenen vier Wände mit weniger Eigenkapital und geringerem Einkommen zu finanzieren. Und sie beziehen ihr Wohneigentum etwa drei Jahre früher.

Welche Fehler machen Kunden in Bezug auf das Bausparen?

Typische nicht optimale Vertragsgestaltungen reichen von der Wahl des falschen Tarifes, über die falsche Bausparsumme bis zum Nicht-Ausschöpfen der möglichen Förderungen. Nur wenige Kunden haben ausreichend Fachwissen, um sich alle Fragen rund um ihren Bausparvertrag oder ihr Finanzierungsvorhaben selbst zu beantworten. Umso wichtiger ist deshalb eine gute Beratung. Beispielsweise verlockt der Niedrigzins manche Kunden dazu, mit wenig oder ganz ohne Eigenkapital eine Immobilie kaufen zu wollen. Bei Tilgungszeiten von 30 Jahren müssen aber auch Reserven für Instandhaltungen schon mit bedacht werden. Wer seine Belastung „auf Kante näht“, potenziert sein Risiko. Um zu vermeiden, dass günstige Finanzierungen zu historisch langen Tilgungszeiten führen, sollte die anfängliche Kredittilgung nicht nur bei einem Prozent, sondern höher liegen. Gerade für die große Gruppe der heute 30 bis 40-jährigen Eigenheim-Finanzierer muss deshalb ein Konzept erarbeitet werden, damit sie mit Beginn des Ruhestands schuldenfrei sind. Hier sind die Berater und Banken gefragt, denn die Wahl des richtigen Finanzierungskonzeptes ist ebenso komplex wie die individuelle Lebenssituation der Kunden unterschiedlich ist. Den Kunden vor Fehlern bewahren, bevor er sie begeht, lautet hier die Devise.

Wohnriester ist die einzige Sparte, die aktuell in der staatlich geförderten Riester-Altersvorsorge boomt. Weshalb macht Bausparen in Kombination mit Wohn-Riester Sinn?

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Für alle, die in einigen Jahren ein Eigenheim bauen oder kaufen wollen, ist ein Riester-Bausparvertrag ein wichtiger Baustein für eine solide Baufinanzierung. Dies gilt besonders für Familien mit Kindern. Wie bei allen Riester-Modellen gibt es bis zu 175 Euro jährlich vom Staat als Grundzulage. Bereits in der Ansparphase des Bausparvertrages fließen die Zulagen als zusätzliche Sparrate in das Bausparkonto. Der Vertrag wird so schneller zugeteilt. Nach Zuteilung des Vertrages und Abruf des Darlehens unterstützt die Zulage bei der schnelleren Tilgung. Die staatliche Förderung wirkt dabei wie ein Tilgungsturbo. Neben der Grundzulage gibt es für jedes vor 2008 geborene Kind zusätzlich 185 Euro im Jahr; für jedes später geborene sogar bis zu 300 Euro jährlich. Im Falle einer Familie mit zwei Kindern können also in 20 Jahren rund 16.000 Euro Fördergeld bezogen werden. Je früher man mit dem „Riestern“ beginnt, desto besser. Für Sparer unter 25 Jahren gibt es bei Abschluss eines Riester-Vertrags einen Zuschuss in Höhe von 200 Euro. Aber auch ältere Bausparer können von der Wohn-Riester-Förderung profitieren, denn die Zulage gibt es auch für die Ablösung von Baudarlehen oder den barrierefreien Umbau einer Immobilie.

Andere Prioritäten müssen in Zeiten niedriger Zinsen her

Versicherungsbote: Welche Perspektive sehen Sie in dem Produkt Bausparvertrag?

Jörg Koschate: Bausparen hat nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern weiter hohen Stellenwert und damit durchaus auch eine hervorragende Perspektive. Das deutsche Baufianzierungssystem baut darauf, Sicherheit zu gewährleisten. Dabei spielt der Bausparvertrag eine zentrale Rolle: als flexibles Finanzierungselement für konkrete Immobilienvorhaben, zur Absicherung der niedrigen Zinsen für zukünftige Bau- oder Modernisierungsprojekte und zum staatlich geförderten Aufbau von Eigenkapital. Dieses System hat sich millionenfach bewährt. Wohneigentum diszipliniert zum Sparen, stabilisiert die Altersvorsorge und entlastet über Sickereffekte die Mietmärkte.

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Warum sollten Vermittler auf Bauspar-Produkte setzen?

Bausparen ist und bleibt das ideale Produkt zur vielfachen Kundenansprache. Wer in den Beruf einsteigt oder noch in der Ausbildung ist, kann von einem Bausparvertrag besonders profitieren. Hier wirkt die staatliche Förderung und Form von Wohnungsbauprämie, Arbeitnehmersparzulage oder Wohn-Riester besonders stark und macht einen Bausparvertrag auch unter Rendite Gesichtspunkten attraktiv. Wer in späteren Jahren über eigene vier Wände nachdenkt, kann auf das angesparte Vermögen zurückgreifen und weiß die Vorzüge eines Bauspardarlehens zu schätzen. Wer bereits vor einigen Jahren finanziert hat, möchte sich die niedrigen Zinsen langfristig sichern und wer sein Haus bereits weitgehend abbezahlt hat, möchte vielleicht in den Werterhalt oder einen barrierefreien Umbau seiner Immobilie investieren. Es sind also meist positive Anlässe, die mit einem Bausparvertrag verbunden sind. Eine gute Beraterin oder ein guter Berater weiß diese Anlässe zu nutzen und baut eine solide Kundenbeziehung auf.

Viele Vermittler stehen dem Bausparvertrag nicht unbedingt positiv gegenüber. Welche Hintergründe hat das?

Das entspricht nicht meinen Erfahrungen. Natürlich hat es in den letzten Jahren Kunden gegeben, die einen Bausparvertrag als reine Geldanlage nutzen wollten. Dies entspricht aber nicht dem eigentlichen Ziel des Bausparens. Wir haben unsere Tarife angepasst und unsere Bestände stabilisiert. Das ist nicht ohne Konflikte abgelaufen. Auch unsere Partner – ebenso wie unsere Kunden – mussten lernen, dass in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen andere Prioritäten gesetzt werden müssen und die Beratung aufwändiger wird. Hier liegen aber auch Chancen, die wir mit unseren Produkten und schlanken Prozessen gemeinsam mit den Vermittlern nutzen möchten.

Wie hat sich das Geschäft mit Bausparverträgen in den letzten fünf Jahren geändert?

Wie bereits an anderer Stelle erläutert, wird die Zinssicherung immer wichtiger und so werden Bausparverträge noch häufiger als früher direkt in eine Finanzierungslösung eingebaut. Die geschieht, um nach der ersten Zinsbindungsphase ein heute abgeschlossenes Darlehen zu den heutigen Konditionen abzulösen. Darum ist die durchschnittliche Bausparsumme auch in den letzten fünf Jahren kontinuierlich und spürbar angestiegen. Aber auch die Bildung von Eigenkapital wird zunehmend wichtiger. Die Nebenkosten bei Bau oder Erwerb einer Immobilie liegen heute bereits bei 15 bis 20 Prozent der Gesamtkosten. Ein frühzeitig abgeschlossener Bausparvertrag kann hier einen soliden Grundstock liefern, die Zinsen für das Guthaben sind dabei nicht entscheidend, wichtiger ist die Option auf dauerhaft niedrige Zinsen in der Darlehensphase.

An welchen Schrauben müsste die Branche oder sogar die Politik drehen, um Bausparen attraktiver zu machen?

Bausparen wird dann noch attraktiver, wenn die Bildung von Wohneigentum erleichtert wird. Dazu müssen Haushalte mit durchschnittlichen Einkommen beim Aufbau von Eigenkapital unterstützt werden. Denkbar ist eine Erhöhung der Fördersätze und der Einkommensgrenzen bei Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage, die Einführung direkter Zuschüsse beim Eigentumserwerb und Entlastungen bei der nachgelagerten Besteuerung der Wohnriester-Förderung. Um Familien den Weg in die eigenen vier Wände zu ebnen, haben Union und SPD sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ja aktuell auf eine neue Bauförderung geeinigt. Das ist auf jeden Fall ein wichtiges und gutes Signal der Politik. Beschlossen ist das Baukindergeld zwar noch nicht – aber dass die Förderung kommt, scheint sicher zu sein.

Allerdings berücksichtigt das geplante Fördermodell die Dynamik des Immobilienmarktes zu wenig. Sollten Familien nämlich, dank Förderung, verstärkt ins eigene Haus drängen, würde das zwangsläufig steigende Preise nach sich ziehen. Diese Steigerung würden die positiven Effekte des Baukindergeldes möglicherweise wieder relativieren. Wir brauchen insgesamt mehr kluge staatliche Impulse für bezahlbaren Wohnraum, für wirksamen Klimaschutz im Gebäudebestand und für die solide Altersvorsorge der Bevölkerung. Die extrem niedrige Wohneigentumsquote ist ein gravierender Nachteil Deutschlands im europäischen Vergleich. Die Politik sollte das strategische Ziel verfolgen, diesen Wert auf 60 Prozent anzuheben.

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Die Fragen stellte Jenny Müller

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