Wer wissen will, wie sich in vielen Filialen der Postbank Paketversand und Bankgeschäft verzahnen, der muss zu Stoßzeiten in einer Stadt wie Leipzig in eine eben solche Filiale gehen, um ein Päckchen zu senden oder abzuholen, wie der Verfasser dieser Zeilen mehrfach erfahren musste. Nicht selten stehen die Wartenden, die Auskunft zu ihrem Konto haben wollen oder Bargeld einzahlen, in derselben Reihe wie jene, die eben ein Päckchen wegschicken, während überforderte Mitarbeiter mit der Bearbeitung kaum nachkommen. Wartezeiten von einer halben Stunde und mehr sollte man unter Umständen einplanen.

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Als mir das Warten dann doch einmal zu viel wurde und ich mich beschweren wollte, erfuhr ich in der Filiale am Brühl, dass die langen Warteschlangen in der Postbankfiliale eigentlich nichts mit der Postbank zu tun haben. Die freundliche Frau drückte mir ein Kärtchen in die Hand, auf der die Nummer der DHL-Beschwerdehotline stand: Man sei nur Servicedienstleister für die Deutsche Post- und DHL Group, folglich nicht der rechte Ansprechpartner. „Strategische Filialpartnerschaft“ nennt sich das Modell, welches es erlaubt, die Verantwortlichkeiten derart weiterzuschieben.

Ein Einzelfall? Die Google-Suchanfrage der Kombination „Postbank“ und „Warteschlange“ ergibt mehr als 22.000 Treffer, darunter Artikel in der Süddeutschen Zeitung, Neuen Osnabrücker Zeitung, der Rheinischen Post und beim Hamburger Abendblatt. “Die Warteschlangen bei der Postbank werden immer länger“, ist dort zu lesen, auch von „wütenden und frustrierten Kunden“. Besonders nach Feierabend und an Samstagen seien die Warteschlangen in zentral gelegenen Filialen sehr lang, berichtet die „Süddeutsche“ zum Beispiel aus München.

Jede zehnte Filiale soll geschlossen werden

Diese Situation hält den Vorstand der Postbank nicht davon ab, weitere Filialen zu schließen. Bis zum Ende des Jahres 2018 soll jede zehnte Anlaufstelle dichtgemacht werden, insgesamt deutlich mehr als 100 Filialen. Das berichtet die „Bild am Sonntag“ und beruft sich auf eine interne Streichliste, die dem Blatt vorliegt. Postbank-Vorstandsmitglied Susanne Klöß bestätigte die Pläne des Konzerns gegenüber der Zeitung.

72 Standorte in der ganzen Republik seien vom Filialabbau betroffen, so schreibt das Blatt weiter, die Schließungen hätten bereits im Februar begonnen. In der Region um Hannover sollen zum Beispiel vier Filialen wegfallen, in Hamburg zwei Filialen sowie weitere Filialen in Städten wie Zwickau, Bremen oder Kiel. Viele der betroffenen Filialen gelten als unrentabel, begründet die Postbank den Schritt.

Die Postbank bestreitet, dass die Schließungen etwas mit der neuen Strategie der Konzernmutter Deutsche Bank zu tun haben. Die Deutsche Bank will ihr Privatkundengeschäft künftig komplett mit der Postbank zusammenlegen - und hat ebenfalls bei den Filialen zuletzt den Rotstift angesetzt. Postbank-Vorständin Klöß sagte hingegen, die Schließungen seien „Teil einer langfristigen Strategie“.

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Positiv aus Sicht der Mitarbeiter ist, dass sie ihren Job behalten werden. Der Großteil sei ohnehin von der Deutschen Post ausgeliehen und gehe dorthin zurück, erklärte Klöß laut BamS. „Unsere Mitarbeiter wechseln zu anderen Standorten, jeder bekommt eine Anschlussbeschäftigung“. Zudem schließe die Postbank nicht nur Filialen, "wir eröffnen auch". Bis Mitte 2019 entstünden 50 neue Vertriebscenter, die unter anderen zu Wertpapieren und Bausparen beraten, kündigte die Vorständin an. 25 dieser Vertriebscenter gebe es bereits.

Filialsterben - dank Digitalisierung?

Mit ihren Plänen folgt die Postbank einem allgemeinen Trend auf dem deutschen Bankenmarkt. Fast alle Institute streichen in der Fläche ihre Anlaufstellen. Zum Jahresende 2017 gab es 1.900 Filialen weniger als noch im Jahr zuvor, so geht aus jüngst veröffentlichten Zahlen der Bundesbank hervor, von denen die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Die Zahl der Zweigstellen verringerte sich auf 30.126 Filialen.

„Das herausfordernde Wettbewerbsumfeld und insbesondere das anhaltend niedrige Zinsniveau machen den Instituten zu schaffen und veranlassen sie zu deutlichen Kosteneinsparungen“, erläutert Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling. Zudem trage die Digitalisierung und die vermehrte Nutzung des Online-Bankings dazu bei, dass das Filialnetz schrumpfe.

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Auffallend ist hierbei, dass die Privatbanken ohnehin weit weniger Filialen unterhalten als die öffentlichen Institute. 10.174 Adressen entfallen zum Jahresende 2017 allein auf die Sparkassen und Landesbanken, die binnen Jahresfrist aber ebenfalls 765 Filialen abgebaut haben. Das zweitgrößte Filialnetz unterhalten die genossenschaftlichen Banken mit 9.455 Adressen, was ein Minus um 714 Anlaufstellen bedeutete. Bei den Kreditbanken gab es einen Rückgang um 402 auf 9042 Filialen.

Der Trend dürfte unvermindert anhalten. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Hans-Walter Peters, hatte Anfang Mai in einem Zeitungsinterview prognostiziert, dass es bereits in fünf Jahren rund ein Viertel weniger Bankfilialen in Deutschland geben werde. Deutschland habe mehr Bankfilialen als andere europäische Staaten, was unter dem hohen Preis- und Wettbewerbsdruck kaum aufrecht zu halten sei, erklärte Peters.

Bürgerinitiativen gegen Filialschließungen

Ärgerlich ist das Filialsterben, wenn die Bankkunden dann doch in der Filiale stehen. Und eine lange Warteschlange vorfinden, weil die Banken dem Ansturm nicht gewappnet sind. Oder wenn die Menschen gar keine Anlaufstelle vor Ort mehr finden. Gerade ältere Kunden in ländlichen Regionen, die dem Online-Banking weniger zugetan sind, haben dann ein Problem: Sie müssen mit dem Bus oder Auto in die nächst gelegene Stadt fahren, um an Bargeld zu kommen.

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In mehreren Gemeinden haben sich Bürgerinitiativen gegründet, weil die Bürger das Aus für die einzige Filiale im Ort fürchten. Entsprechende Initiativen gibt es zum Beispiel im Touristenort Farchant in Oberbayern, wo sich zeitgleich die Sparkasse und die Volksbank-Raiffeisenbank aus der Region zurückziehen wollen. Oder in Ringenberg in Nordrhein-Westfalen, wo die Sparkasse ihre Filiale schließen will, in Affinghausen / Niedersachsen oder Nieder-Liebersbach im Odenwald.

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